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Kriegstagung für Denkmalpflege [Editor]
Stenographischer Bericht — Berlin, 1915

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Sonntag, den 29. August
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https://doi.org/10.11588/diglit.29910#0078
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nicht größer als auf allen anderen Gebieten des Kriegsvölkerrechts. Das
ganze Kriegsvölkerrecht besteht darin, daß es den Kriegführenden bestimmte
Pflichten auferlegt, und doch gibt es bisher noch nirgends neutrale Auf-
sichtspersonen, die über die Erfüllung dieser Pflichten zu wachen hätten.
Ist die Überwachung beim Denkmalschutz notwendig, so ist sie es überall.
Dann würde schließlich auch verlangt werden können, daß durch neutrale
Aufsicht festgestellt würde, ob keine Dumdumgeschosse verwendet werden,
ob das Eote Kreuz nicht rechtswidrig verletzt wird usw. Auch in diesen
Dingen ist ja fortwährend die Tatfrage streitig, und doch denkt niemand
daran, hier eine neutrale Aufsicht einzuführen.

Dieser Inhalt der gemachten Vorschläge muß also, wie mir scheint,
vollständig fallen gelassen werden. Es ist viel besser, wenn der Denkmal-
tag überhaupt keine Vorschläge macht, als wenn er den leitenden Stellen
solche Vorschläge unterbreitet, die von vornherein unannehmbar sind.

Ich komme nun zu demjenigen Teil der Gurlittschen Vorschläge, der
sich auf die reine Rechtsfrage bezieht, auf die Frage also, wie die Bechte
und Pflichten der kriegführenden Staaten in bezug auf den Denkmalschutz
auszugestalten sind. Im Ziel stimme ich, stimmen wir wohl alle durchaus
mit dem überein, was Herr Geheimrat Gurlitt hier anstrebt: uns allen liegt
eine kräftigere und sicherere Ausgestaltung des internationalen Denkmal-
schutzes am Herzen. Auch glaube ich, daß die Gurlittschen Vorschläge
nach mehreren Richtungen hin sehr beachtenswert sind. Indes fehlt es
auch hier nicht an Bedenken.

Zwei Punkte sind es, die bei der rechtlichen Regelung des Denkmal-
schutzes ins Auge zu fassen sind. Sie stehen in inniger Beziehung zu einander,
ich versuche sie aber zunächst getrennt zu behandeln. Einmal steht der
Inhalt des Schutzes in Frage, sodann die Abgrenzung des Kreises der zu
schützenden Denkmäler. Auf beide Punkte beziehen sich die Gurlittschen
Vorschläge.

Erstens also: welches ist der Inhalt des Schutzes? Ich lege zu-
nächst kurz den jetzigen Rechtszustand dar. Er beruht auf dem Artikel 27
der sogenannten Landkriegsordnung, die dem vierten Haager Abkommen als
Anlage hinzugefügt ist, und auf Artikel 5 des neunten Haager Abkommens
betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten. Danach
sollen bei Belagerungen und Beschießungen alle erforderlichen Vorkehrungen
getroffen werden, um die geschichtlichen Denkmäler soviel wie möglich zu
schonen, vorausgesetzt, daß sie nicht gleichzeitig zu einem militärischen
Zwecke Verwendung finden. Pflicht des Belagerten ist nur, die zu
schützenden Denkmäler als solche kenntlich zu machen.

Zweierlei ist in dieser Regelung von entscheidender Wichtigkeit.
Einmal: das Verbot gegen den Angreifer ist nur bedingt ausgesprochen,
es soll unwirksam sein, wenn das Denkmal, um kurz zu reden, verteidigt
wird. Und zweitens: den Verteidiger selbst trifft, obwohl er die Denk-
mäler kenntlich machen soll, doch ein Verbot, sie zu Verteidigungs-
zwecken zu benutzen, nicht. Tut er das doch, so verletzt er damit keine
Pflicht, er geht nur des Anspruchs darauf, daß der Angreifer das Denkmal
schone, verlustig.

In beiderlei Beziehung bringen die Gurlittschen Vorschläge Ände-
rungen. Erstens sprechen sie die \rerpflichtung des Angreifers zur Schonung
 
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