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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Risse und Sprünge in Gemälden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0110
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die hauptsächlich Ernst Berger sehr beachtenswerte Mitteilungen veröffentlicht
hat) war überaus schwankend. Sein Bildnis Lenbachs aus dem Jahr 1862
(im Besitz der Österreichischen Staatsgalerie) war spätestens 1907 mit durch-
dringenden Sprüngen behaftet.
Die meisten Bilder Hans Makarts (er lebte von 1840 bis 1884) zeigten
längst Sprünge, manche sogar breite Risse in den oberen Schichten. Eine Skizze
zum Einzug Karls V. in Antwerpen aus der Zeit zwischen 1875 und 1878 wies
schon 1908 hie und da Netze von durchdringenden Sprüngen auf. Man sah
diesen Entwurf 1908 in Wien ausgestellt aus dem Besitz Leopold von Liebens.
Das große Gemälde desselben Gegenstandes, das 1878 vollendet und als-
bald im Wiener Künstlerhause zur Schau gestellt wurde, hat bald danach
bei großen Ausstellungsreisen durchs Aufrollen, Verpacken und Wiederauf-
spannen Schaden gelitten, so daß an dem kaum hart gewordenen Gemälde
Restaurierungen nötig waren und auch ausgeführt wurden. Ebenso erging es
einigen anderen umfangreichen Werken Makarts, die auf Gastrollen in der
Welt herumgekommen sind, wie z. B. der Cattarina Cornaro. Zum Bild
Makarts: Der Sommer, das ich nagelneu (1880 auf 1881) in Wien und
später in Dresden gesehen habe, wurde 1899 notiert, daß es damals noch
keine wesentlichen auffallenden Sprünge angesetzt hatte. (Neuere Notizen
fehlen.) Dagegen war der kleine Makart in der Raczynskischen Galerie schon
entstellend zerrissen, als das Bildchen noch in Berlin war. (Von dort kam
es nach Posen.) Durch seine breiten Lasurenrisse war berüchtigt Makarts Bild
mit Julies Grab in der Wiener Galerie. (Bei der neuesten Umstellung der Galerie
mit allen übrigen neuen Bildern abgehängt und in den Vorrat verwiesen.)
Makarts „Gretl in der Stauden“ kam unlängst (im Februar 1919) in ganz leid-
lichem Zustand bei einer Wawraschen Versteigerung wieder zum Vorschein.
Allgemein zugänglich sind die Makartschen Werke, die in der Staats-
galerie zu Wien aufgestellt sind. Von diesen hat sich vorzüglich erhalten die
Skizze zu einem Theatervorhang, die fast durchweg dünn gemalt ist. Eine
mäßig gute Erhaltung ist bei dem Damenbildnis von 1870 zu bemerken. Es
ist von einem Netz scharf geländerter Sprünge durchzogen, die sicher erst in
der hart gewordenen Farbe entstanden sind. Zumeist verlaufen die Sprünge
senkrecht auf der Richtung der dicksten Farbenschichten. Gute Beispiele
solchen Verlaufes auch auf der Allegorie des Gesichtssinnes. Den Erhaltungs-
zustand dieses Bildes kann man im wesentlichen als einen guten hinstellen
(die fünf Sinne Makarts haben keine großen Reisen gemacht und jahrzehnte-
lang in Miethkes Besitz ein ruhiges Dasein genossen). Die längst hart ge-
wordene Farbe zeigt Ansätze zu einer regelmäßigen Leinwandcraquelure.
Eine ährenförmige Sprungbildung am linken Oberschenkel stört nur wenig.
Was für die Theorie der Sprünge in Gemälden von großer Bedeutung ist,
sind die Systeme von Sprüngen in der dicken Farbenlage, die an der Grenze
des linken Oberschenkels und des Bauches (also am Poupartschen Band
der Anatomen) bemerkbar sind. Diese Sprünge stehen genau senkrecht auf
der Richtung der Pinselstriche. Der Geruchsinn aus derselben Reihe der
Makartschen fünf Sinne, abermals nicht schlecht erhalten, zeigt Spuren einer
gelegentlich etwas unsanften Behandlung, z. B. zweimal die uns schon be-
kannte konzentrische Form, auch ährenförmige Sprünge, unter anderem im
Dunkel neben der Begrenzung der Brust. Über beide Oberschenkel verläuft
ein Quersprung, der ohne Zweifel durch das dahinter liegende Querholz
 
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