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Nun gestatten Sie mir noch auf eine Spezialfrage einzugehen, die vorhin
von einem der Herren Vorredner berührt wurde bezüglich des Domes in
Halberstadt. Ich muß gestehen, daß ich mich freudig zu dem Eat bekenne,
der mir von ihm zum Vorwurf gemacht wurde. Es handelt sich im Halber-
städter Dom darum, eine Kriegerehrung auszugestalten; es war da ein Plan
aufgestellt, der zunächst etwas außerordentlich Bestechendes hatte: eine
Art Campo Santo zu schaffen, indem eine Außenwand des Kreuzganges
und auch ein Innenraum, ein modernes Obergeschoß des Südflügels, dazu
bestimmt werden sollten, eine ganze Fülle von Einzeldenkmälern von Fami-
lien, Vereinen und anderen aufzunehmen. An sich ein sehr schöner Ge-
danke. aber nach meinem Dafürhalten doch in der Wirkung im ganzen so
unübersehbar und in der Ausführung so ungeheuer schwierig, daß diejenigen,
die sich je an der Beratung auf dem Gebiete der Kriegerehrung beteiligt
haben, mir darin zustimmen werden, daß dies eine Aufgabe ist, die in glück-
licher Weise unsere Zeit kaum zu lösen imstande ist. Uns fehlt vor allem die
naive und natürliche Schaffensfrische, die glückliche Verbindung von Kunst
und Handwerk, die in früheren Jahrhunderten so hervorragende Kunst-
denkmäler neben ganz einfachen handwerklichen Dingen in den Kirchen
gewissermaßen als vornehme und einfache Glieder ein und derselben Familie
erstehen ließ. Ich habe deshalb davon abgeraten, einen so großzügigen
Plan zu wählen, habe aber natürlich mich niclit dagegen ausgesprochen,
daß man im Kreuzgang des Domes einzelne gute, moderne Tafeln anbringe.
Doch habe ich dabei auch den Eat erteilt — und das möchte ich auch heute
aufrechterha.lten — eine Reihe sehr schöner alter Epitaphien aus Holz, die
dort vernachlässigt hängen und gänzlich ihre Bonralung verloren haben,
die aber wert sind, wieder zu Ehren gebraeht zu werden, gelegentlich hierbei
zu benutzen, durch Künstlerhand in Farbe zu setzen und mit Schrift zu
versehen. Warum sollen wir diese Stücke in ein Museum hängen ? Sie fort-
zuwerfen oder verkommen zu lassen, wäre aber nicht zu verantworten.
Lassen Sie uns beides miteinander vereinen: die Ehrfurcht vor dem Alten und
ein frisches, frohes Bekenntnis zu dem künstlerisch guten Neuen! (Beifall.)
Hofrat Dr. Schubert-Soldern: Was der Herr Eeferent über die
Bedeutung des künstlerischen Wertes als Eichtschnur für die Denkmal-
pflege gesagt hat, setzt das Vorhandensein eines für alle Zeiten geltenden
einheitlichen, künstlerischen Wertmaßstabes voreus. Einen solchen aber
besitzen wir nicht, weil jede Zeit, jede Kulturepoche nicht bloß an ihre eigenen
Schöpfungen, sondern auch an die der Vergangenheit ihren dem eigenen
Kunstwollen und Kunststreben entstammenden Wertmaßstab anlegt.
Daher ist es nicht bloß unmöglich, die künstlerischen Leistungen mit der
Gegenwart mit dem gleichen Maße zu messen, wie die der Vergangenheit,
sondern auch der Wertmaßstab für die Schöpfungen der Vergangenheit ist
einer fortwährenden Wandlung unterworfen, so daß, was uns heute als der
Höhepunkt vergangenen Kunstschaffens gilt, morgen als unseren ästhetischen
Anschauungen nicht mehr entsprechend abgelehnt wird. So war es mit
Baphael, dessen Kunst in den Fünfzigerjahren des XIX. Jahrhunderts als
der Gipfelpunkt der Malerei galt, so mit Eembrandt, der um die gleiche Zeit
ein verhältnismäßig wenig beachtetes Dasein führte, im ersten Dezennium
des XX. Jahrhunderts aber als höchste Offenbarung alles Malerischen galt.
