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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0179
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Ruweiha: »Villa« Nr. 1 (Haus 5992)
Sie liegt an der Peripherie des Ortes und ist, trotz des
Einbaus eines Hauses in neuerer Zeit, noch in etwa so er-
halten wie zur Zeit der ersten amerikanischen Expedi-
tion. Butler stellte sie in Grundriß und ausführlicher Be-
schreibung vor und datierte sie nach der Inschrift einer
monumentalen Eingangsanlage in der Westwand des
südlichen Hofes auf das Jahr 396 n. Chr.
Die Jahresangabe der Inschrift ist, wie Prentice993)
hervorhob, »not altogether certain«, denn nur die Jahr-
hundertzahl ist sicher zu lesen. Ich konnte an Ort und
Stelle feststellen, daß die ersten beiden Buchstaben des
Datums weggebrochen sind und keine sichere Rekon-
struktion des Datums erlauben. Zudem sprechen die Ge-
samtform der Tür und die Dekoration ihres Gebälks ent-
schieden gegen das Ende des 4. oder die ersten Jahrzehnte
des 5. Jhs.994).
Es ist also mehr als nur fraglich, daß der Torbau im
4.Jh. errichtet wurde, und zu diskutieren ist, ob er noch
der ersten oder schon der zweiten Hälfte des 5.Jhs. an-
gehört. Darüber hinaus müßte noch geklärt werden, ob
Südhof und Villa gleichzeitig entstanden995). Die nicht
gesicherte Lesung der Inschrift wiegt schwer, da bei kei-
nem der bis jetzt bekannten frühen Hausbauten des Ge-
bel Zäwiye eine Inschrift mit Jahresangabe gefunden
wurde996).
Die Architrave (Taf. 64a. b) der doppelgeschossigen
Portikus werden in beiden Geschossen von Säulen getra-
gen. Die Kapitelle des Untergeschosses sind, bis auf ein
ionisches Kapitell (Taf. 64c), Varianten des toskanischen
Kapitells (Taf. 64a. b. e), während im Obergeschoß wohl
das korinthische Kapitell mit glattem Akanthus domi-
nierte.997) Bei den unteren Kapitellen sind an die Kapitell-
rückseite in voller Höhe mächtige Konsolen (Taf. 64a)
angearbeitet, auf denen die steinernen Querbalken der
unteren Decke auflagerten.
Unter den Varianten des toskanischen Kapitells ist das
in den Kirchen von Ruweiha und Sergilla herrschende
Kapitell mit glattem undekoriertem Echinus oder einfa-
chem cyma recta (Taf. 62e; 63c. d) nicht vertreten. Maße
der Kapitelle mit Eckblättern (Taf. 64b): H 44,5/45,5.
uD 47,5/48. HKh 19/21. HE 16/17,5. BD 55/59,5. TD
mit Konsolen 79/81. Maße der Kapitelle mit Flechtband
(Taf. 64 a. e): H 44. uD 47,5. HKh 21. HE 15 (mit
Rundstab). BD 57,5 TD 78. Den geraden Echinus
schmücken ein Flechtband mit wechselnden Füllorna-
menten (Taf. 64a. e), ein reiches, auf den Kapitellhals
übergreifendes Medaillon oder die Verbindung von bei-
den Ornamentformen. Die Varianten mit profiliertem
Echinus sind etwas reicher ausgebildet als die Kirchen-
kapitelle. In den Diagonalen sitzen schmale, die volle
Höhe des Echinus einnehmende Blätter, und in einem Fall
zeigt der Echinus ein mittleres, von flachen Leisten ge-
rahmtes cyma, dessen konvexe Wölbung abgeflacht ist,

im anderen nimmt ein hohes, unten zur Leiste abgeflach-
tes cyma den ganzen Echinus ein. Eine Sonderform zeigt
das dritte Kapitell (Taf. 64b) mit Diagonalblättern und
Christogramm auf dem Echinus: Die Blätter setzen an der
Kapitellbasis an, reichen aber nicht bis zu den Kapitell-
ecken hinauf, denn der Raum unter der Deckplatte wird
durch kleine Doppelvoluten gefüllt. Zwei Elemente, in
ihrer Funktion als Verstärkung der Abakusecken aus Ka-
pitellen der Antiochene bekannt997), treten hier in deko-
rativer Weise bei einem Kapitell auf.
Das ionische Kapitell (Taf. 64c), auf dessen niedrigem
Echinus ein Kreuzmedaillon mit Perlenschmuck sitzt, er-
innert mit seinen zwar nicht über die Deckplatte hinaus-
tretenden, aber auf den Kapitellhals übergreifenden Vo-
luten und Zwickelpalmetten an Kapitelle des 5.Jhs. in
den zentralen Regionen der Antiochene.
Von den korinthischen Kapitellen des Obergeschosses
waren nur zwei aufzufinden. Sie besitzen beide einen Sca-
millus und sind in der obersten Kapitellzone stark be-
schädigt. Die Maße sind: H 43. uD 37,6. HuB 17.
HoB 11. DS 38,5. Die Tatsache, daß die Zone der obe-
ren, an der Kapitellbasis ansetzenden Blätter niedriger ist
als der untere Blattkranz, und der hohe Raum zwischen
ihnen und der Deckplatte lassen vermuten, daß die ober-
ste Kapitellzone weitgehend der der Kapitelle im Haus
Nr. 18 von Sergilla (Taf. 63h) entsprach.
Die Türen beider Geschosse sind ohne profilierte Sei-
tengewände, aber mit reicheren Gebälkformen gearbei-
tet. Es dominiert (Taf. 62c) das Gebälk mit cyma recta,
zwei niedrigen unteren Faszien (Leisten) und einem ho-
hen, bei zwei Türen als tabula ansata ausgebildeten Fries.
Auffallend ist, daß die mittlere Tür des Untergeschosses
in ihrem Gebälk der auf 431 datierten Tür von Kauka-
näyä vergleichbar ist: Den tabula ansata-Fries flankieren
Kreuzmedaillons, und das Gebälk zeigt die Folge von
cyma recta, unterer Leiste und Zahnschnitt. Das
Hauptmedaillon, mit seinem Kreuz in doppeltem
Schnurbandkreis, der unten im Schifferknoten endet,
führt zu einem Medaillon der westlichen Haupttür der
Kirche von Ruweiha. Bemerkenswert sind das Horizon-
talgesims in Höhe der Fensterbank und die Nischen seit-
lich der unteren Haupttür. Die Fassadengliederung mit
Horizontalgesims und kleinen Nischen findet sich nur im
Untergeschoß, und Sodini-Täte folgern daraus zu Recht,
daß dieses Haus vor den Bauten mit Gesimsen in beiden
Geschossen entstand998). Der untere Architrav (Taf. 64a)
992) AAES II 122 ff.; Sodini - Täte, Maisons 384 f.
993) AAES III Nr. 264.
994) Vergleichbar ist z.B. die Tür von Mugleyya bei de Vogüe, Taf.
46,2.
995) Die Frühdatierung der monumentalen Eingangsanlage ist von
einer über die Hausbauten hinausführenden Tragweite.
996) Dazu AAES II 123.
997) Dazu S. 37. 72 f.
998) Sodini - Täte, Maisons 385.

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