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Stölzel, Adolf
Die Entwicklung des gelehrten Richterthums in deutschen Territorien: eine rechtsgeschichtliche Untersuchung mit vorzugsweiser Berücksichtigung der Verhältnisse im Gebiete des ehemaligen Kurfürstenthums Hessen (Band 1) — 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.10463#0360

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3. Buch. Das Aufleben des gelehrten Richterthums ete.

adliger Gerichtsherr allmählich mehr an das landesherrliche
als an das adlige Nachbargericht anlehnte. Als bei den
herrschaftlichen Landgerichten die rechtsgelehrten Beamten
an Stelle der Schöffen traten, konnte der adlige Herr seinem
einen Dorfe zu Ehren keinen gelehrten Beamten bestellen,
er überliess also die Civilrechtsprechung den herrschaftlichen
Beamten. Damit erreichte schon im Beginne des siebzehnten
Jahrhunderts der wichtigste Theil der Gerichtsbarkeit ein-
zelner Patrimonialherrn seine Endschaft, indem er an die
landesherrlichen Gerichte überging.5

Diejenigen Patrimonialherren dagegen, deren Herrschaft
so gross war, dass sie einen eignen Schultheis hielten und
ihr Gericht mit eignen Schöffen besetzen konnten, bewahr-
ten sich ihre Jurisdiction über die Zeit des Eindringens der
gelehrten Rechte hinaus. Wie bei den herrschaftlichen,
so befriedigte man auch bei diesen patrimonialen Landge-
richten das Bedürfniss nach gelehrter Beihülfe zuerst da-
durch, dass die Schöffen selbst die streitenden Parteien an
den Gerichtsherrn verwiesen, weil ihnen die Entscheidung
zu schwer fiel, oder dadurch, dass die Parteien statt an das
Gericht, sich mit ihren Rechtshändeln direct an die Gerichts-
herrn wendeten. Der adlige Gerichtsherr nahm somit genau
die nämliche Stellung dem Gerichtspersonal und den Par-
teien gegenüber ein, wie der herrschaftliche Amtmann.
Selbstverständlich ging auch die Appellation an den Gerichts-
herrn; dieser war der Oberrichter,6 wie auch der herrschaft-
liche Amtmann als Oberrichter vorkommt. Da der patri-
moniale Gerichtsherr ursprünglich hinsichtlich des Umfangs
seiner Jurisdictionsgewalt dem Territorialherrn völlig gleich-
stand, so hätte die Entscheidung des ersteren wie die des
letztern nur vor den Reichsgerichten müssen angefochten
werden können; die Landeshoheit war aber bei dem Auf-
kommen der Appellation in landgerichtlichen Sachen schon
soweit entwickelt, dass sich die landesherrliche Canzlei oder

5 S. §. 28. Niddawitzhausen (1600).

6 S. z. B. Anlage 12; 1541.
 
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