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KARL ANDREAS RUTHART.
Vom Herausgeber.
Für die deutsche Kunst bildet Ruthart einen Gipfel vorzüglicher Tier-
darstellung. Er ist ein Analogon zu den Fyt, Sneyders und Paul de Vos in
der flandrischen Malerei, zu Paul Potter, Albert Cuyp, Melchior d’Hondecoeter,
Abraham Hondius in Holland, zu Desportes und Oudry in Frankreich, ganz
zu schweigen von den vorzüglichen Tiermalern aus dem 19. und 20. Jahr-
hundert. Die angedeuteten Gipfel ruhen aber auf vieltausendjährigen Vor-
stufen. Die Freude an dem Getier in der freien Natur ist sicher zugleich
mit dem Menschengeschlecht herangewachsen. Jagd und Abwehr wilder
Tiere waren den ältesten Menschen Lebensbedingungen. Früh schon richtete
auch der aufkeimende Kunsttrieb seine Aufmerksamkeit auf die vierfüßigen
und die zweibeinigen, geflügelten Zeitgenossen. Ich will heute gewiß keine
Ikonographie der Jagd oder des Tierbildes schreiben, muß aber doch an-
deuten, daß von den ältesten Zeiten bildender Kunst bis in unsere Tage
eine überaus lange, dicht gefüllte und mannigfach gestaltete Reihe von Jagd-
bildern und Tierdarstellungen anderer Art unendliche Anregung für allerlei
Studien bildet. Wie es bei derlei Entwicklungsreihen immer ist, so kann
auch hier ein eigentlicher Anfang nicht festgestellt werden. Überdies liegen
manche Strecken noch im Dunkel. Dies gilt auch von den vorbereitenden
Stufen der Ruthartschen Kunst. Wüßte man nicht bestimmt, daß jede Kunst-
leistung ihre Vorstufen haben muß, so würde man annehmen müssen, daß
durch Ruthart ziemlich unvermittelt eine hohe Stufe erklommen wurde. Ich
beachte wohl, daß die ontogenetische Entwicklung des Menschen große
Ähnlichkeit hat mit der phylogenetischen Entwicklung der Menschheit und lasse
bei jedem Menschen, auch dem Künstler, eine ähnliche Entwicklungsfähigkeit
des Schaffens gelten, wie sie sich vorher durch viele, viele Generationen
hindurch in der allgemeinen Kunstentwicklung gezeigt hat. Demnach gebe
ich auch zu, daß bei aller Bedingtheit durch künstlerische Vorfahren und
Vorbilder der Hauptaufschwung zur Höhe sich doch innerhalb der Schaffens-
zeit des Künstlers vollzogen haben mag.
Rutharts Kunst ist besonders vortrefflich im Auffassen wilder Bewegung,
darin geht er wieder dem berühmteren I. El. Ridinger voran, und in der ganz
einzig hohen Begabung für Erfindung verwickelter, aber doch klar gedachter
und gezeichneter Gruppen von Tieren verschiedener Art, besonders von
Hunden, Hirschen, Bären, von Löwen und anderen großen katzenartigen Raub-
tieren. Er kannte sie wohl aus allerlei Bärenzwingern und Tiergärten. Solche
waren ja längst in Europa bekannt, als Ruthart lebte.*) Er muß auf Hetz-
jagden mit rascher Auffassung die wechselnden Bilder des fliehenden oder
sich wehrenden Wildes oft genug geschaut haben. Man ist hiebei auf Wahr-
*) Rutharts Tierbilder können auch den Zoologen fesseln, nicht zuletzt durch
die realistische Darstellung exotischer Tierarten, von denen zum Beispiel die Riesen-
taube (Didus ineptus) jetzt schon ausgestorben ist. Diese kommt (laut Woermanns
Katalog) auf dem Dresdner Odysseusbild vor. Über dieses weiter unten im Verzeichnis
der Werke. Zoologen werden noch manche andere bemerkenswerte Tierart auf Rutharts
Bildern finden, wie man denn auch auf Gemälden des R. Savery merkwürdige Darstel-
lungen vorgefunden hat, die für die Naturwissenschaft von Interesse sind.
