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Rom in der Renaissance.
alles in mächtige Travertinblöcke gehauen, liegen hier bunt durcheinander. Jin
Schilf, am träge dahinschleichenden Tiber grasen die Pferde, an: anderen Ufer ragt
ein einsames Kastell empor, schneebedeckte Berge leuchten aus nebliger Ferne her-
über, und wendet man den Blick, sieht man den Petersdom hoch über die Türme
und Kuppeln der Stadt sich erheben, von pimmelslicht und blauer Luft umflossen.
An dieser Stätte vollzog sich in der stillen Woche des Jahres sH62 eins der selt-
samsten Schauspiele, das dem ans Ungewöhnliche längst gewöhnten Römer jemals
geboten worden ist. An der Spitze des Kardinalkollegiums von Tausenden von
weißgekleideten, palmentragenden Priestern und Prälaten umringt, empfing hier
Pius II. das Paupt des Apostels Andreas. Der Fürst von Morea, von den Türken
entthront, hatte dies Kleinnod flüchtig mit nach Italien geführt, es dem Papste zu
bieten, in dessen lebhafter Phantasie das Paupt zum Peiligen selber wurde, der als
Füchtling nach Rom gekommen war, bei seinem Bruder, dem Apostelfürsten, Schutz
zu suchen. „So kommst du endlich, heiligstes Apostelhaupt," so begann der Papst
seine Rede, „von Türkenwut vertrieben bei deinen: Bruder als Verbannter Schutz
zu suchen? Dies ist das ewige Rom, das du dort siehst, den: kostbaren Blute deines
Bruders geweiht. Dies Volk, das sich rings um dich geschart hat, hat dein
heiliger Bruder Thristo wiedergewonnen." Bessarion, der ehrwürdige Grieche mit
dem langen Bart, überreichte weinend, als Vertreter seiner unterjochten Peimat, dem
Papste den Reliquienschrein, der sich, von tiefster Rührung überwältigt, auf die Knie
warf, das Paupt begrüßte und es dann von hoher Tribüne vor allem Volk
emporhob, das tausendstimmig ,Misericordia' rief.
Dreißigtausend Kerzen flammten in den festlich geschmückten Straßen Roms,
als man an: anderen Tage den neuen Protektor der Stadt von 5. Maria del Popolo
nach St. Peter geleitete, wo Pius II. die Reliquien beider Apostel brüderlich in der
Konfession vereinigte und später das glänzende Tabernakel errichten ließ, welches
Heute zerstückelt in den Vaticanischen Grotten begraben liegt.
Dort aber, wo der Papst zuerst die Reliquie verehrt, wo er sie zuerst in be-
geisterter Rede den: Volke gezeigt hatte, wurde eine Kapelle gebaut, und hier stellte
Paolo di Mariano, der erste und einzige bedeutendere Bildhauer, den Ron: in:
Quattrocento hervorgebracht hat, ein Jahr später die überlebensgroße Statue des
hl. Andreas auf. Der riesige Unterbau wurde verändert, das säulengetragene Schutz-
dach ist neueren Datums, aber die Statue selbst erfreut sich bester Erhaltung und
ist von den noch erhaltenen Werken des im Volksmunde Paolo Romano genannten
Meisters das bedeutendste. Dieser würdige Greis mit lang herabwallendem Bart
und Paar, ein Buch in der Linken, das Kreuz in der Rechten, vornehm wie ein
römischer Senator in den eng anliegenden, fein gefalteten Mantel gehüllt, spricht
uns weit mehr an, wie die derb realistische Paulusstatue, welche, ursprünglich mit
einem nie vollendeten Petrus für die Freitreppe von St. Peter bestimmt, erst unter
Tlemens VII. am Eingänge der Engelsbrücke aufgestellt worden ist. Auch die beiden
für diese Statuen bestimmten Basen mit dem Wappen Pius' II. werden noch Heute
in der Sakristei von St. Peter bewahrt und verraten den Stil Paolo Romanos, auf
dessen Schule auch die beiden häßlichen Apostelstatuen hier zurückzugehen scheinen.
