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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0069
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den wären eigentlich nur Claudio Tolomei und Annibale Caro zu nennen, die,
wie es scheint, ihrer Bewunderung für Michelangelo bei dieser Gelegenheit
keinen besonderen Ausdruck gegeben haben. Aber beide Namen gehören zu
denen, die Michelangelo besonders teuer waren. Beide waren auch untereinander
durch langjährige Freundschaft verbunden. In der Erwartung eines Wieder-
sehens in Ronciglione schrieb Caro an Tolomei aus Castro am 19. Juli 1543:
„Wir werden alle mit offenem Munde um Euch herumstehen, um Euch reden zu
hören. Wir werden köstliche Ausflüge machen und fröhliche Abendmahlzeiten
halten.“ Man sieht, die gelehrten Freunde Michelangelos wußten zu leben, und
wir denken ihn uns gerne als Teilnehmer bei solchen Gelegenheiten1. Annibale
Caro, Übersetzer von Virgils Aeneis, großer Kenner und Sammler von Münzen
und Medaillen, gehörte wie Claudio Tolomei zum Hofstaat des Pierluigi Farnese
und zu dem glänzenden literarischen Kreise, der den Kardinal Alessandro Farnese
umgab, dem das unsterbliche Verdienst zukommt, Vasari die Anregung zur Ab-
fassung seiner Künstler-Lebensbeschreibungen gegeben zu haben. Wie kaum
ein anderer der Literaten des Cinquecento ist es Annibale Caro gewesen, der
die Maler und Bildhauer seiner Zeit mit geistiger Nahrung gespeist hat, und
Michelangelo soll es nach Condivis Zeugnis besonders schmerzlich empfunden
haben, diesem ausgezeichneten Mann erst so spät im Leben begegnet zu
sein.
Ein ganz besonderes Verdienst aber hat sich Caro um Michelangelo dadurch
erworben, daß er die Verhandlungen mit dem Herzog voii Urbino übernahm,
der als Erbe Julius II. im Jahre 1553 immer noch der Meinung war, von Michel-
angelo hintergangen worden zu sein2. Mochte ganz Italien in einmütiger Ver-
ehrung und Bewunderung zu dem Maler des Jüngsten Gerichtes, zu dem Schöp-
fer der Medici-Skulpturen emporblicken - die Erben Julius II. dachten nicht
daran, vor solcher menschlichen Größe, vor solchem niegeschauten Genius
ehrfurchtsvoll mit ihren, nach dem Buchstaben der Verträge vielleicht nicht
ungerechtfertigten, Forderungen haltzumachen. Vergebens appellierte Caro an
die Großmut des Herzogs, vergebens wies er darauf hin, wie vieles Michelangelo
bereits um dieses Denkmals willen erlitten hatte und wie tief diese unentwirrbare
Tragödie sein einsames Alter beschattete. Noch über dem Grabe Michelangelos hat
der Herzog von Urbino seine vermeintlichen Ansprüche geltend gemacht, indem
1 Lettere del Commendatore Annibal Caro colla vita dell’ autore scritta da Anton Federico Seghezzi. Como
1825. II, p. 75. Vgl. über Annibale Caro, seine Bildnisse und sein Grabdenkmal in San Lorenzo in Damaso
in Rom: Steinmann, Freskenzyklen der Spätrenaissance in Rom, in Monatshefte für Kunstwissenschaft III
(1910), p. 57.
2 Die beiden Briefe des Annibale Caro an den Vertreter des Herzogs von Urbino Antonio Gallo wurden zuerst
gedruckt in den Lettere familiari del commendatore A. Caro, Padova 1725, II, p. 48/50, wiederabgedruckt von
Sebastiano Ciampi, Lettera di Michelangelo Bonarroti, Firenze 1834, p. 44/45.

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