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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0065
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Schreibern und Literaten mußten sich vor allem die Künstler gesellen, die ihn
doch ganz und gar als den Ihrigen in Anspruch nehmen konnten. Nicht nur die
Maler Vasari und Condivi, deren schriftstellerische Talente wir heute viel höher
stellen, als ihre künstlerischen Leistungen, auch die Bildhauer Bartolomeo
Ammanati, Vincenzo Danti und Benvenuto Cellini haben - wenn auch nur ge-
legentlich Michelangelo streifend - doch auch ihrerseits vollgültige Zeugnisse
seiner Größe vor ihren Zeitgenossen abgelegt. Bartolomeo Ammanati stand
Michelangelo persönlich so nahe, daß er es mehrfach wagen durfte, in künst-
lerischen Unternehmungen, wie der Freitreppe zur Bibliothek von San Lorenzo
und seiner Neptunstatue auf der Piazza della Signoria, Michelangelos Rat in
Anspruch zu nehmen, der immer willig erteilt wurde. Ja, am 5. April 1561
sandte er ihm die eben erschienenen Dichtungen seiner Gattin Laura Batti-
ferra1. Vincenzo Danti, der in seiner Kunst den stärksten Einfluß Buonarrotis
zum Ausdruck bringt, beklagt es, daß ihm die Erkenntnis Michelangelos erst
aufgegangen sei, als er das Alter von zweiundzwanzig Jahren erreicht und
somit die Blüte seiner Jugend bereits überschritten habe. Aber für den Rest
seines Lebens hat er sich vorgenommen, wie er es auch bisher getan, dessen
herrliche Werke als einen Spiegel sich vor Augen zu halten, sie stets im Geist
zu betrachten und, soweit es ihm gegeben, sie durch die Tat nachzuahmen.
Dann führt er weiter in seinem großen, unvollendet gebliebenen Werk „Von
den vollkommenen Proportionen“ aus, wie Michelangelo fast sein ganzes Streben
dem Studium des menschlichen Körpers gewidmet habe, weil er erkannt, daß
weder von den alten, noch von den modernen Bildhauern oder Malern dies
große Geheimnis voll ergründet worden sei. So bekennt Vincenzo Danti mit
größter Entschiedenheit, daß es für ihn kein anderes Heil in der Kunst gäbe,
als mit aller Kraft und ganzem Vermögen den großen Buonarroti nachzuahmen2.
Wie ahnungslos hier Vincenzo Danti sein Lebensschifflein gerade auf die gefähr-
liche Felsenklippe zugesteuert hat, die Michelangelo Buonarroti hieß, und an
der so manches Boot zerschellt ist! Seine, ihm selbst nicht bewußte, schöpferische
Originalität bewahrte ihn aber davor, unter das Verdikt zu fallen, das Pietro
Aretino mit unerbittlichem Scharfsinn über die Nachahmer Michelangelos ge-
fällt hat: „Diese,“ schrieb er am 13. November 1537 an Messer Vittor Fausto,
„bestrebt, die Größe seines Stiles nachzuahmen, indem sie sich bemühen, ihren
1 Frey, Sammlung ausgewählter Briefe, p. 357-360, 378 u. 381.
2II primo libro del trattato delle perfette proporzioni di tutte le cose ehe imitare c ritrarre si possano con l’arte
del disegno. Firenze, Giunti, 1567. Schlosser, Kunstliteratur, p. 343/45. - Die Verherrlichung Michelangelos
findet sich in der Vorrede, p. 1/3. Friedrich Kriegbaum hat neuerdings den Cupido im Victoria- and Albert-
Museum in London dem Danti zugeschrieben, wie mir scheint, mit Recht. Jahrbuch der Kunsthistor. Samm-
lungen inWien, N. F. III., 1929, p. 247fr. Vgl. zur Charakteristik der Marmorarbeiten Dantis die sinnvollen Aus-
führungen von Alois Grünwald in den Florentiner Studien, Prag 1914, p. 21.

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