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leidenschaftliche Erregung, die die Formen durchwogt, ist verwandt.
Die Fesseln aber, die Polacks Kompositionen allenthalben noch die
letzte völlige Freiheit versagen, die hat in Cranach das Erlebnis von
Dürers Apokalypse gesprengt. Wahrscheinlich haben diese durch
ihr Format und ihre Gestaltung gleich außerordentlichen Holz-
schnitte Cranach auch so früh zu dieser Technik geführt. Man
möchte es meinen. Gewiß ist, daß sie ihn zu einem Künstler des
Sturmes und Dranges werden ließen, dessen großartigste Äußerung
sie selbst gewesen sind. Cranach ordnete die drei Kreuze in den bei-
8,19 den Holzschnitten wie auch in dem kleinen Täfelchen aus dem
Schottenstift (Wien) in der üblichen Weise symmetrisch, links die
Trauernden, rechts den Hauptmann und andere Reiter. Der Hori-
zont ist tief gelegt, die Landschaft als ein einheitlicher Bildraum an-
gedeutet und in dem Wiener Bild zu einem wichtigen Stimmungs-
träger gemacht. Cranachs eigene Leistung ist bedeutend. Der natur-
hafte, derbe Realismus war in ihm selbst vorbereitet; der Polacks
erscheint daneben wie ein Kunstgewächs. Cranach hat die Einzel-
heiten, die verbogenen Stellungen der Schächer, sehr eigenwillig
abgewandelt, die Glut seines jugendlichen Formwillens schmolz
alles zu neuer persönlicher Gestalt um. Aber wenn seine Gestaltun-
gen zugleich ein kräftiges Körpergefühl, freizügige Gebärden, eine
realistisch-mimische Interpretation der Gewänder auszeichnet, bei-
des wäre ihm ohne das Erlebnis von Dürers Holzschnittwerk kaum
derart möglich gewesen.
Cranach ist Zeit seines Lebens ein sehr selbständiger Künstler ge-
wesen, der nur selten eine Abhängigkeit erkennen läßt. So ist es
auch bei den ersten Arbeiten, die wir von ihm kennen. Ein Ver-
9 gleich seines Ölbergholzschnittes mit dem Dürers in der Großen
Passion zeigt die grundlegend andere Auffassung Cranachs. Ur-
tümlich-gewaltig verbindet er Christus den Felsen, die grottenartig
aufgerissen der Gebärde seiner Arme antworten. Das 1502 datierte
60 Täfelchen des sich kasteienden Hieronymus (Wien) zeigt einmal
eine unmittelbare Anregung von Dürer. Altdorfer hat - wir be-
tonten es schon-,als er sein Bildchen von 1507 entwarf, ebenfalls
Dürers Blatt zum Vorbild genommen, er muß dazu auch Cranachs
Gemälde gekannt haben. Dürer dankte er die allgemeine Anlage
und das neue Körpergefühl, das Empfinden für plastische Werte,
Cranach aber die Urwüchsigkeit, die beide Bilder von Dürers Stich

deutlich absetzt. Großartig, aber spröde erscheint dieser daneben,
naturhaft, poetisch ist die Waldlandschaft, ist auch die Fältelung der
Gewänder bei Cranach und Altdorfer. Der Abstand ist groß, der
Weg von Dürer über Cranach zu Altdorfer ist dennoch mit aller nur
wünschbaren Deutlichkeit sichtbar.
Ähnlich verhielt es sich mit Jörg Breu. Der Ölberg in dessen Mel-
ker Altar ist von Dürers Holzschnitt in der Großen Passion ange-
regt. Der junge Maler hatte in Augsburg gelernt und scheint dann
einige Zeit bei Jan Polack in München tätig gewesen zu sein; die
Gefangennahme spiegelt eine der Kompositionen im Franziskaner-
altar. Danach hat aber auch ihn Dürers Apokalypse zu einer kraft-
vollen, ausdrucksstarken Form gefördert. Neben Dürer hat er
Stiche von Martin Schongauer und anderen ausgewertet, keiner
aber hat so wie Dürer seine Formgestaltung beeinflußt und aus
spätgotischen Bindungen befreit. Auf Altdorfer aber und die ande-
ren Donaumaler hat Jörg Breu erst ziemlich spät eingewirkt; im
Altar von Sankt Florian zeigen einige Passionsszenen, wie Altdor-
fer von Breus expressiver Formgebung beeindruckt war.
So ist also auch die fränkische Malerei an der Genese des Donau-
stiles beteiligt gewesen. Die bayerisch-österreichischen Lande waren
der Mutterboden, und wie wir soeben sähen, waren sie es nicht nur
durch jene Richtung, die der Landschaft einen wesentlichen Platz
eingeräumt hat, oder durch so einzelgängerische Meister wie Mair
von Landshut, auch ein draufgängerischer Künstler wie Jan Polack
hat, wenn auch mehr mittelbar, an ihrer Wiege gestanden. Das
stammverwandte Tirol war durch Marx Reichlich und Michael
Pacher vertreten. Franken aber hatte durch Albrecht Dürers Früh-
werk den aktuellsten Anteil. Wenn wir uns nicht täuschen, hat er der
Donaumalerei mehr als anderen Schulen und Meistern geschenkt.
Nirgends sonst konnte sein Beitrag zur Landschaftsschilderung so
mit dankbar offenen Augen aufgenommen werden wie von ihr. Da
waren Stimmungen anschaulich gemacht, die Altdorfer, Huber und
viele um sie als verwandt empfinden mußten. Darüber hinaus mag
durch Cranach, der in Oberfranken geboren war, auch ein Meister
wie der des Hersbrucker Altars, mag die bambergische Malerei, die
mehr als die ältere nürnbergische Sinn für Landschaft und Stadt-
ansicht bewiesen hat, mittelbar Einfluß auf die Donaumalerei ge-
nommen haben.
 
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