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Sonst ragt von den Malern, die Dürer befreit hat, keiner an ihn heran.
Altdorfer Die liebenswürdigste Erscheinung ist Albrecht Altdorfer, der sehr be-
stimmt aus der Konvention herausgeht und sich auf das ganz persönliche
Gefühl stellt.
Vielleicht deshalb, weil er gar kein gelernter Maler im Sinne der Zunft
war. Er war Stadtbaumeister von Regensburg. Ob er überhaupt das
Recht hatte, eine große Altartafel zu malen? Er hatte es nicht gelernt und
konnte es nicht, wie man aus den Figuren seiner größeren Bilder schließen
kann. Er kam von der Miniaturmalerei her. Wie schon einmal Jan van
Eyck, genau hundert Jahre vor Altdorfer geboren, so brachte nun dieser
die Miniaturmalerei von dem Buchblatt auf die Tafel. In diesen kleinen
Bildchen hatten die Maler viel mehr und viel Feineres aus Natur und
Menschenleben geben können, als in den Altarbildern erlaubt und am
Platze war. Ihre Kunst war in vieler Hinsicht geschmeidiger. Ganz be-
sonders im Ausdruck von Licht und Luft, aus deren Weben die Land-
schaft ihre Stimmung erhält.
Alle deutschen Maler haben die Landschaft geliebt und ihre Stim-
mungen empfunden. Aber da der Zweck ihrer Bilder die Figur zur Haupt-
sache macht, so bleibt ihnen für ihre Schilderung nur der Hintergrund.
Die Handlung steht vor der Landschaft, nicht in ihr. Bei Altdorfer nun
kehrt sich dieses Verhältnis um. Es ist die Landschaft, die seine Tafel füllt
und ihre farbige Erscheinung bestimmt. Alles andere, Bauten und Ge-
stalten, fügt sich ein. Das ist ohne Zweifel eine Folge seines ganz persön-
lichen Verhältnisses zur Welt. Und es ist wie ein Bekenntnis, daß er zum
ersten Male ein Bild malt, dessen Gegenstand nur eine Landschaft ist.
Keiner von den alten Meistern ist uns so nahe wie dieser, weil er aus
seiner Zeit heraustritt. Die Bürger saßen damals in ummauerten Städten,
und der Erholungsplatz war der Garten vor dem Tor. Reisend kamen
sie wohl durch Feld und Wald, und so auch die Künstler. Aber das Wan-
dern um des Wänderns willen, das zwecklose Streifen in der Natur haben sie
nicht gekannt. Altdorfer dagegen — das bezeugt das Ganze seines Werkes,
aber auch schon jedes einzelne Bild — Altdorfer war ein Wanderer, wie
wir sehnsüchtige Stadtmenschen das Wort seit der Zeit des jungen Goethe
verstehen. Und seine große Liebe, diese ganze deutsche Liebe, war der Wald.

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