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Er ist es vor allem aus militärischen Gründen. Wenn einem Mitglied
cles neutralen Staates eine wirksame Überwachung ermöglicht werden soll,
so muß ihm Einblick in alle Verteidigungshandlungen und alle Angriffs-
handlungen gewährt werden. Damit ist aber, auch abgesehen von der
Belästigung für die militärischen Befehlshaber, die Gefahr der Spionage
außerordentlich nahegerückt. Die Überwachungsperson kann ihre Be-
obachtungen brieflich in schädlichster Weise mitteilen — oder soll etwa eine
Prüfung der gesamten Briefschaften des Neutralen stattfinden? Und wie,
wenn der Neutrale noch während des Krieges aus irgend einem Grunde
heimzukehren verlangt? Der schädlichen Übermittlung von Nachrichten
wäre nur vorzubeugen, wenn man ihn zwänge, bis zum Ende des Krieges
auf dem Kriegsschauplatz auszuhalten! Das sind lauter Unmöglichkeiten.
Auch aus politischen Gründen ist der Vorschlag unannehmbar. Kein
selbstbewußter Staat kann sich eine derartige Aufsicht durch Fremde ge-
fallen lassen. Gewiß werden auch die Gefangenenlager in Deutschland von
Neutralen besucht, die sich von deren Zustand überzeugen wollen. Aber
die Verhältnisse liegen hier doch ganz anders, und eine wirkliche Über-
wachung durch Neutrale findet durchaus nicht statt.
Der Gurlittsche Vorschlag ist aber auch praktisch undurchführbar.
Man denke, welche riesige Ausdehnung heute die verschiedenen Kriegs-
schauplätze haben. Um eine wirkliche Überwachung durchzuführen, wäre
eine ganze Armee von Überwachungspersonen nötig. Es ist mehr als
zweifelhaft, ob sich unter den Neutralen so viele Personen fänden, die die
Entbehrungen und Gefahren der Überwachung an der Front auf sich nehmen
wollten. Und dazu noch: ist eine wirkliche Überwachung der Verteidigung
überhaupt möglich? Wie soll die Überwachungsperson feststellen, daß ein
Denkmal zu Verteidigungszwecken nicht benutzt wird? Solche Negativen
lassen sich überhaupt fast niemals beweisen. Die Überwachungsperson
könnte nur dann behaupten, daß z. B. ein Kirchturm nicht zu Verteidigungs-
zwecken benutzt worden sei, wenn sie fortgesetzt in der ganzen Zeit auf dem
Kirchturm anwesend gewesen wäre. Gewiß, der Überwachende kann sich
auf den Turm führen lassen und sich davon überzeugen, daß dort keine Sig-
nalstation eingerichtet und keine Beobachtungsperson anwesend ist; aber
sobald der Überwachende den Rücken gedreht hat, kann die verbotene
Einrichtung doch getroffen werden. Eher wäre eine ersprießliche Mit-
wirkung der Überwachungsperson auf der Seite des Angreifers möglich:
der Angreifer könnte die Überwachungsperson zuziehen, wenn er zu be-
merken glaubt, daß der Verteidiger das Baudenkmal zu Verteidigungs-
zwecken benutzt, und könnte dies durch die Überwachungsperson feststellen
lassen. Aber nur allzu leicht wird zu dieser Zuziehung gar keine Zeit übrig
bleiben. Nein, tatsächlich scheint mir alles dies undurchführbar.
Gegen den Vorschlag spricht weiter, daß die Einrichtung einer Über-
wachung in der Hauptsache auch nutzlos bleiben würde. Selbst wenn die
Überwachungsperson erklärt, der Turm sei zu Verteidigungszwecken benutzt
worden, so kann der Gegner doch immer sagen, es liege ein Irrtum, eine
Täuschung vor. Gegen Übelwollen gibt es eben kein Mittel. Wer sich nicht
überzeugen lassen will, den kann man nicht überzeugen.