Nun gestatten Sie mir noch auf eine Spezialfrage einzugehen, die vorhin
von einem der Herren Vorredner berührt wurde bezüglich des Domes in
Halberstadt. Ich muß gestehen, daß ich mich freudig zu dem Eat bekenne,
der mir von ihm zum Vorwurf gemacht wurde. Es handelt sich im Halber-
städter Dom darum, eine Kriegerehrung auszugestalten; es war da ein Plan
aufgestellt, der zunächst etwas außerordentlich Bestechendes hatte: eine
Art Campo Santo zu schaffen, indem eine Außenwand des Kreuzganges
und auch ein Innenraum, ein modernes Obergeschoß des Südflügels, dazu
bestimmt werden sollten, eine ganze Fülle von Einzeldenkmälern von Fami-
lien, Vereinen und anderen aufzunehmen. An sich ein sehr schöner Ge-
danke. aber nach meinem Dafürhalten doch in der Wirkung im ganzen so
unübersehbar und in der Ausführung so ungeheuer schwierig, daß diejenigen,
die sich je an der Beratung auf dem Gebiete der Kriegerehrung beteiligt
haben, mir darin zustimmen werden, daß dies eine Aufgabe ist, die in glück-
licher Weise unsere Zeit kaum zu lösen imstande ist. Uns fehlt vor allem die
naive und natürliche Schaffensfrische, die glückliche Verbindung von Kunst
und Handwerk, die in früheren Jahrhunderten so hervorragende Kunst-
denkmäler neben ganz einfachen handwerklichen Dingen in den Kirchen
gewissermaßen als vornehme und einfache Glieder ein und derselben Familie
erstehen ließ. Ich habe deshalb davon abgeraten, einen so großzügigen
Plan zu wählen, habe aber natürlich mich niclit dagegen ausgesprochen,
daß man im Kreuzgang des Domes einzelne gute, moderne Tafeln anbringe.
Doch habe ich dabei auch den Eat erteilt — und das möchte ich auch heute
aufrechterha.lten — eine Reihe sehr schöner alter Epitaphien aus Holz, die
dort vernachlässigt hängen und gänzlich ihre Bonralung verloren haben,
die aber wert sind, wieder zu Ehren gebraeht zu werden, gelegentlich hierbei
zu benutzen, durch Künstlerhand in Farbe zu setzen und mit Schrift zu
versehen. Warum sollen wir diese Stücke in ein Museum hängen ? Sie fort-
zuwerfen oder verkommen zu lassen, wäre aber nicht zu verantworten.
Lassen Sie uns beides miteinander vereinen: die Ehrfurcht vor dem Alten und
ein frisches, frohes Bekenntnis zu dem künstlerisch guten Neuen! (Beifall.)
Hofrat Dr. Schubert-Soldern: Was der Herr Eeferent über die
Bedeutung des künstlerischen Wertes als Eichtschnur für die Denkmal-
pflege gesagt hat, setzt das Vorhandensein eines für alle Zeiten geltenden
einheitlichen, künstlerischen Wertmaßstabes voreus. Einen solchen aber
besitzen wir nicht, weil jede Zeit, jede Kulturepoche nicht bloß an ihre eigenen
Schöpfungen, sondern auch an die der Vergangenheit ihren dem eigenen
Kunstwollen und Kunststreben entstammenden Wertmaßstab anlegt.
Daher ist es nicht bloß unmöglich, die künstlerischen Leistungen mit der
Gegenwart mit dem gleichen Maße zu messen, wie die der Vergangenheit,
sondern auch der Wertmaßstab für die Schöpfungen der Vergangenheit ist
einer fortwährenden Wandlung unterworfen, so daß, was uns heute als der
Höhepunkt vergangenen Kunstschaffens gilt, morgen als unseren ästhetischen
Anschauungen nicht mehr entsprechend abgelehnt wird. So war es mit
Baphael, dessen Kunst in den Fünfzigerjahren des XIX. Jahrhunderts als
der Gipfelpunkt der Malerei galt, so mit Eembrandt, der um die gleiche Zeit
ein verhältnismäßig wenig beachtetes Dasein führte, im ersten Dezennium
des XX. Jahrhunderts aber als höchste Offenbarung alles Malerischen galt.