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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0032
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es Sebastiano del Piombo sei, und brach die langjährigen freundschaftlichen
Beziehungen ab1.
Antonio Mini, Michelangelos langjähriger Gehilfe, ließ ihn aus unbekannten
Gründen im Stich, um sich, von seinem Herrn mit Zeichnungen und Modellen
reich beschenkt, nach Frankreich aufzumachen, wo er, nicht ohne seine Untreue
bitter zu bereuen, ein vorzeitiges Ende fand2.
Pietro Urbano, ein anderer Schüler, für den Michelangelo jahrelang väterlich
gesorgt hatte, wurde von ihm nach Rom gesandt, um dort die Christus-Statue
der Minerva zu vollenden. Er geriet in schlechte Gesellschaft und verschwand
in Neapel3.
Und welche Konflikte sind Michelangelo in der eigenen Familie erwachsen I Wie
viele Sorgen, wie viele Zerwürfnisse, wieviel Undankbarkeit hat er hier erfahren!
„Schreit über mich in alle Welt hinaus, was Ihr wollt, aber schreibt mir nicht
mehr, denn Ihr lasset mich nicht arbeiten“, schrieb er im Juni 1523 an seinen
Vater. „Aber bedenkt, daß man nur einmal stirbt, und nicht wieder ins Leben
zurückkehrt, um Böses wieder gut zu machen. Daß Ihr so alt werden mußtet,
um solche Dinge zu tun!“4 Und welch ein Übermaß von Groll und Empörung
findet in den Schlußworten eines von Leidenschaft geschüttelten Briefes an den
unbotmäßigen Bruder Giovan Simone Ausdruck, der mit seinem Vater in Zwist
geraten war: „Ich bin sicher, daß Du nicht mein Bruder bist, wenn Du es
wärst, würdest Du meinem Vater nicht gedroht haben. Nein, Du bist ein wildes
Tier und wie ein wildes Tier werde ich Dich behandeln.
Zwölf Jahre lang bin ich durch ganz Italien gewandert. Jede Schmach habe
ich ertragen, jede Mühsal auf mich genommen, meinen Körper jeglicher Prüfung
preisgegeben, mein Leben tausend Gefahren ausgesetzt - nur um meinem
Hause zu helfen!
Und nun, da es mir endlich gelungen ist. Euch ein wenig hoch zu bringen,
wagst Du es, frevelhaft in einer Stunde zu zerstören, was ich in soviel Jahren
mit soviel Mühsal aufgebaut habe. Beim Körper Christi, ich schwöre, das soll
nicht sein! Zehntausend deinesgleichen werde ich zerschmettern, wenn es
sein muß!“5
Das war der Michelangelo der jungen Jahre, der Michelangelo, der einem
1 Vasari, ed.Milanesi V, p. 584 (im Leben des Sebastiano del Piombo).
2 Leon Dorez, Nouvelles techerches sur Michelange et son entourage in Bibliothdque de l’ecole des Chartes
LXXVIII (Paris 1917), p. 193/220. Vasari (Milanesi) VII, p. 334/5.
5 Vasari VII, p. 333/34. Milanesi, Les correspondants de Michelange p. 28. Vgl. Frey, Sammlung ausge-
wählter Briefe an Michelangelo. Berlin 1899, p. 93, 113, 114, 139, 162, 168, 177/8 (letzter Brief August
1521).
‘Milanesi, Lettere p. 55/56.
’ Milanesi, Lettere p. 150/151.

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