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Staehlin, Rudolf
Das Motiv der Mantik im antiken Drama — Giessen: Toepelmann, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.74897#0188
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178

Rudolf Staehlin

Das delphische Orakel muß im Stück auch seinen Hieb
bekommen: Philokleon motiviert seine andauernden Versuche,
aus der Bewachung zu entkommen und in die Heliaia zu eilen,
mit dem Spruch, den ihm einst Loxias erteilt habe (158 ff.):
'0 ya^ 3ebg
^avrevo^evcp ^ovy^aev ev Jehpolg TtOT^,
orav Tig Ezeptyg fei, aTtoozXfjvat Tore.
Das ist, wie sich versteht, blanke Erfindung des Alten.
Noch ein zweites Mal wird das Orakelmotiv verwendet: als
Bdelykleon seinem Vater den genialen Vorschlag eines Privat-
Schwurgerichtchens gemacht hat, und als Philokleon den
Vorschlag akzeptiert hat, erinnert er sich eines Orakelspruches
(799 ff.):
°Ooa io y^^a' za IbyC wg iteocdvETai.
iperpeoeev ya^ wg U^valol tcote
dixaaoiev e^l Talg olzlaiai zag bizag,
xav Tolg noo3uootg evoixodo^foot nag avfe
avrep dixaaTr^&ov ulzqov navv,
woneq 'ExaT&iov, navzayou nob twv Sv^wv.
Das ist wohl Parodie des im Mythos häufigen Motivs, daß
jemand beim Eintritt bestimmter Ereignisse sich an einen
Götterspruch, der den Eintritt verkündet hatte und der ihm
aus dem Gedächtnis entschwunden war, wieder erinnert; wir
brauchen bloß an den Oidipusmythos und an die „Trachinie-
rinnen" zu erinnern. Zugleich dient das Motiv hier zur
Charakterisierung des Philokleon; daneben ist wohl auch noch
ein gewisser komischer Effekt beabsichtigt. Für Philokleon,
der als Mann der „guten alten Zeit" an Göttersprüche glaubt,
ist damit die Richtigkeit des von seinem Sohne vorgeschlagenen
Verfahrens entschieden.

fühlen uns einigermaßen erinnert an den Traum der taurischen Iphigeneia
des Euripides, die allerdings zur Zeit der Aufführung der Wespen noch nicht
geschaffen war. Aristophanes zeigt sich hier mit seiner psychologischen
Kenntnis offenbar als ein Schüler der von ihm so leidenschaftlich bekämpften
Sophistik.
 
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