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(wie Dürer sie auf andere Weise später noch in der Glimm'schen Beweinung
durch Maria Magdalena aufgreifen sollte) verzichtete der Künstler zugunsten
eines eindrucksvollen Ringens ihrer Hände, wobei die grundsätzliche Armhal-
tung des Toten dem Entwurf folgt, wenngleich sich der ausführende Künstler
der Tafel dafür entschied, diesen Arm nunmehr losgelöst auf dem Bein der Mut-
ter ruhen zu lassen. Maria Magdalena »überließ« das Salbgefäß der stehenden
Frauenfigur (weshalb diese nun das damit freiwerdende »Ringen der Hände« ge-
wissermaßen an die Mutter Christi »übergeben« konnte) und übernahm auf der
Tafel zugleich die Rolle der Klagenden, die nun, um ihre Identität weiterhin zu
verdeutlichen, an die beliebte Position zu Füße des Toten treten mußte, da sie als
Klagende nicht mehr das für sie charakteristische Salbgefäß halten konnte. Zu-
sammenfassend läßt sich sagen, daß es sehr gut möglich war, daß ein Künstler
ausgehend von der Zeichnung - mit wenigen konsequenten Veränderungen - zur
Lösung der Holzschuher-Tafel hätte kommen können. Läßt man nur die Maria
Magdalena als Klagende zu den Füßen Christi »wandern«, können beide Figuren
»verschwinden«, wodurch zunächst Raum frei wird; diese Lücke wird dann
durch den ursprünglich die Komposition überragenden Josef von Arimathäa aus-
gefüllt; alle anderen Veränderungen ergeben sich daraus oder sind geringfügiger
Art (so etwa, daß die stehende Frauenfigur nun etwas weiter nach rechts zwi-
schen den Kreuzeshügel und Jerusalem, an die freie Stelle der Klagenden, ver-
schoben werden kann).
Das »geschleuderte Monogramm«, wie es der Münchener Entwurf [offenbar
mit anderer856 Tinte aufgesetzt] zeigt, findet sich auf mehreren Dürer-Zeichnun-
gen; laut Pauli857 würden »gewisse Anhaltspunkte« eine Zuweisung jener Zeich-
nungen an die Frühzeit [Albrecht Dürers] ermöglichen. Eine genaue Datierung
der Münchener Zeichnung durch das geschleuderte Monogramm ist somit nicht
möglich, sie kann nur allgemeiner Art (Frühzeit) sein. Pauli858 zufolge »rücke die
Münchner Skizze zur Beweinung um einige Jahre hinter die Jahrhundertwende
zurück« [d.h. vor 1500], da das Nürnberger Bild859 die Vorstufe zu der Münchner
»Fassung« darstelle, deren ehemaliges [die Jahreszahl wurde bei einer Restaurie-
rung entfernt] »Datum 1500« er als »durchaus einleuchtend« anerkannte. Meine
Datierung der Glimm'sehen Beweinung in den Zeitraum 1501-1503 würde dem-
zufolge auch eine etwas spätere Datierung der Münchener Zeichnung zulassen.
(wie Dürer sie auf andere Weise später noch in der Glimm'schen Beweinung
durch Maria Magdalena aufgreifen sollte) verzichtete der Künstler zugunsten
eines eindrucksvollen Ringens ihrer Hände, wobei die grundsätzliche Armhal-
tung des Toten dem Entwurf folgt, wenngleich sich der ausführende Künstler
der Tafel dafür entschied, diesen Arm nunmehr losgelöst auf dem Bein der Mut-
ter ruhen zu lassen. Maria Magdalena »überließ« das Salbgefäß der stehenden
Frauenfigur (weshalb diese nun das damit freiwerdende »Ringen der Hände« ge-
wissermaßen an die Mutter Christi »übergeben« konnte) und übernahm auf der
Tafel zugleich die Rolle der Klagenden, die nun, um ihre Identität weiterhin zu
verdeutlichen, an die beliebte Position zu Füße des Toten treten mußte, da sie als
Klagende nicht mehr das für sie charakteristische Salbgefäß halten konnte. Zu-
sammenfassend läßt sich sagen, daß es sehr gut möglich war, daß ein Künstler
ausgehend von der Zeichnung - mit wenigen konsequenten Veränderungen - zur
Lösung der Holzschuher-Tafel hätte kommen können. Läßt man nur die Maria
Magdalena als Klagende zu den Füßen Christi »wandern«, können beide Figuren
»verschwinden«, wodurch zunächst Raum frei wird; diese Lücke wird dann
durch den ursprünglich die Komposition überragenden Josef von Arimathäa aus-
gefüllt; alle anderen Veränderungen ergeben sich daraus oder sind geringfügiger
Art (so etwa, daß die stehende Frauenfigur nun etwas weiter nach rechts zwi-
schen den Kreuzeshügel und Jerusalem, an die freie Stelle der Klagenden, ver-
schoben werden kann).
Das »geschleuderte Monogramm«, wie es der Münchener Entwurf [offenbar
mit anderer856 Tinte aufgesetzt] zeigt, findet sich auf mehreren Dürer-Zeichnun-
gen; laut Pauli857 würden »gewisse Anhaltspunkte« eine Zuweisung jener Zeich-
nungen an die Frühzeit [Albrecht Dürers] ermöglichen. Eine genaue Datierung
der Münchener Zeichnung durch das geschleuderte Monogramm ist somit nicht
möglich, sie kann nur allgemeiner Art (Frühzeit) sein. Pauli858 zufolge »rücke die
Münchner Skizze zur Beweinung um einige Jahre hinter die Jahrhundertwende
zurück« [d.h. vor 1500], da das Nürnberger Bild859 die Vorstufe zu der Münchner
»Fassung« darstelle, deren ehemaliges [die Jahreszahl wurde bei einer Restaurie-
rung entfernt] »Datum 1500« er als »durchaus einleuchtend« anerkannte. Meine
Datierung der Glimm'sehen Beweinung in den Zeitraum 1501-1503 würde dem-
zufolge auch eine etwas spätere Datierung der Münchener Zeichnung zulassen.