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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Aus dem Wiener Künstlerhause: (Neuerwerbungen der Staatsgalerie)
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0047

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AUS DEM WIENER KÜNSTLERHAUSE.
(Neuerwerbungen der Staatsgalerie.)
Die Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens hält eine gewisse
Fühlung mit alter Kunst aufrecht. Das kommt zum Teil darin zum Aus-
druck, daß sie in ihren Schaustellungen den Malern Zugang gewährt, die
mit der alten Überlieferung sorgsamer Ausführung Zusammenhängen, zum
Teil darin, daß sie auch recht eigentlich alte Kunst in ihre Kunsträume zu-
läßt. Eine denkwürdige Vorführung von Bildnissen aus dem 18. und 19. Jahr-
hundert war 1880 dort abgehalten worden; 1891 folgte eine hochbedeut-
same Grillparzer-Ausstellung und die Danhauser-Schwind-Kupelwieser-Aus-
stellung von 1897 lebt noch in frischer Erinnerung unserer Kunstwelt. Auch
sonst waren gelegentlich alte Meister dort zu sehen; und das alles gereichte
der Genossenschaft und ihrer Kasse gewiß nicht zum Schaden. Hoffen wir,
daß sich dort regelmäßig neben und nach der Kunst des Tages auch altes
Kunstgut einfinden wird. Doch davon später. Zunächst sei darüber ge-
sprochen, daß im heurigen Sommer wieder eine Kunstschau mit alten
Sachen offen steht, die das neugierige Wien in die Ausstellungsräume des
Künstlerhauses lockt. Es ist die Vorführung der neuerworbenen Kunst-
werke aus der k. k. österreichischen Staatsgalerie.
Die Aufmachung ist mit Geschick durchgeführt, wenigstens mit Sinn
für Abwägung der Maßen, auch wenn eine zeitliche Einteilung nur ange-
deutet werden konnte. Im nordwestlichen Pavillon sind die ältesten Kunst-
werke beisammen, in den übrigen Räumen die neueren in bunter Reihe
verteilt. In der kleinen Abteilung der Ältesten finden sich bemerkenswerte
mittelalterliche Bildnereien und Gemälde. Begreiflicherweise wird in den
vorliegenden Studien und Skizzen nur auf Gemaltes näher eingegangen,
wogegen die Plastik ganz im allgemeinen der liebevollen Betrachtung emp-
fohlen wird.
Unter den Gemälden darf vielleicht die kleine Tafel mit der Marter
des Bischofs Thiemo die meiste Aufmerksamkeit beanspruchen (Abb. dem-
nächst).*) Ist doch das frisch erfundene, farbenfrohe Bildchen das Werk eines
Wiener Meisters, der ungefähr in der Mitte des 15. Jahrhunderts tätig
war, eines noch unbenannten, aber dennoch bekannten Künstlers, der unter
anderem auch die Geschichte von der Gründung Klosterneuburgs in einem
kleinen Bild dargestellt hat, und zwar in derselben Weise: hell und farben-
freudig. Dieses Gemälde befindet sich seit einiger Zeit in der Sammlung
Figdor in Wien. Beide sind aus M. v. Karajanschem Besitz, veröffentlicht bei
Suida in „Österreichische Kunstschätze“. Die klare Wirkung dieser Bilder
ist der Dünnheit des Farbenauftrags zu verdanken, welche den weißen
Grund prächtig zur Geltung kommen läßt. Auf beiden Bildchen ist die
dunkle Pinselvorzeichnung auffallend gut zu unterscheiden. Sie schimmert
durchs trübe Medium des lasierenden Farbenauftrags milchig-blau hindurch.

*) Was die Darstellung betrifft, so liegt es näher, an den Salzburger Bischof
Thiemo zu denken, als an den südliehen Bischof Erasmus, dessen Marter freilich in
derselben Weise dargestellt wird. Thiemo wird am 28. September gefeiert. Dazu die
bekannte Literatur und Guenbaulds Dictionnaire iconographique aus Mignes Ency-
clopädie theologique.

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