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DIE WIENER GALERIE GOTTFRIED PREYER IN AMERIKA.
Vom Herausgeber.
Nahezu achtzehn Jahre ist es her, daß eine gar wertvolle Kunstsamm-
lung aus Wien nach New York verkauft worden ist. Im Dezember 1901 ver-
breitete sich die Kunde vom Verkauf der Preyerschen Bilder. Wer es nicht
in den Kreisen der Kunstfreunde oder bei den Händlern schon vernommen
hatte, konnte es in allen Wiener Tageblättern lesen. In aller Stille war es
geschehen. Dann wurde der Kunstbesitz verpackt und endlich übers große
Wasser befördert. Anfangs machte es freilich Schwierigkeiten, die Bilder an
die richtige Adresse zu bringen. Denn der Käufer, es ist der amerikanische
Kupferkönig Will. A. Clark, wollte anfangs den unverhältnismäßig hoch
bemessenen Einfuhrzoll nicht leisten. Aber die Sache wurde ausgeglichen,
und Preyers Bilder hängen seit Jahren bei Clark in New York. In Wien
ist die Sammlung Preyer niemals öffentlich gezeigt worden, auch nicht aus
dem Nachlaß und schon gar nicht, als der Besitzer noch lebte, der seine
Schätze nur Freunden und Kennern vorwies. Daß man den Verkauf heim-
lich durchführte, war ein Mißgriff zum Schaden unseres doch immerhin kunst-
liebenden Wiens und zum Schaden der Alten Welt. Ich meine, es war ein
arger Mißgriff des damaligen Unterrichtsministers Hartei, der bestimmt um
die Absicht wußte, daß die Sammlung verkauft werden solle. Aber Hartei
war kein Kunstverständiger, das gestehen seine besten Freunde und Förderer
zu, und wir müssen es nachträglich beklagen, daß beim Verkauf keinerlei
Wettbewerb veranstaltet wurde, der selbstverständlich mit einer Ausstellung
der Sammlung einzuleiten gewesen wäre. So war die Galerie Preyer nur von
wenigen gesehen worden. Wir müssen uns jetzt sagen: sollte es in Wien, in
Berlin, in Paris, München oder sonstwo, vielleicht sogar in Reichenberg, Brünn
nicht einen zahlkräftigen Sammler gegeben haben, der die Preyersche Galerie
als Ganzes preiswert übernommen hätte? Nur als Ganzes sollte sie abgegeben
werden. Mit einer Eile, die von unserem Standpunkt aus höchst unzweck-
mäßig genannt werden muß, fanden die Unterhandlungen ihren Abschluß.
Das Ergebnis ist das, daß ll/2 Millionen Gulden (heute wird man sagen:
wie wenig, 1901 war es freilich eine nette Summe für eine kleine Samm-
lung) gewonnen wurden. Der Erlös war testamentarisch zur Erbauung eines
Asyls für Waisenkinder ohne Unterschied der Konfession bestimmt. Was
uns in kunstgeschichtlicher Beziehung von der Sammlung bleibt,
sind lediglich vierzig Photographien, die noch zu Lebzeiten Preyers
von der Firma J. Löwy angefertigt worden, die also jetzt im Kunsthaus
Wolfrum aufzusuchen sind. Die Gemälde sind wohl unwiederbringlich für
die Alte Welt verloren. Und es ist ein wirklicher Verlust. Die Barbizon-
gruppe war in Preyers Sammlung vertreten wie in keiner anderen Wiener
Galerie. Auch andere Franzosen, wie der unvergleichliche Jean Bapt. Simeon
Chardin und der neuere Roybet, waren durch gute Beispiele repräsentiert.
Daran reihten sich Holländer ersten Ranges und manches andere von Be-
deutung. Einige Beispiele werden nach den Löwyschen Aufnahmen auf den
Tafeln dieses Heftes vorgeführt.
Betagte Wiener Kunstleute wissen es genau, wer und was der Sammler
Preyer war. Der jüngeren Generation und den Ausländern muß aber erst
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DIE WIENER GALERIE GOTTFRIED PREYER IN AMERIKA.
