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Stölzel, Adolf
Die Entwicklung des gelehrten Richterthums in deutschen Territorien: eine rechtsgeschichtliche Untersuchung mit vorzugsweiser Berücksichtigung der Verhältnisse im Gebiete des ehemaligen Kurfürstenthums Hessen (Band 1) — 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.10463#0381

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§. 18. Riig-egerichte.

365

Theil — und zwar den in den Augen der Schöffen nicht
unwichtigsten — beliess sie ihnen. Damit war jeder Kampf
der Schöffen gegen die Einführung gelehrter Richter ver-
hütet, wie er bei directer Beseitigung der Schöffen hätte
unausbleiblich sein müssen. Sie behielten auch unter der
Herrschaft der fremden Rechte ihre Existenz, wenngleich
dieselbe allmählich zu einer Scheinexistenz herabsank. So
starben erst in diesem Jahrhundert die letzten Ausläufer des
ungelehrten Schöffen thums ab. Die Schaffung des gelehrten
Richterthums zerfällt hiernach in zwei Hauptacte; der erste
Act hat die Enthebung der ungelehrten Schöffen von der
Civilrechtspflege, der zweite ihre Beseitigung von aller
Rechtspflege zum Gegenstand. Zwischen beiden Acten liegt
ein fast zweihundertjähriger Zwischenraum.

Obwohl den Schöffen nach Lostrennung der Civilrechts-
pflege nur ein Rest von Jurisdiction verblieb, bildeten sie
doch im Munde des Volkes fortdauernd allein das „Gericht".
Neben diesem „Gericht" bestand nicht etwa ein zweites
„Gericht" des mit der Civilrechtspflege betrauten gelehrten
Richters; die Behörde, die er ausmachte, „das Amt," deu-
tete schon durch ihren Namen an, dass ihr das Richten
und Rechtsprechen an sich fremd war; denn ein „Amt"
versah in der Sprache des Mittelalters nicht bloss der mit
der Justizpflege oder mit der Verwaltung beauftragte Diener
eines Guts- oder Territorialherrn, sondern auch der Zapfer
und der Weinkellner jeder Stadt, der Baumeister eines
Stadtbezirks, der fürstliche Koch, Lichterkämmerer, Kellner
und Bäcker.2 Die Verhandlungen, welche man vor dem
gerichtsherrlichen Beamten pflog, wurden deshalb auch nicht
in einem „Gerichtsbuche", sondern sie wurden in einem
„Protocolle" niedergelegt; der Name „Gerichtsbuch"
blieb den Verhandlungen vor den Schöffen geradeso erhal-
ten, wie der Name „Gericht" der aus Schöffen und Schul-
theis gebildeten Körperschaft. Und wenn auch die Verhand-

2 S. z. B. Stölzel, Cassler Stadtrechnungen S. 227 (v. 1553 p. 88).
„2 <tfe in die vier Amte im Schlosse Küche, Keller, Backhaus und Licht-
kammer." — Auch Zöpfl, Bamb. R,echt S. 86.
 
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