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KARL ANDREAS RUTHART.
Vom Herausgeber.
Für die deutsche Kunst bildet Ruthart einen Gipfel vorzüglicher Tier-
darstellung. Er ist ein Analogon zu den Fyt, Sneyders und Paul de Vos in
der flandrischen Malerei, zu Paul Potter, Albert Cuyp, Melchior d’Hondecoeter,
Abraham Hondius in Holland, zu Desportes und Oudry in Frankreich, ganz
zu schweigen von den vorzüglichen Tiermalern aus dem 19. und 20. Jahr-
hundert. Die angedeuteten Gipfel ruhen aber auf vieltausendjährigen Vor-
stufen. Die Freude an dem Getier in der freien Natur ist sicher zugleich
mit dem Menschengeschlecht herangewachsen. Jagd und Abwehr wilder
Tiere waren den ältesten Menschen Lebensbedingungen. Früh schon richtete
auch der aufkeimende Kunsttrieb seine Aufmerksamkeit auf die vierfüßigen
und die zweibeinigen, geflügelten Zeitgenossen. Ich will heute gewiß keine
Ikonographie der Jagd oder des Tierbildes schreiben, muß aber doch an-
deuten, daß von den ältesten Zeiten bildender Kunst bis in unsere Tage
eine überaus lange, dicht gefüllte und mannigfach gestaltete Reihe von Jagd-
bildern und Tierdarstellungen anderer Art unendliche Anregung für allerlei
Studien bildet. Wie es bei derlei Entwicklungsreihen immer ist, so kann
auch hier ein eigentlicher Anfang nicht festgestellt werden. Überdies liegen
manche Strecken noch im Dunkel. Dies gilt auch von den vorbereitenden
Stufen der Ruthartschen Kunst. Wüßte man nicht bestimmt, daß jede Kunst-
leistung ihre Vorstufen haben muß, so würde man annehmen müssen, daß
durch Ruthart ziemlich unvermittelt eine hohe Stufe erklommen wurde. Ich
beachte wohl, daß die ontogenetische Entwicklung des Menschen große
Ähnlichkeit hat mit der phylogenetischen Entwicklung der Menschheit und lasse
bei jedem Menschen, auch dem Künstler, eine ähnliche Entwicklungsfähigkeit
des Schaffens gelten, wie sie sich vorher durch viele, viele Generationen
hindurch in der allgemeinen Kunstentwicklung gezeigt hat. Demnach gebe
ich auch zu, daß bei aller Bedingtheit durch künstlerische Vorfahren und
Vorbilder der Hauptaufschwung zur Höhe sich doch innerhalb der Schaffens-
zeit des Künstlers vollzogen haben mag.
Rutharts Kunst ist besonders vortrefflich im Auffassen wilder Bewegung,
darin geht er wieder dem berühmteren I. El. Ridinger voran, und in der ganz
einzig hohen Begabung für Erfindung verwickelter, aber doch klar gedachter
und gezeichneter Gruppen von Tieren verschiedener Art, besonders von
Hunden, Hirschen, Bären, von Löwen und anderen großen katzenartigen Raub-
tieren. Er kannte sie wohl aus allerlei Bärenzwingern und Tiergärten. Solche
waren ja längst in Europa bekannt, als Ruthart lebte.*) Er muß auf Hetz-
jagden mit rascher Auffassung die wechselnden Bilder des fliehenden oder
sich wehrenden Wildes oft genug geschaut haben. Man ist hiebei auf Wahr-
*) Rutharts Tierbilder können auch den Zoologen fesseln, nicht zuletzt durch
die realistische Darstellung exotischer Tierarten, von denen zum Beispiel die Riesen-
taube (Didus ineptus) jetzt schon ausgestorben ist. Diese kommt (laut Woermanns
Katalog) auf dem Dresdner Odysseusbild vor. Über dieses weiter unten im Verzeichnis
der Werke. Zoologen werden noch manche andere bemerkenswerte Tierart auf Rutharts
Bildern finden, wie man denn auch auf Gemälden des R. Savery merkwürdige Darstel-
lungen vorgefunden hat, die für die Naturwissenschaft von Interesse sind.
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