Vom Herausgeber.
Nahezu achtzehn Jahre ist es her, daß eine gar wertvolle Kunstsamm-
lung aus Wien nach New York verkauft worden ist. Im Dezember 1901 ver-
breitete sich die Kunde vom Verkauf der Preyerschen Bilder. Wer es nicht
in den Kreisen der Kunstfreunde oder bei den Händlern schon vernommen
hatte, konnte es in allen Wiener Tageblättern lesen. In aller Stille war es
geschehen. Dann wurde der Kunstbesitz verpackt und endlich übers große
Wasser befördert. Anfangs machte es freilich Schwierigkeiten, die Bilder an
die richtige Adresse zu bringen. Denn der Käufer, es ist der amerikanische
Kupferkönig Will. A. Clark, wollte anfangs den unverhältnismäßig hoch
bemessenen Einfuhrzoll nicht leisten. Aber die Sache wurde ausgeglichen,
und Preyers Bilder hängen seit Jahren bei Clark in New York. In Wien
ist die Sammlung Preyer niemals öffentlich gezeigt worden, auch nicht aus
dem Nachlaß und schon gar nicht, als der Besitzer noch lebte, der seine
Schätze nur Freunden und Kennern vorwies. Daß man den Verkauf heim-
lich durchführte, war ein Mißgriff zum Schaden unseres doch immerhin kunst-
liebenden Wiens und zum Schaden der Alten Welt. Ich meine, es war ein
arger Mißgriff des damaligen Unterrichtsministers Hartei, der bestimmt um
die Absicht wußte, daß die Sammlung verkauft werden solle. Aber Hartei
war kein Kunstverständiger, das gestehen seine besten Freunde und Förderer
zu, und wir müssen es nachträglich beklagen, daß beim Verkauf keinerlei
Wettbewerb veranstaltet wurde, der selbstverständlich mit einer Ausstellung
der Sammlung einzuleiten gewesen wäre. So war die Galerie Preyer nur von
wenigen gesehen worden. Wir müssen uns jetzt sagen: sollte es in Wien, in
Berlin, in Paris, München oder sonstwo, vielleicht sogar in Reichenberg, Brünn
nicht einen zahlkräftigen Sammler gegeben haben, der die Preyersche Galerie
als Ganzes preiswert übernommen hätte? Nur als Ganzes sollte sie abgegeben
werden. Mit einer Eile, die von unserem Standpunkt aus höchst unzweck-
mäßig genannt werden muß, fanden die Unterhandlungen ihren Abschluß.
Das Ergebnis ist das, daß ll/2 Millionen Gulden (heute wird man sagen:
wie wenig, 1901 war es freilich eine nette Summe für eine kleine Samm-
lung) gewonnen wurden. Der Erlös war testamentarisch zur Erbauung eines
Asyls für Waisenkinder ohne Unterschied der Konfession bestimmt. Was
uns in kunstgeschichtlicher Beziehung von der Sammlung bleibt,
sind lediglich vierzig Photographien, die noch zu Lebzeiten Preyers
von der Firma J. Löwy angefertigt worden, die also jetzt im Kunsthaus
Wolfrum aufzusuchen sind. Die Gemälde sind wohl unwiederbringlich für
die Alte Welt verloren. Und es ist ein wirklicher Verlust. Die Barbizon-
gruppe war in Preyers Sammlung vertreten wie in keiner anderen Wiener
Galerie. Auch andere Franzosen, wie der unvergleichliche Jean Bapt. Simeon
Chardin und der neuere Roybet, waren durch gute Beispiele repräsentiert.
Daran reihten sich Holländer ersten Ranges und manches andere von Be-
deutung. Einige Beispiele werden nach den Löwyschen Aufnahmen auf den
Tafeln dieses Heftes vorgeführt.
Betagte Wiener Kunstleute wissen es genau, wer und was der Sammler
Preyer war. Der jüngeren Generation und den Ausländern muß aber erst
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