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Gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz [Editor]
Stenographischer Bericht — 2.1913

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Offizielle Begrüßungen und Ansprachen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29651#0049
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Begriißungen.

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reichen, sie wasserabweisend zu tränken, ohne ihnen die natürliche Schönheit
zu nehmen; vor allem aber bedarf es hier des gemeinsamen, tatkräftigen
Zusammenwirkens des Architekten und Ingenieurs. Die Zukunft wird es
in noch höherem Maße lehren als Vergangenheit und Gegenwart, daß nur
in solcher gemeinsamen Arbeit der rechte Weg gefunden werden kann,
unsere herrlichsten Baudenkmäler, die alten Dome, die Schlösser und Burgen
aus mittelalterlichen Tagen, unsere wenigen, heute noch stehenden Stein-
brücken aus vergangenen Jahrhunderten makellos hiniiber zu retten in
kommende Zeiten. Die schwierige Aufgabe liegt hier in der Erkennung der
Krankheiten, an denen ein altes Bauwerk leidet, der Erkrankung, die in der
Begel eine tiefinnerliehe ist, bedingt durch nur allzu erklärliche Fehler bei
der Erbauung, namentlich unzureichende oder nicht bis zu genügender Tiefe
geführte Gründung, durch zu schwache Widerlager fiir Bögen und Gewölbe,
weiter durch spätere Abweichungen von den grundlegenden Entwiirfen,
entschuldigt durch einen oft Jahrhunderte dauernden Bau, durch den Heim-
gang so mancher Meister, die ihn ersonnen und in wechselvoller Geschiehte
a.usgestalteten, endlich durch eine allmähliche Yeränderung oder den Zerfall
des Baustoffes im Laufe der Zeit, namentlich des Holzes. Zu Staub zerfallen
sind die meisten der Holzanker, die unsere alten Dombaumeister in ihre
Bauten hineingefügt, mit denen sie im richtigen statischen Gefühle die
Wü'kung der wagerechten Schubkräfte aufgenommen, vermodert sind gar
viele Tragpfähle der Pundamente unserer Dome, die früher, dauernd von
Grundwasser bedeckt, den Zeiten trotzen konnten, heute aber — wie uns
nur das Straßburger Münster allzu deutlich zeigt — mit dem allmählichen
Sinken des Grundwasserspiegels der Zerstörung anheimfallen mußten; ge-
borsten ist so mancher ragende Pfeiier, der nun keinen ausreichenden Halt
mehr fand, gebrochen der Bögen, der sich auf ihn stützte! Hier bedarf es
ganzer gemeinsamer Arbeit des Architekten und des Ingenieurs, soll all das
Schöne und Vorbildliche, was uns überkommen ist von unseren Altvorderen,
erhalten bleiben, gleich hervorragend für die Entwickelung der Kunst wie
ein Mahner zur Stälilung eigener Kräfte für die Aufgaben der Jetztzeit.
Und diese ganze Arbeit — sie muß bestehen in der Aufnahme des Ba.uwerkes
mit allen seinen wichtigsten Maßen und in einer gründlichen statischen
Untersuchung, die nur allein den tieferen Grund der Schäden aufzudecken
und die Mittel zu ihrer Behebung an die Hand zu geben vermag — Mittel,
die dann mit künstlerischer Abwägung und statisch konstruktivem Gefühle
zu wählen sind und ihre Grundlage darin finden sollen, das Bauwerk in seiner
äußeren Gestalt möglichst wenig zu verändern. ITier handelt es sich um die
Unterfangung oder den Ersatz zerstörter oder zu schwacher Fundamente,
um die Entlastung allzu stark belasteter Bögen und Gewölbe durch geschickte
anderweitige Lastabfangung und -Yerteilung, urn den Ersatz zerstörten Holz-
werkes durch neuzeitliche Baumittel u. a. m. Die Grundlagen für all diese
Maßnahmen kann aber nur die auf örtlicher Untersuchung aufgebaute
statische Beurteilung des Bauwerkes geben, und hierin liegt wohl die wich-
tigste neuzeitliche Forderung, die der Schutz von Architekturdenkmälern
vergangener Zeiten zu stellen hat und die an ihn zu richten ist.

Für diese oft recht schwierigen Aufgaben Verständnis in den beteiligten
Kreisen, namentlich unter der akademischen Jugend zu erwecken, wird auch
für die Technischen Hochschulen eine Aufgabe bilden, die von hohem vater-
 
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