DIE WESTEMPORE UND DIE SEITENEMPOREN
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verschiedene Ergomukia, goldene Gemmenkreuze und Evangelienbücher". Diese Aus-
schmückung erinnert stark an die im Tribunal und läßt vermuten, daß sich in der West-
empore wie auf dem Heliakon die sarazenischen Gäste aufhielten und daß beide aus
diesem Anlaß besonders geschmückt wurden351.
Der Mittelteil der Westempore ist der Ort innerhalb und zugleich außerhalb der
Kirche, von dem aus man diese am besten überschauen kann. Er ist aber auch am weite-
sten entfernt vom liturgischen Geschehen, und wenn wir uns nun seine oben geschilderte
reiche Ausschmückung vorstellen, so gewinnt er den Charakter einer Schautribüne —
auch vom Mittelschiff aus betrachtet.
Die architektonische Form der Westempore mit ihrem ungewöhnlich breiten Tonnen-
gewölbe, den lang ausgedehnten Wandflächen zwischen den Bogenöffnungen und der
betont einfachen Inkrustation, die mit ihren horizontal verlaufenden Bändern die
Längsrichtung des Raumes betont, bildet den größten Gegensatz zu der Gliederung der
seitlichen Emporen, die diese in mehrere große und kleine Kompartimente aufteilt. Von
den Seitenemporen aus gesehen sind die nördlichen und südlichen Bogenöffnungen
Durchlässe durch eine westliche Wand, die durch Vorhänge an den Querbalken eben
dieser Durchgänge von Anfang an ganz abgeschlossen werden konnte352. Es könnte
sein, daß die Möglichkeit, die Westempore abzuschließen von den seitlich anschließen-
den Hallen, die sie zugleich verteilend und überleitend verbindet, ihre Funktion teil-
weise bestimmte.
Problematisch ist die Deutung des Mosaiks im Fußboden des Mittelteiles. Den
Platz der Kaiserin hob es nicht hervor — schon die weite Entfernung von Ambon und
Altarraum würde hieran Zweifel aufkommen lassen —, zudem tragen die Doppelsäulen
des Mittelteils als einzige der Emporen keine Kaisermonogramme an der Mittelschiff-
seite. Hinzu kommt, daß die dominierende Farbe des Mosaiks grün ist353, und wir
kennen bis jetzt nur einen Fall, wo diese Farbe einen Platz des Kaisers hervorhebt:
Wenn er von der Magnaura aus eine Bußansprache an das Volk hält, steht der Kaiser
auf einer grünen Marmorplatte354. Welche Funktion aber hatte die grüne Marmor-
platte, die in der östlichen Seite des Mosaikrahmens sitzt, wohl in zweiter Verwendung?
Grün ist die Schwelle der Kaisertür, und grüne Marmorbänder unterteilen das Mittel-
schiff in horizontaler Richtung. Sie grenzen voneinander ab: Den Altarraum mit den
östlichen Konchen, den Bereich des Ambon, den Raum hinter ihm und den Teil des
Mittelschiffs, der zwischen ihm und den Kaisertüren liegt, sie waren also wohl litur-
gisch bedingt. Doch wissen wir zu wenig über Grün als liturgische Farbe355, um nun
351 Vgl. die Schilderung der russischen Gesandtschaft in der Nestorchronik (Tschizewskij,
Die Nestor-Chronik, Slavistische Studienbücher VI, 1969, 105), die Schlumberger, Epopee
I 709 übersetzte.
352 Eine Radiocarbon-Analyse der hölzernen Querbalken ergab, daß sie schon der justiniani-
schen Zeit angehören. Siehe C. D. Sheppard, A Radiocarbon Date for the Wooden Tie
Beams in the West Gallery of St. Sophia, Istanbul, DOP 19, 1965, 238.
353 Gute Abbildungen bei Antoniades, Ekphrasis II 286, Abb. 354; Salzenberg, Baudenk-
male Tf. XXI.
354 De cer. I 27, 155, 5—6, dazu Treitinger 60 und 60, Anm. 64: „Grün ist keine kaiserliche
Farbe“.
