Das Motiv der Mantik im antiken Drama
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noch eine dritte lakonische Schurkengestalt vorführt. Damit
wird das blutige Drama von Delphi, das durch das persön-
liche Erscheinen des Anstifters gleichsam verkörpert wird,
vorbereitend angedeutet und beim Publikum neue Spannung
erregt, nachdem die Andromache-Handlung ihr Ende gefunden
hat. Ob schon die voreuripideische Sage eine solche Reise
des Orestes nach Dodona kannte, habe ich nicht feststellen
können.
§ 20. Herakles
Herakles kehrt soeben aus dem Hades nach Theben
zurück in sein Haus. Hier erfährt er, welch furchtbare Ge-
fahr den Seinigen droht. Er rüstet sich, an Lykos mit List
Bache zu nehmen. Diese Tat wird zwar von Herakles, auch
wenn er es mit noch so vielen Feinden zu tun haben wird,
ausgeführt werden, aber am leichtesten wird sie natürlich
dann gelingen, wenn sich die Anhänger des Usurpators nicht
zur Hilfeleistung vorher zusammenrotten können und sich noch
weiterhin in dem Wahn befinden, Herakles kehre aus der
Unterwelt nicht zurück, also sei auch keine Gefahr mehr für
die Herrschaft des Lykos vorhanden.
Herakles muß also heimlich, von Niemand bemerkt, ins
Gebiet von Theben und in die Stadt selbst zurückgekehrt
sein. Eine solche rühmlose und stille Heimkehr von so
glänzender Hadesfahrt, der sich nur der Alkide rühmen
darf, liegt nicht im Charakter des Helden und auch nicht in
der Sache selbst begründet. Im Gegenteil. Folglich kann
die Motivierung der Art der Rückkunft nur von außen her
erfolgen. Da bietet sich das stets dienstbereite Divinations-
motiv als geschicktes Mittel dar: Herakles hat draußen (offen-
bar noch vor dem Gebiet Thebens, wie aus dem Wort %36va
598 hervorzugehen scheint) ein Vogelzeichen geschaut, das
ihm eine Gefahr für die Seinen ankündigte und ihn, der sonst
stets offen seine Bahn zieht, zu der Vorsicht veranlaßt hat,
die Rückkehr möglichst heimlich zu bewerkstelligen (596 ff.):
"Oqvlv ö' läwv Tiv' ov% ev alaioig ed^aix;,
eyvwv rtovov uv eig dtyovg ^CTicoxora'
warf ex itQOvotag xQvcpcog eiafflSov %36va.
Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XII, 1.
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noch eine dritte lakonische Schurkengestalt vorführt. Damit
wird das blutige Drama von Delphi, das durch das persön-
liche Erscheinen des Anstifters gleichsam verkörpert wird,
vorbereitend angedeutet und beim Publikum neue Spannung
erregt, nachdem die Andromache-Handlung ihr Ende gefunden
hat. Ob schon die voreuripideische Sage eine solche Reise
des Orestes nach Dodona kannte, habe ich nicht feststellen
können.
§ 20. Herakles
Herakles kehrt soeben aus dem Hades nach Theben
zurück in sein Haus. Hier erfährt er, welch furchtbare Ge-
fahr den Seinigen droht. Er rüstet sich, an Lykos mit List
Bache zu nehmen. Diese Tat wird zwar von Herakles, auch
wenn er es mit noch so vielen Feinden zu tun haben wird,
ausgeführt werden, aber am leichtesten wird sie natürlich
dann gelingen, wenn sich die Anhänger des Usurpators nicht
zur Hilfeleistung vorher zusammenrotten können und sich noch
weiterhin in dem Wahn befinden, Herakles kehre aus der
Unterwelt nicht zurück, also sei auch keine Gefahr mehr für
die Herrschaft des Lykos vorhanden.
Herakles muß also heimlich, von Niemand bemerkt, ins
Gebiet von Theben und in die Stadt selbst zurückgekehrt
sein. Eine solche rühmlose und stille Heimkehr von so
glänzender Hadesfahrt, der sich nur der Alkide rühmen
darf, liegt nicht im Charakter des Helden und auch nicht in
der Sache selbst begründet. Im Gegenteil. Folglich kann
die Motivierung der Art der Rückkunft nur von außen her
erfolgen. Da bietet sich das stets dienstbereite Divinations-
motiv als geschicktes Mittel dar: Herakles hat draußen (offen-
bar noch vor dem Gebiet Thebens, wie aus dem Wort %36va
598 hervorzugehen scheint) ein Vogelzeichen geschaut, das
ihm eine Gefahr für die Seinen ankündigte und ihn, der sonst
stets offen seine Bahn zieht, zu der Vorsicht veranlaßt hat,
die Rückkehr möglichst heimlich zu bewerkstelligen (596 ff.):
"Oqvlv ö' läwv Tiv' ov% ev alaioig ed^aix;,
eyvwv rtovov uv eig dtyovg ^CTicoxora'
warf ex itQOvotag xQvcpcog eiafflSov %36va.
Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XII, 1.
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