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Abb. 4. Abb. 5. Abb. 6. Abb. 7. Abb. 8.

Standbilder vom ehemaligen Lettner im Strassburger Münster.

dem Stabwerk versteckt, befanden sich eine An-
zahl Figuren (Abb. 5 bis i3), welchen bisher
wenig oder keine Beachtung geschenkt worden
war, da sie von der Plattform kaum, von unten
gar nicht zu erkennen waren. Bei Gelegenheit
der Vornahme von Massaufnahmen an dieser
Stelle konnte ich die Tatsache feststellen, dass
wir es hier mit einer Reihe der hervorragendsten
Werke der Frühgothik zu tun hatten. Dass die
Figuren nicht an den Platz gehörten, an dem
sie sich befanden, ging sowohl aus der voll-
ständigen Verschiedenheit des Stils, sowie den
zur Standfläche wenig passenden Abmessungen
der Kragsteine hervor. Ferner machte die ganze
Behandlung der Einzelheiten die Annahme wahr-
scheinlich, dass die Figuren ursprünglich im
Innern und zwar auf verhältnismässig geringer
Höhe über dem Fussboden ihren Stand gehabt
haben mussten. Von dreien dieser Figuren waren
bei einer früheren Gelegenheit Gypsabgüsse an-
gefertigt worden, die sich im Frauenhausmuseum
befanden. Mit Hülfe des oben erwähnten alten
Kupferstiches von Brunn gelang es mir schlies-
lich, einige dieser Standbilder als zum alten
Lettner gehörig zu bestimmen. Vermutlich sind
sie nach Abbruch des letztern im Jahre 1682
als Lückenbüsser in die leeren Nischen des
Turmes verbannt worden. Es ist das Verdienst
des früheren Dombaumeisters Arntz, im ver-
flossenen Winter diese Figuren, neun an der
Zahl, von ihrem freien Standorte heruntergeholt
und durch Anfertigung von Gypsabgüssen in
ihrer Form festgelegt zu haben. Sie sind nun-

mehr in einem geschützten Räume des Frauen-
hauses untergebracht. Als zu dieser Gruppe
gehörig muss noch eine im Frauenhaus befind-
liche, ein Spruchband haltende männliche Figur
(Abb. 4) angesehen werden, welche in Grösse,
Stil und Behandlung dieselben Merkmale auf-
weist. Bis auf eine gelang es an der Hand des
bereits erwähnten Stiches, sämtliche Figuren
als zum Lettner gehörig nachzuweisen. Die
einzige nicht nachweisbare, nach einem Gypsab-
guss bereits in Hasak, Geschichte der deutschen
Bildhauerkunst im XIII. Jahrhundert, abgebildete
Figur eines Diakons (Abb. 5) möchte ich den-
noch mit Bestimmtheit derselben Meisterhand
zuweisen. Es wird weiter unten von diesem
Werk die Rede sein.

Diese Standbilder verraten durch die Leich-
tigkeit und Feinheit ihrer Auffassung, die
spielende Fertigkeit in der Behandlung zweifel-
los eine ganz bedeutende Schulung, die in dieser
Zeit nur in Frankreich, wenn auch vielleicht
durch einen vaterländischen Künstler erworben
werden konnte. Tatsächlich lässt sich eine ge-
wisse Ähnlichkeit mit einer Anzahl Bildwerke
der Kathedrale in Rheims' nachweisen, hier am
Strassburger Münster bilden sie eine ganz ge-
sonderte Gruppe, die sich ebensowenig an die
streng abgeschlossene Vornehmheit der Bildwerke
des südlichen Querschiffs, wie die bereits die
übertriebene Manieriertheit der späteren Zeit
vorahnen lassenden Figuren des Hauptportals
anlehnt. Am meisten dürften sie noch mit den
besseren Arbeiten unter den weiblichen Figuren
 
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