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IV. MEISTER UND WERKE

l,3luca£ CtWtad) Die Geschichte der Donaumalerei beginnt
mit den Gemälden, Holzschnitten und Zeichnungen, die Lucas Cra-
nach während seiner Wiener Jahre zu Anfang des neuen Jahrhun-
derts geschaffen hat. Sein Aufenthalt in der Donauresidenz kann
nicht der Abschluß seiner Gesellenwanderschaft gewesen sein. Da
er bereits die Mitte des dritten Jahrzehnts überschritten hatte, ehe
er die Tore Wiens erreichte, während der Jahre in seinen Mauern
sogar in das vierte seines Lebens eintrat, muß ein anderer Grund ihn
dahin geführt haben. Vielleicht erhoffte er eine Bleibe für sich und
seine Werkstatt zu finden. Warum dann seine Hoffnung enttäuscht
worden ist, können wir nicht einmal vermuten. Bereits 1504 hat er
Wien wieder verlassen - eine 15 66 von Matthias Gunderam verfaßte
Gedächtnisschrift nennt dies Jahr als das seiner Übersiedlung nach
Wittenberg -, 1505 ist er durch einen Holzschnitt und eine urkund-
lich überlieferte Zahlung da bezeugt.
In Wittenberg hat Cranach seinen Stil schnell zu einem höfischen
Manierismus gewandelt; davon ist in diesem Zusammenhang nicht
mehr zu sprechen. Nur die Wiener Jahre haben uns zu beschäfti-
gen: mit den da von ihm geschaffenen Werken wurde er zum Vater
des Donaustiles.
Cranach wurde 1472 in dem bischöflich-bambergischen Städtchen
Kronach geboren; er war also nur ein Jahr jünger als Dürer. Früher
meinte man, seines Vaters Namen sei Müller oder Sünder gewesen,
doch nannte sich dieser - Hans mit Vornamen - Maler. Die Berufs-
bezeichnung mag zugleich Familienname gewesen sein. Auch
Lucas Cranach, wie er sich nach seinem Geburtsort nannte, wurde
in Urkunden »Mahler« angesprochen. Er soll bei seinem Vater das
Handwerk gelernt haben, und auch in den Jahren 1495-1498 wird
er in Kronach erwähnt. Man hört von Arbeiten für Coburg und
Gotha. Die letzte Nachricht aus dieser Kronacher Zeit stammt aus
dem Jahr 1500. Sie berichtet wiederum von Arbeiten für Coburg,
wo er offenbar bei der Wiederherstellung der durch Brand beschä-
digten Veste beschäftigt gewesen ist. Spätestens im Frühjahr 1501,
wahrscheinlicher aber noch im Spätherbst 1500, muß Cranach nach
Wien gewandert sein. Wie sein Schaffen in den Kronacher Jahren
ausgesehen hat, bleibt völlig im dunkeln. Wir wissen nicht, was ihm
die Lehre bei seinem Vater, was ihm die Kunst seiner Heimatstadt

bedeutet hat. Die Steinfigur eines Johannes Baptista über dem Por-
tal der Kronacher Pfarrkirche, die 1498 datiert und von Hans Hart-
lin gemeißelt ist, zeigt in den strudelnden Faltenbewegungen und
in dem plastisch lebhaft durchgeformten Gesicht eine gewisse Ähn-
lichkeit mit dem Stil Cranachs während der Wiener Jahre. Wenn sie
eine lokale Tradition präsentiert, was vorerst nicht zu erweisen ist,
dürfte sie als wertvoller Zeuge für die Genese von Cranachs Kunst
anzusehen sein.
In den späteren achtziger und in den früheren neunziger Jahren
wird er auf der üblichen Wanderschaft gewesen sein. Da mag er die
bambergische Malerei, die großartige des Meisters des Hersbrucker
Altars, die skurrile des Wolfgang Katzheimer kennengelernt haben,
dann hat er vielleicht einige Zeit in Nürnberg gearbeitet, eine Reso-
nanz ist in seinem Werk nicht zu beobachten - Nürnberg war noch
nicht die Stadt Dürers -, endlich muß er in den Bannkreis von Jan
Polack gelangt sein. Dieser stand um 1490 auf der Höhe seines Ruh-
mes. 1483 hatte er den Hochaltar für die Klosterkirche in Weihen-
stephan bei Freising geschaffen, kleinere Arbeiten waren gefolgt,
auch Wandmalereien werden mehrfach berichtet, 1490 sodann der
Hochaltar der Münchner Peterskirche, 1491 die Altäre für die
Blutenburger Schloßkapelle, 1492 der Hochaltar der Franziskaner-
kirche. Da hat Polack viele helfende Hände nötig gehabt. Auch
Mair von Landshut, der 1490 in München urkundlich überliefert
ist, hat am Altar der Peterskirche mitgearbeitet. Unter den jüngeren
Gesellen mag auch Lucas Cranach gewesen sein. Auf der Fahrt
nach Wien ist ihm, wenn er 1500 noch in Coburg gearbeitet hat,
kaum Zeit zu einer eingehenderen Begegnung mit Polacks Kunst
geblieben, auch ist wahrscheinlicher, daß seine Ausdrucksmittel in
ihm allmählich und angeregt durch Holzschnitte Albrecht Dürers
im Laufe der neunziger Jahre gewachsen sind, nachdem er zuvor
bei Polack entscheidende Grundlagen empfangen hatte. Er ist also
mit einem ausgebildeten persönlichen Stil nach Wien gekommen,
mag ihm die Donaustadt dann auch noch einen besonderen Auf-
trieb gegeben haben.
Die ersten zu betrachtenden Arbeiten Cranachs sind die zwei Holz-
schnitte und das aus dem Schottenstift stammende Tafelbildchen s
(Wien) mit Kreuzigungsdarstellungen. Der reifere der Holzschnitte
/i
 
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