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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0119
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I. PORTRÄTDARSTELLUNGEN

Die als Titelbild reproduzierte, in Sepia ausgeführte Zeichnung einer höchst merkwürdigen
idealisierten Porträtdarstcllung von Michelangelo wurde von Professor Federigo Hermanin im
letzten Winter entdeckt und konnte von ihm für das Kupferstichkabinett im Palazzo Corsini in
Rom erworben werden. Im Juli-Heft des Bollettino d’Arte dieses Jahres wird die Zeichnung
von ihm veröffentlicht werden. Dieses Blatt mit der merkwürdigen Bezeichnung „Risposta
alla critica della Cupola li VI. maggio MDVIIIL. - Disegni Allegati“ kann nur als Anlage
einer Antwort aufgefaßt werden, die Michelangelo selbst oder seine Freunde auf einen der
vielen Angriffe zu geben gedachten, denen Michelangelo als Architekt der Peterskirche von
1547-1564 ausgesetzt gewesen ist. Da Michelangelo erst am 1. Januar 1547, nach dem Tode
des Antonio da Sangallo, von Paul III. zum Architekten von Sankt Peter ernannt wurde, so
kann die auf der Zeichnung vorhandene Jahreszahl, die man 15 42 lesen müßte, nicht stimmen.
Professor Hermanin ist der Meinung, daß es sich um das Jahr 1548 handeln muß, in dem
sich Michelangelo gleich nach seiner Ernennung zum Haupt-Architekten von Sankt Peter
gegen die ersten Angriffe der „Setta Sangallesca“ zu verteidigen hatte. Wie man auch die
Datierung dieser Zeichnung bestimmen mag, es handelt sich jedenfalls um ein einzigartiges
Dokument zu dem Streit um die Peterskuppel, den Michelangelo mehr als ein Jahrzehnt zu
bestehen hatte. Ich kann Herrn Professor Hermanin nicht dankbar genug sein, daß er mir
seine Entdeckung vermittelte und das auch für die Michelangelo-Ikonographie besonders
kostbare Blatt zur Verfügung stellte.
Außer der Zeichnung in der Corsiniana wurde von Michelangelo noch ein Ausschnitt jener
Zeichnung von Federigo Zuccari reproduziert, die ich bereits in den Porträtdarstellungen Michel-
angelos ausführlich besprochen habe. (Taf. XI.) Sie durfte hier nicht fehlen, weil sie uns ein
besonders lebendiges Bild davon gibt, wie sich der alt gewordene Michelangelo auf seinem
Pferdchen („ronzinetto“) durch die Straßen Roms bewegte.
Für die Auswahl der Bildnisse von Zeitgenossen Michelangelos war der Wunsch maßgebend,
weniger bekannte Porträts zu geben, die fast alle neu aufgenommen worden sind. Deswegen
wurden von Benedetto Varchi nicht das Porträt Tizians in Wien und von Vasari nicht das Selbst-
porträt in den Uffizien gebracht, sondern zwei künstlerisch minderwertigere, aber soweit ich
sehe unbekannte Zeichnungen, beide durch Beischriften als Porträts Varchis und Vasaris
beglaubigt, die ich vor langen Jahren aufnehmen ließ und deren Aufbewahrungsort ich nicht
einmal mehr festzustellen vermochte. (Taf. XIV u. XV.)
Von wie vielen Hauptpersonen im großen Lebensdrama Michelangelos fehlen uns heute die Bild-
nisse 1 Ist doch nicht einmal von Vittoria Colonna ein wirklich gutes und authentisches Porträt
erhalten. Ein Porträt des Donato Giannotti war ebensowenig aufzufinden, wie Bildnisse des

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