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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0099
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87

kende Turmbogen, so wird in dieser Achse der in
Frage stehende innere Turmpfeiler excentrisch bean-
sprucht, womit die schon erwähnte Ausbauchung
desselben nach Süden ihre Erklärung finden würde.

Während die äusseren Turmpfeiler (Südwest
und Nordost des Turmes) bei ihren auch für ein
Mehrfaches an Belastung vollständig ausreichenden
Abmessungen ohne weitere Folgen diese Last auf-
zunehmen imstande waren, musste dagegen der nur
für verhältnismäs-
sig geringe Drucke
bestimmte erste
Schiffspfeiler,
welcher nachge-
wiesenermassen be.
reits durch seine
normalen Belast-
ungen übermässig
in Anspruch ge-
nommen wird, not-
wendig der Ein-
wirkung der ge-
waltigen Drucke
nachgeben.

Daher die in
demselben zu be-
obachtenden Zer-
störungen.

Diese Lager-
ung der Kräfte
wird bereits wäh-
rend des Baues
sich vollzogen
haben, da andern-
falls grössere Senk-
ungen des Turm-
pfeilers festgestellt
werden müssten,
vermutlich schon

sofort nach der Anlage des Strebepfeilers im Hoch-
schiffsfenster.

Durch eine statische Untersuchung ist dieser
Gleichgewichtszustand darzustellen versucht worden
(Abb. 19). Jedenfalls wäre damit die bis hart an
die Grenze der Zerstörung gehende Beanspruchung
des ersten Schiffspfeilers erklärt. Zu den ruhenden
Kräften treten die zeitweise auftretenden mehr oder
weniger bedeutenden Kräfte und zwar die Einwirkung
des Winddrucks auf den Turm, die Schwingungen
der Glocken beim Läuten und die in den letzten
Jahren zahlreich auftretenden Erdbeben.

Der Winddruck würde, wie ermittelt worden
ist, unter normalen Verhältnissen auf die Sohle
des inneren Turmpfeilers eine Mehrbelastung von
454500 kg oder 2 kg auf den qcm auszuüben in
der Lage sein.

Südseite.

Abb. i3. Pfeilergrundriss.

Unter Voraussetzung der vorhin entwickelten
Theorie würden also ganz gewaltige Drucke den
benachbarten Stützen und sodann auch dem ersten
Schiffspfeiler zugeführt werden können. Die durch
die Schwingungen der Glocken und durch Erdbeben
entstehenden auf die Fundamente wirkenden Kräfte
sind rechnerisch schwierig zu ermitteln, die durch
Horizontalpendel am Fundament des Turmpfeilers
ermittelten Schwingungskurven geben aber in ihrem

Vergleich einiger-
massen ein Bild
für die Wirkung
auch dieser Kräfte
(Abb. 20). Das
Läuten der Glocke
oberhalb der Platt-
form, sowie der
grossen Glocke im
Glockengeschoss
zwischen den Tür-
men ist bereits seit
einigen Jahren ein-
gestellt.

Nach allem kann
man wohl anneh-
men, dass die Zer-
störung des Schiffs-
pfeilers bereits seit
langer Zeit, min-
destens aber seit
der Vollendung des
Turmbaues begon-
nen hat. Massge-
bend war dafür
neben der kon-
struktiven Über-
lastung auch der
Zeitpunkt desNach-
gebens des Bodens
infolge Verfaulens der Grundpfähle. Letzteres war
vermutlich die Folge von Senkungen des Grund-
wasserstandes.

Aus dem Jahre i665 besitzen wir Mitteilungen
des damaligen Werkmeisters Hans Heckler, welcher
durch Aufgrabungen den Zustand der Fundamente
des Turmes festgestellt hat. Er hat seine Auf-
grabungen am Äusseren des Münsters zwischen den
südlichen Strebepfeilern des Südturms gemacht,
infolgedessen er nur die jüngeren Verstärkungs-
mauern, nicht aber das ältere Fundament und eben-
sowenig die Pfähle unter demselben sehen konnte.

Er berichtet:

»Auch unter dem Thurmsfundament kein einziger
Pfahl, wie in anderen Fundament gefunden worden.—

— Fundamentbeschreibung ist diese bey der
 
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