Feiner ist die Arbeit, liebenswürdiger sind die Putten an den: Piuswappen,
Rom in der Renaissance.
alles in mächtige Travertinblöcke gehauen, liegen hier bunt durcheinander. Jin
Schilf, am träge dahinschleichenden Tiber grasen die Pferde, an: anderen Ufer ragt
ein einsames Kastell empor, schneebedeckte Berge leuchten aus nebliger Ferne her-
über, und wendet man den Blick, sieht man den Petersdom hoch über die Türme
und Kuppeln der Stadt sich erheben, von pimmelslicht und blauer Luft umflossen.
An dieser Stätte vollzog sich in der stillen Woche des Jahres sH62 eins der selt-
samsten Schauspiele, das dem ans Ungewöhnliche längst gewöhnten Römer jemals
geboten worden ist. An der Spitze des Kardinalkollegiums von Tausenden von
weißgekleideten, palmentragenden Priestern und Prälaten umringt, empfing hier
Pius II. das Paupt des Apostels Andreas. Der Fürst von Morea, von den Türken
entthront, hatte dies Kleinnod flüchtig mit nach Italien geführt, es dem Papste zu
bieten, in dessen lebhafter Phantasie das Paupt zum Peiligen selber wurde, der als
Füchtling nach Rom gekommen war, bei seinem Bruder, dem Apostelfürsten, Schutz
zu suchen. „So kommst du endlich, heiligstes Apostelhaupt," so begann der Papst
seine Rede, „von Türkenwut vertrieben bei deinen: Bruder als Verbannter Schutz
zu suchen? Dies ist das ewige Rom, das du dort siehst, den: kostbaren Blute deines
Bruders geweiht. Dies Volk, das sich rings um dich geschart hat, hat dein
heiliger Bruder Thristo wiedergewonnen." Bessarion, der ehrwürdige Grieche mit
dem langen Bart, überreichte weinend, als Vertreter seiner unterjochten Peimat, dem
Papste den Reliquienschrein, der sich, von tiefster Rührung überwältigt, auf die Knie
warf, das Paupt begrüßte und es dann von hoher Tribüne vor allem Volk
emporhob, das tausendstimmig ,Misericordia' rief.
Dreißigtausend Kerzen flammten in den festlich geschmückten Straßen Roms,
als man an: anderen Tage den neuen Protektor der Stadt von 5. Maria del Popolo
nach St. Peter geleitete, wo Pius II. die Reliquien beider Apostel brüderlich in der
Konfession vereinigte und später das glänzende Tabernakel errichten ließ, welches
Heute zerstückelt in den Vaticanischen Grotten begraben liegt.
Dort aber, wo der Papst zuerst die Reliquie verehrt, wo er sie zuerst in be-
geisterter Rede den: Volke gezeigt hatte, wurde eine Kapelle gebaut, und hier stellte
Paolo di Mariano, der erste und einzige bedeutendere Bildhauer, den Ron: in:
Quattrocento hervorgebracht hat, ein Jahr später die überlebensgroße Statue des
hl. Andreas auf. Der riesige Unterbau wurde verändert, das säulengetragene Schutz-
dach ist neueren Datums, aber die Statue selbst erfreut sich bester Erhaltung und
ist von den noch erhaltenen Werken des im Volksmunde Paolo Romano genannten
Meisters das bedeutendste. Dieser würdige Greis mit lang herabwallendem Bart
und Paar, ein Buch in der Linken, das Kreuz in der Rechten, vornehm wie ein
römischer Senator in den eng anliegenden, fein gefalteten Mantel gehüllt, spricht
uns weit mehr an, wie die derb realistische Paulusstatue, welche, ursprünglich mit
einem nie vollendeten Petrus für die Freitreppe von St. Peter bestimmt, erst unter
Tlemens VII. am Eingänge der Engelsbrücke aufgestellt worden ist. Auch die beiden
für diese Statuen bestimmten Basen mit dem Wappen Pius' II. werden noch Heute
in der Sakristei von St. Peter bewahrt und verraten den Stil Paolo Romanos, auf
dessen Schule auch die beiden häßlichen Apostelstatuen hier zurückzugehen scheinen.
Feiner ist die Arbeit, liebenswürdiger sind die Putten an den: Piuswappen,