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»Die Sonne stand schon zu einem großen Goldschild gewachsen,
vom Himmel gehalten, über den ponzischen Inseln und vergoldete
das Blau derselben - die weiße Krone aus Felsenstacheln, Capri,
lag in Glut, und von Sorrentos bis Gaetas Küsten war den Welt-
mauem dämmerndes Gold angeflogen - die Erde rollte mit ihrer
Achse wie mit einer Spielwelle nahe an der Sonne und schlug aus
ihr Strahlen und Töne - seitwärts lagerte sich versteckt der Riesen-
bote der Nacht auf das Meer - jetzt berührte die Sonne ihr Meer,
und ein goldener Blitz zitterte durch den nassen Äther - sie wiegte
sich auf tausend feurigen Wellenflügeln - sie zuckte und hing liebes-
brünstig, liebeglühend an dem Meere - und das Meer sog brennend
alle ihre Glut - dann wurde es still auf der Welt - eine bewegliche
Abendröte überfloß mit Rosenöl alle Wogen, und auf dem letzten
Wolkenbaum - verklomm im Gipfel der letzte dünne Glanz.« Auch
an den Traum am Schluß der Flegeljahre ist erinnert worden: »Ich
sah hin, und die Unermeßlichkeit gor zu unzähligen Hügeln auf und
zum himmelhohen Sturm; doch tief im Horizont wallete hinter den
Zacken ein sanftes Morgenlicht empor - aber der Morgenröte
gegenüber stand eine (andere) Morgenröte auf; immer herzerhe-
bender rauschten beide wie zwei Chöre einander entgegen - die
Chöre der Morgenröte schlugen wieDonner einander entgegen, und
jeder Schlag zündete einen gewaltigeren an.« Die Vorstellungen im
einzelnen waren verschieden, da die Inhalte und Themen des Malers
da, des Dichters hier durchaus verschiedene waren, die Grund-
vorstellungen aber waren überraschend gleichgestimmt. So konnte
die »Blaue Blume« der Romantik in der Tulpenkanzel des Domes zu
Freiberg wiedererkannt werden. Kind und Blume, Lebenssymbole
der Romantik, die Runge zumal immer wieder Thema gewesen sind,
finden sich auch da. Aber sind die Kinder der Romantik nicht den
Putten des Rokoko entsprossen, bedeuten die Kinder in Runges
Pageszeiten andererseits nicht etwas völlig anderes als die Knäblein
lrn Laubwerk der Tulpenkanzel?
Gewiß liebten die Donaumaler wie die Romantiker das Verwobene
und das Krause, das Unerschöpfliche, das Unbegrenzte, liebten sie
deshalb den heimischen, den heimlichen Wald, die in ihm verbor-
genen Geheimnisse, vielleicht auch die Unheimlichkeiten, seine
Düsternis wie seine Kraft, seinen Segen. Aber wenn Baidungs
gespenstischer Holzschnitt der Hexenküche den nächtlichen Zau-
fierszenen in E.T. A.Hoffmanns Goldenem Topf und dessen Dich-
tungen in Callots Manier verglichen, wenn zum anderen auf die
Teufelsdämonie in der Walpurgisnacht und auf Peter Cornelius’

Faustillustrationen verwiesen wurde - weder Goethe noch Baidung
waren Romantiker, auch wenn jener gewisse Anlagen und Eigen-
schaften dazu besaß, Baidung andererseits in engen Grenzen den
Donaumalern ähnlich war, viele andere aus Gotik und Barock könn-
ten angeführt werden. Und genügt es wirklich, die Rolle des Lichtes
hervorzuheben, um die Donaumalerei eine erste Romantik zu nen-
nen? Im Prolog des Faust lassen die Erzengel ein Bild des Kosmos
erstehen in seinen gewaltig lebendigen Bewegungen, die Sonne
bewegt sich im Weltenraum, andere Brudersonnen neben sich, die
Erde kreist mit Fels und Meer, sehr wenig hat diese überwältigende
Szene mit Donaumalerei zu tun. Großartig sind kosmische Ereig-
nisse schon in der um 1000 entstandenen Bamberger Apokalypse
Bild geworden. Von der Donaumalerei kann man zu Eichendorff
oder Stifter finden, kaum aber zu Baidung oder Cornelius. Dämo-
nen finden sich oft in romanischen Kirchen, in englischen Buchmale-
reien dargestellt. Das Licht spielte eine entscheidende Rolle in den
Fresken der süddeutschen Barockmalerei, aber auch bei Tintoretto,
vielen anderen Künstlern. Todesallegorien finden sich allenthalben
in der abendländischen Malerei, sie waren ihr durch das Christen-
tum zugeeignet. Die Musik endlich, um auch sie noch zu nennen,
deren Macht und Wunder die Romantik so gern veranschaulicht
hat, war dem Donaustil nur sehr selten ein Thema. Vielfach sind
es also Motive, die der europäischen Kunst weithin gemeinsam,
oder es sind Eigenschaften und Vorlieben der deutschen Kunst,
die mehr oder weniger in allen Jahrhunderten begegnen. Genügt
es, wenn sie einmal häufiger, betonter Vorkommen, um verallge-
meinernde Schlüsse zu ziehen?
Grundverschieden waren die Gestaltungsmittel der Romantik und
des Donaustils. Dieser bereitete eine neue Entwicklung vor, wies
zum Barock hin. Oft konnte gezeigt werden, wie er dessen Thema-
tik präludierte, er war ihm auch in seinem malerischen Stil ein Weg-
bereiter. Die Malerei der Romantik hat demgegenüber Zukünftiges
nur sehr bedingt eingeleitet, mehr war sie retrospektiv eingestellt.
Kein neuer Stil ist aus ihr erwachsen. Wie der Klassizismus war sie
ausgesprochen linienbetont. Nur einzelne Formen hat sie in einer
besonderen Weise entwickelt, hat sie mit neuer Bedeutung erfüllt.
Gemeinsam war Romantik und Donaustil wiederum, daß sie die
klassische Beschränkung nicht gekannt haben. Das Objekt ihrer
künstlerischen Bemühungen war nicht der Mensch in der ideellen
Vereinzelung, in der idealen Vollendung. Sie sahen ihn beide in
seinem Verhältnis zur Natur, aber Altdorfer, Huber, dem Meister
 
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