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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0178
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die im Norden auf eine Entstehung nicht vor circa 430
n. Chr. verweisen würden, mit den höchst einfachen Ka-
pitell- und Türformen zusammenpaßt. Im Rückblick auf
die ältesten Kirchen der Antiochene läßt sich diese Frage
folgendermaßen präzisieren:
In der Kirche von Burg Heidar (Taf. 11a. c) wurden
ausschließlich toskanische Kapitelle verwandt und ver-
wiesen, gestützt von der Aussage der Gesamtkonstruk-
tion, auf die Abhängigkeit der ersten Kirchen von der
vorangehenden Hausarchitektur. Im 4./5.Jh. konnte auch
das ionische Kapitell im Kircheninneren vorherrschen,
doch treffen wir öfter die Kombination verschiedener Ka-
pitellformen in einer Säulenreihe an.
Welche Kapitelltypen wurden in den ältesten Häusern
von Ruweiha und Sergilla verwandt, und wie verhalten
sich die Tür- und Architravformen der ältesten Grab- und
Hausbauten zur Baudekoration der Kirchen?
Ich stelle die von Butler aufgenommenen Profanbauten
vor und komme dann auf die Datierung der Kirchen von
El Bära, Ruweiha, Sergilla und Geräde zurück.

Die »Villa« Nr. 1 (Haus 5) in Ruweiha
und die »Villen« Nr. 2, 9 und 18
in Sergilla
EINFÜHRUNG
Bei den oben genannten Häusern von Ruweiha und Ser-
vgilla, die Butler alle in das 4. Jh. datiert, liegt vor der Süd-
fassade eine zweigeschossige Säulenportikus, während in
den zentralen und nördlichen Regionen der Antiochene
im 4.Jh. die doppelte Pfeilerportikus vorherrscht und
selbst die Verbindung von unterer Pfeiler- mit oberer Säu-
lenstellung bis jetzt nicht sicher vor der ersten Hälfte des
5.Jhs. nachgewiesen werden kann987).
In Ruweiha, Geräde und Sergilla gibt es Hausbauten,
die sowohl in der Form ihrer Portiken wie in der Gestal-
tung der doppelgeschossigen Südfassade älter als die ge-
nannten Villen erscheinen. So sind zum Beispiel die Kapi-
telle der Portiken des »Marktes« von Ruweiha (Haus
22 )988) ohne Ornament, und ihr Architrav ist glatt, d.h.
im Gegensatz zu dem der »Villa Nr. 1« (Haus 5)989) am
gleichen Ort mit ihren reich ornamentierten Kapitellen
(Taf. 64a-c. e) nicht profiliert. Den vergleichbaren Be-
fund eines Hauses in Sergilla habe ich bei der Diskussion
der Konsolenkapitelle genannt990).
Die systematische Aufnahme und Untersuchung der
Hausbauten durch das Institut Frangais hat begonnen,
und erste Ergebnisse wurden publiziert. Wir verfügen
aber noch nicht über Kriterien, die es ermöglichen, inner-

halb eines halben Jahrhunderts genauer zu datieren, und
d. h. die Unterschiede zwischen gleichzeitig entstehenden
Bauten zu beurteilen. Vor allem gibt es noch keinen siche-
ren Anhaltspunkt dafür, daß die Baudekoration bei
Hausbauten des G. Zäwiye im 4. und frühen 5. Jh. weiter
entwickelt war als in den zentralen und nördlichen Re-
gionen der Antiochene.
In jüngster Zeit haben Sodini und Täte in ihrer typolo-
gischen Studie zu Recht auf die zunehmend reiche Gliede-
rung und Ausstattung der Fassade durch Horizontalge-
simse und ihre Bedeutung für die Datierung der einzelnen
Bauten hingewiesen991). Bei ihrer Rekonstruktion der
drei großen Etappen der Entwicklung gingen sie jedoch
von der nicht haltbaren Jahresangabe von 396 n. Chr. für
die »Villa Nr. 1« (Haus 5) (Taf. 64a-d) von Ruweiha aus
und kamen so zu einer nicht gesicherten Frühdatierung
der Phase II in der Ausgestaltung der Fassaden.
Nicht nur die Angleichung beider Geschosse durch die
Säulenstellung, sondern auch die Form ihrer Kapitelle
und Türen sind bei den »Villen« aus Ruweiha und
Sergilla weitaus aufwendiger als bei Häusern der zweiten
Hälfte des 4.Jhs. im Norden der Antiochene. Darüber
hinaus sind sie auch den vier vorgestellten Kirchen entwe-
der gleichgestellt oder übertreffen sie. Damit stellt sich
die Frage, ob den ältesten erhaltenen Kirchen des G.
Zäwiye wirklich Hausbauten vorangingen oder sie zeit-
lich begleiteten, die die Baudekoration der Kirchen er-
staunlich einfach erscheinen lassen, und d.h. für die
wohlhabenden Orte einen größeren Aufwand bei den
Haus- als bei den Kirchenbauten dokumentieren wür-
den.
Butler ergänzte während der zweiten Expedition die
Aufnahmen von de Vogüe und Duthoit durch eine ge-
nauere Untersuchung mehrerer Häuser, unter denen für
unsere Fragestellung die drei genannten Häuser in
Sergilla und die »Villa« Nr. 1 (Haus 5) von Ruweiha
herausragen. Alle Bauten blieben-die »Villa« Nr. 18 von
Sergilla ausgenommen - in etwa so erhalten, wie sie But-
ler 1905 antraf. Um sie mit den Kirchenkapitellen verglei-
chen zu können, haben wir einige der Hauskapitelle in
den Hauptmaßen aufgenommen.
Die »Villa« Nr. 1 von Ruweiha steht am Anfang unse-
rer Untersuchung, weil die Datierung der anderen »Vil-
len« aufs engste mit dem überlieferten Baudatum des
Baus von Ruweiha zusammenhängt.

987) Dazu S. 72 ff.
988) AAES II 128; Sodini - Täte, Maisons 390.
989) a.O. 391.
990) Hier Taf. 60 d und S. 150.
991) a.O. 384f. und Abb. 65.

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