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Abb. 9.

Abb. 10. Abb. ix. Abb. 12.

Standbilder vom ehemaligen Lettner im Strassburgcr Münster.

Abb. i3.

der Turmportale gemein haben, für welche sie
vielleicht vorbildlich gewesen sind. Die zier-
lichen, etwa 1 '/-2 m hohen Gestalten, welche,
wie die glatte Behandlung der Oberfläche zeigt,
ursprünglich bemalt waren, sind in den Verhält-
nissen durchaus richtig, die Gewänder sind leb-
haft bewegt und haben im Faltenwurf noch nicht
die übertriebenen Ausbuchtungen, die Behand-
lung der Haare ist zierlich und eigenartig, die
feinen, regelmässigen Gesichter sind vorzüglich
modelliert und zeigen natürlich ruhigen Ausdruck.
Die Standbilder dürften, so wie sie sind, neben
den besten Werken der Antike jedem Museum
zur Zierde gereichen.

Ein weiterer, wenn auch unansehnlicher,
jedoch für die Bestimmung anderer Teile wich-
tiger Fund wurde Mitte der neunziger Jahre
gemacht, das Bruchstück eines, die Spitze eines
Giebelfeldes füllenden Engelbildes mit Spruch-
band, auf letzterem aufgemalt die Worte . . . . s
potatur. (Lihens potatur war nach den alten
Beschreibungen des Lettners die Inschrift im
zweiten Felde von rechts.) Das Bruchstück war
insofern von Wichtigkeit, als es durch die An-
gabe der Giebelneigung ein vorhandenes Giebel-
stück mit Krabben und dadurch wieder eine Reihe
von andern Trümmerstücken, Krabben, Giebel-
undBogenstücke,Konsolne unddergl. (Abb. i5—18)
bestimmbar machte. Auf Grund genauer Aufnahmen
der Bruchstücke, Aneinanderpassen derselben,
wurde es mir schliesslich möglich gemacht, einen
Wiederherstellungsplan der Vorderwand (ver-
gleiche Abb. 3) zu versuchen, welcher in den

wesentlichen Teilen wohl ein genaues Bild des
Lettners ergeben dürfte. Die Sockelschicht a—b,
die Wasserspeier in Höhe von c, sowie die
obere Brüstungsschicht d—e sind Ergänzungen.
Die vorhandenen Eckstücke (Abb. 3) mit je zwei
Baldachinen und der unteren Hälfte der Brü-
stungen zeigen bis zur Höhe der Fuge d einen
podestartigen Vorsprung, welcher in seiner oberen
Fläche deutliche Spuren der Benutzung aufweist.
An den äusseren Ecken zwischen den beiden
Baldachinen ist der Anfang einer konsolartig
vorspringenden phantastischen Tiergestalt er-
kennbar. Es besteht wohl kein Zweifel, dass an
den beiden Ecken im Bereich der Brüstung
Konsolen vorhanden waren und erscheint die
Folgerung gerechtfertigt, dass sie in ursäch-
lichem Zusammenhang mit den oben erwähnten
Podesten an der Innenseite stehen.

Ich komme auf die eigentliche Zweck-
bestimmung der alten Lettner zurück. Wie be-
reits aus dem Worte (von lectorium) hervorgeht,
war eine Hauptbestimmung desselben, als Tribüne
für die Vorlesung der Evangelien und dergl. zu
dienen. Zu diesem Zweck waren auf der Brüstung
der Lettner, teils feststehend, teils beweglich,
Lesepulte angebracht, in früherer Zeit meistens
zwei, für die Epistel- und Evangelienseite. Diese
Lesepulte, welche beim Gebrauch mit kostbaren
Decken behängt wurden, waren, wie uns eine
Reihe erhaltener Beispiele zeigen, von jeher als
besonderes Schmuckstück behandelt und in mehr
oder weniger künstlerischer Weise ausgeführt.
Im Naumburger Dom ist uns ein derartiges
 
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