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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0041
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aus Rom an Apollonio Filarete - „beten ihn an als Meister, als Fürsten, ja als
Gott der Zeichnung“1.
Man ist geneigt - und nicht mit Unrecht -, sich Michelangelos ganzes schick-
salsvolles Leben wie eine einzige Tragödie vorzustellen, in der nur die Personen
und die Probleme sich verändern. Aber vieldeutig und unerschöpflich wie Kunst
und Charakter dieses Mannes, ist auch sein Leben gewesen: „Kein einziger
menschlicher Affekt ist mir unbekannt geblieben“, bekennt er selbst in einer
seiner Dichtungen, und gerade in den Jahren, in denen er erneut unter Paul III.
im Vatikan als Freskomaler sich betätigte, muß er geselliger gelebt haben, als es
vorher und nachher seine Gewohnheit war.
Diese Jahre, in denen er nicht nur Gegenstand der Bewunderung seiner
Zeitgenossen war, sondern auch die zuverlässige Freundschaft einiger Aus-
erlesener genießen durfte, bezeichnen die eigentlich literarische Periode im viel-
verschlungenen Lebenslabyrinth des großen Mannes. Die vier Gespräche über
die Malerei, geführt zu Rom im Jahre 1538 von Francisco de Hollanda2, die
Dialogi des Messer Donato Giannotti3, die im Jahre 1545 gleichfalls in Rom
ihren Ursprung hatten, und endlich die Due lezioni von Benedetto Varchi, die
am 6. und am 13. März 1547 in der Florentiner Akademie gehalten wurden und
im Januar 1550 im Druck erschienen, bedeuten die literarischen Denkmäler
dieser reichen Jahre, dieser letzten und, man möchte sagen, menschlich be-
glückendsten Wandlung unter allen Wandlungen Michelangelos4.
Von diesen drei Quellenwerken besitzen die Dialoge des Donato Giannotti
weitaus den höchsten Wert. Francisco de Hollanda will vor allem sich selbst zur
Geltung bringen und vom Ruhmesglanz, der Michelangelo umstrahlte, einen
möglichst hellen Schein auch auf seine Person fallen lassen. Varchis Erläute-
rungen eines der tiefsinnigsten Sonette Michelangelos in der ersten seiner Vor-
lesungen - denn auf diese kommt es hier vor allem an - sind mehr eine rheto-
rische Leistung, als eine psychologische Studie. Donato Giannotti aber ist es in
seinen Dialogen allein um Michelangelo zu tun. Er selbst mit den übrigen Teil-
nehmern bleibt ganz im Schatten, weil ihm allein daran liegt, seinen großen
Landsmann den Lesern als Menschen, als Dichter und Dantekenner nahe-
zubringen.
Aus dem Schreiben, das Francisco de Hollanda viele Jahre später, am 15. August
1 De lelettereed. 1554, fol. 183 r. u. v. Wiederabgedruckt bei Bottari, Lettere IV, p. 6 (undatiert). Vgl.Thode V,
p. 247: der Farnesische Schrein (1540).
2 Francisco de Hollanda, Vier Gespräche über die Malerei, geführt in Rom 1538, ed. Joaquim de Vasconcellos,
Wien 1899. Vgl. Steinmann-Wittkower, p. 194.
3 De’ Giomi ehe Dante consumö nel cercare l’Inferno e’l Purgatorio. Dialogi di Messer Donato Giannotti ora
per la prima volta pubblicati. Firenze 1859. Herausgeber Polidori nach einer späteren Abschrift im Cod. Vat. 6528.
Die Originalhandschrift ist verschollen. Steinmann-Wittkower, p. 157.
1 Benedetto Varchi, Due lezzioni diM. Benedetto Varchi. Fiorenza 1549 (st. c. 1550). Steinmann-Wittkower, p. 371.

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