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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Risse und Sprünge in Gemälden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0090

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RISSE UND SPRÜNGE IN GEMÄLDEN.
(Fortsetzung zu S. 64.)
Weitere Beispiele auch aus dem Vorrat italienischer Galeriebilder sind
in meinem Handbuch zusammengestellt (2. Auf!., S. 108), wo auch darauf
hingewiesen wird, daß nicht die äußere Umgrenzung des Brettes, sondern
die Faserung des Holzes, ferner die Richtung und Dicke der Pinselstriche
bestimmend sind für die Richtung, Orientierung des Sprungnetzes.
Viel mehr Bedeutung hat die Form des Bildes, ob gerundet, geschweift,
ob eckig, bei Leinwandbildern. Begreiflich das, weil durch den Blend-
rahmen die Spannungen bedingt werden und nicht wie beim Holzbild durch
die ganze Fläche. Auch an alten Leinwandbildern kommt eine gitterförmige
Craquelure vor. Diese ist aber, weil vom Korn und der Bindung des Stoffes
abhängig, anders geformt als die Gittersprünge der Holzbilder. Echte, gute
J. v. Ruisdaelsche Leinwänden geben passende Beispiele ab. Gemälde auf
geköpertem Gewebe zeigen Sprünge, die sich gelegentlich der Rautenform
nähern, wenn ziemlich gleichmäßiger Farbenauftrag ein regelmäßiges Ein-
reißen der trockenen Farbe begünstigte. Auch stufenförmig angeordnete
kleine Risse kommen bei geköperten Unterlagen vor. Beim neuerlichen
Aufnageln von Leinwandgemälden auf neue Blendrahmen ergeben sich
je nach der Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit des Arbeiters allerlei
andere Spannungen, die zu büschelförmigen Sprungbildungen führen. Man
erkennt bald, daß sie auf die Stellen beschränkt sind, in deren Nähe im
umgeschlagenen Rand die Nägel sitzen. In meinem Handbuch habe ich als
Beispiel einen Beerstraeten im Ryksmuseum zu Amsterdam angeführt. Die
ältere holländische Art, Leinwänden nicht unmittelbar festzunageln, sondern
mit Schnüren zu spannen, die erst auf der Kehrseite des Blindrahmens
durch Nägel festgehalten werden, auch diese Art kann zu büschelförmigen
Craquelierungen Anlaß gegeben haben. Durchs Antreiben der Keile können
in alten Bildern Sprungreihen entstehen, die ungefähr diagonal verlaufen.
(Dazu mein Handbuch, S. 9.)
Als einleuchtendes Beispiel von gitterförmiger Sprungbildung auf einem
Leinwandbild, das in Tempera ausgeführt ist, kann der Vittore Carpaccio
von 1496 in der Wiener Galerie gelten. (Dieses Bild ist seither nach Italien
entführt worden.)
In viellen Fällen läßt es sich von der Craquelure ablesen, auf welchem
Grund ursprünglich ein Bild gemalt war. Eine lange Reihe von Holzbildern
ist später auf Leinwand übertragen worden, so z. B. auch das weltberühmte
Bild mit der Ermordung des Petrus Martyr von Tizian, das größtenteils ver-
brannt ist, von dem sich aber nennenswerte Reste erhalten haben. (Sie sind
in den Studien und Skizzen schon abgebildet worden.) Die Sprungbildung
auf jenen Resten läßt nun erkennen, daß die Malerei ursprünglich auf Holz
gesessen hat. In dieser Beziehung ist auch eine der neueren Erwerbungen
des Städelschen Instituts zu Frankfurt von lehrreicher Bedeutung. Es ist das
Bild, das von Swarzenski in die Nähe des Piero di Cosimo gesetzt wird.
Der Verlauf der ältesten Sprünge auf diesem Bilde zeigt an, daß ursprünglich
Holz als Unterlage gedient hat. Sie verlaufen hauptsächlich parallel mit den
längeren Seiten, entsprechen also der Richtung der Holzfasern. Kleine, quer
 
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