Endlich ist auch ein zwingendes Bedürfnis für eine Einrichtung, wie
sie der Vorschlag plant, zu leugnen. Wenigstens ist das Bedürfnis hier
Er ist es vor allem aus militärischen Gründen. Wenn einem Mitglied
cles neutralen Staates eine wirksame Überwachung ermöglicht werden soll,
so muß ihm Einblick in alle Verteidigungshandlungen und alle Angriffs-
handlungen gewährt werden. Damit ist aber, auch abgesehen von der
Belästigung für die militärischen Befehlshaber, die Gefahr der Spionage
außerordentlich nahegerückt. Die Überwachungsperson kann ihre Be-
obachtungen brieflich in schädlichster Weise mitteilen — oder soll etwa eine
Prüfung der gesamten Briefschaften des Neutralen stattfinden? Und wie,
wenn der Neutrale noch während des Krieges aus irgend einem Grunde
heimzukehren verlangt? Der schädlichen Übermittlung von Nachrichten
wäre nur vorzubeugen, wenn man ihn zwänge, bis zum Ende des Krieges
auf dem Kriegsschauplatz auszuhalten! Das sind lauter Unmöglichkeiten.
Auch aus politischen Gründen ist der Vorschlag unannehmbar. Kein
selbstbewußter Staat kann sich eine derartige Aufsicht durch Fremde ge-
fallen lassen. Gewiß werden auch die Gefangenenlager in Deutschland von
Neutralen besucht, die sich von deren Zustand überzeugen wollen. Aber
die Verhältnisse liegen hier doch ganz anders, und eine wirkliche Über-
wachung durch Neutrale findet durchaus nicht statt.
Der Gurlittsche Vorschlag ist aber auch praktisch undurchführbar.
Man denke, welche riesige Ausdehnung heute die verschiedenen Kriegs-
schauplätze haben. Um eine wirkliche Überwachung durchzuführen, wäre
eine ganze Armee von Überwachungspersonen nötig. Es ist mehr als
zweifelhaft, ob sich unter den Neutralen so viele Personen fänden, die die
Entbehrungen und Gefahren der Überwachung an der Front auf sich nehmen
wollten. Und dazu noch: ist eine wirkliche Überwachung der Verteidigung
überhaupt möglich? Wie soll die Überwachungsperson feststellen, daß ein
Denkmal zu Verteidigungszwecken nicht benutzt wird? Solche Negativen
lassen sich überhaupt fast niemals beweisen. Die Überwachungsperson
könnte nur dann behaupten, daß z. B. ein Kirchturm nicht zu Verteidigungs-
zwecken benutzt worden sei, wenn sie fortgesetzt in der ganzen Zeit auf dem
Kirchturm anwesend gewesen wäre. Gewiß, der Überwachende kann sich
auf den Turm führen lassen und sich davon überzeugen, daß dort keine Sig-
nalstation eingerichtet und keine Beobachtungsperson anwesend ist; aber
sobald der Überwachende den Rücken gedreht hat, kann die verbotene
Einrichtung doch getroffen werden. Eher wäre eine ersprießliche Mit-
wirkung der Überwachungsperson auf der Seite des Angreifers möglich:
der Angreifer könnte die Überwachungsperson zuziehen, wenn er zu be-
merken glaubt, daß der Verteidiger das Baudenkmal zu Verteidigungs-
zwecken benutzt, und könnte dies durch die Überwachungsperson feststellen
lassen. Aber nur allzu leicht wird zu dieser Zuziehung gar keine Zeit übrig
bleiben. Nein, tatsächlich scheint mir alles dies undurchführbar.
Gegen den Vorschlag spricht weiter, daß die Einrichtung einer Über-
wachung in der Hauptsache auch nutzlos bleiben würde. Selbst wenn die
Überwachungsperson erklärt, der Turm sei zu Verteidigungszwecken benutzt
worden, so kann der Gegner doch immer sagen, es liege ein Irrtum, eine
Täuschung vor. Gegen Übelwollen gibt es eben kein Mittel. Wer sich nicht
überzeugen lassen will, den kann man nicht überzeugen.
Endlich ist auch ein zwingendes Bedürfnis für eine Einrichtung, wie
sie der Vorschlag plant, zu leugnen. Wenigstens ist das Bedürfnis hier