355 G. Braun, Die liturgische Gewandung in Occident und Orient (Freiburg 1907) 728—752
(Westen). Im Westen entstand ein liturgischer Farbenkanon erst in der 2. Hälfte des
12. Jhs., aus dem Osten ist kein derartiger Kanon bekannt (a. O. 753).
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verschiedene Ergomukia, goldene Gemmenkreuze und Evangelienbücher". Diese Aus-
schmückung erinnert stark an die im Tribunal und läßt vermuten, daß sich in der West-
empore wie auf dem Heliakon die sarazenischen Gäste aufhielten und daß beide aus
diesem Anlaß besonders geschmückt wurden351.
Der Mittelteil der Westempore ist der Ort innerhalb und zugleich außerhalb der
Kirche, von dem aus man diese am besten überschauen kann. Er ist aber auch am weite-
sten entfernt vom liturgischen Geschehen, und wenn wir uns nun seine oben geschilderte
reiche Ausschmückung vorstellen, so gewinnt er den Charakter einer Schautribüne —
auch vom Mittelschiff aus betrachtet.
Die architektonische Form der Westempore mit ihrem ungewöhnlich breiten Tonnen-
gewölbe, den lang ausgedehnten Wandflächen zwischen den Bogenöffnungen und der
betont einfachen Inkrustation, die mit ihren horizontal verlaufenden Bändern die
Längsrichtung des Raumes betont, bildet den größten Gegensatz zu der Gliederung der
seitlichen Emporen, die diese in mehrere große und kleine Kompartimente aufteilt. Von
den Seitenemporen aus gesehen sind die nördlichen und südlichen Bogenöffnungen
Durchlässe durch eine westliche Wand, die durch Vorhänge an den Querbalken eben
dieser Durchgänge von Anfang an ganz abgeschlossen werden konnte352. Es könnte
sein, daß die Möglichkeit, die Westempore abzuschließen von den seitlich anschließen-
den Hallen, die sie zugleich verteilend und überleitend verbindet, ihre Funktion teil-
weise bestimmte.
Problematisch ist die Deutung des Mosaiks im Fußboden des Mittelteiles. Den
Platz der Kaiserin hob es nicht hervor — schon die weite Entfernung von Ambon und
Altarraum würde hieran Zweifel aufkommen lassen —, zudem tragen die Doppelsäulen
des Mittelteils als einzige der Emporen keine Kaisermonogramme an der Mittelschiff-
seite. Hinzu kommt, daß die dominierende Farbe des Mosaiks grün ist353, und wir
kennen bis jetzt nur einen Fall, wo diese Farbe einen Platz des Kaisers hervorhebt:
Wenn er von der Magnaura aus eine Bußansprache an das Volk hält, steht der Kaiser
auf einer grünen Marmorplatte354. Welche Funktion aber hatte die grüne Marmor-
platte, die in der östlichen Seite des Mosaikrahmens sitzt, wohl in zweiter Verwendung?
Grün ist die Schwelle der Kaisertür, und grüne Marmorbänder unterteilen das Mittel-
schiff in horizontaler Richtung. Sie grenzen voneinander ab: Den Altarraum mit den
östlichen Konchen, den Bereich des Ambon, den Raum hinter ihm und den Teil des
Mittelschiffs, der zwischen ihm und den Kaisertüren liegt, sie waren also wohl litur-
gisch bedingt. Doch wissen wir zu wenig über Grün als liturgische Farbe355, um nun
351 Vgl. die Schilderung der russischen Gesandtschaft in der Nestorchronik (Tschizewskij,
Die Nestor-Chronik, Slavistische Studienbücher VI, 1969, 105), die Schlumberger, Epopee
I 709 übersetzte.
352 Eine Radiocarbon-Analyse der hölzernen Querbalken ergab, daß sie schon der justiniani-
schen Zeit angehören. Siehe C. D. Sheppard, A Radiocarbon Date for the Wooden Tie
Beams in the West Gallery of St. Sophia, Istanbul, DOP 19, 1965, 238.
353 Gute Abbildungen bei Antoniades, Ekphrasis II 286, Abb. 354; Salzenberg, Baudenk-
male Tf. XXI.
354 De cer. I 27, 155, 5—6, dazu Treitinger 60 und 60, Anm. 64: „Grün ist keine kaiserliche
Farbe“.
355 G. Braun, Die liturgische Gewandung in Occident und Orient (Freiburg 1907) 728—752
(Westen). Im Westen entstand ein liturgischer Farbenkanon erst in der 2. Hälfte des
12. Jhs., aus dem Osten ist kein derartiger Kanon bekannt (a. O. 753).