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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0091
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Gruppe I.
Bauten, in denen voluminöse, in hohem Relief gearbeitete
Blatt- und Rankenformen dominieren

MECEZ (IKHKHENIS)
In diesem bedeutenden Ort der größten inneren Ebene
des Gebel Bärisä297 (Karte 1. 2) blieben die Kirche des
5. und die westlich von ihr errichtete Kirche des 6. Jahr-
hunderts so gut erhalten, daß sie in den Hauptzügen
rekonstruierbar sind. Doch die in Band I vorgestellte Kir-
che des 5. Jhs.298 wie auch der Bau des 6. Jhs. gingen
zwar in kurzen Beschreibungen in die bisher vorliegen-
den Publikationen ein, es fehlen aber grabungsgestützte
Aufnahmen zu Grundriß und Aufriß, die wegen der kon-
tinuierlichen Ausplünderung des Bestandes dringend
erforderlich wären. Die bisher einzige Diskussion der
Hauptbauten des Ortes hat G. Tchalenko 1953 in den
„Villages antiques“299 vorgelegt, und einige wichtige
Beobachtungen zur Kirche des 6. Jhs. verdanken wir
dem Reisebericht von R. Mattern300. Der Ort wurde in
das Inventar des Gebel Bärisä aufgenommen301.
Die Westkirche
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika mit je sechs
Säulenjochen auf der N- und S-Seite, halbrunder Apsis
mit südlichem Martyrion und nördlichem Nebenraum
bei gerade abschließender O-Wand (Taf. 53b. d), zwei
Türen in der S- und N-Wand sowie einer zentralen Tür
in der W-Fassade. Die im Versturz erhaltenen Elemente
und die noch anstehende SW-Ecke des Baus sichern, daß
alle Außenwände der Kirche ein fortlaufendes, Fenster
und Türen übergreifenes Gesims besaßen (Taf. 53a. c),
das jedoch nicht mit einem Horizontalgesims in Höhe
der Fenstersohlbank verbunden war. Mit der älteren
Ostkirche verbinden den Bau die gerade abschließende
O-Wand, das auf gleicher Höhe umlaufende Fassadenge-
sims und Einzelformen wie die kannelierten Pilaster der
Apsis (Taf. 53b). Auffallend ist die kleine Nischenöff-
nung im Südteil des Apsisrundes. Als weitere Sonder-
form fällt das über der W-Tür des Diakonikums liegende
„Fenster“ mit reichem, beidseitig in Voluten endendem
Gesims auf, das zur Zeit der Reise von Mattern noch in
situ war302.
Erhaltungszustand. Im Ostteil der Kirche waren
1974-1979 noch in situ: Das Apsisrund bis zur siebten
Quaderlage oberhalb des Apsisinnengesimses (Taf. 53b.
d), das nördliche Kapitell des Apsisbogens mit den ersten
fünf Lagen des Apsisrundes und der Archivolte an ihrer
Stirnseite, die nordöstliche Pfeilervorlage ohne ihr be-
krönendes Kapitell, die unteren Lagen der Mauern des

nördlichen Nebenraumes und die Seitengewände seiner
W-Tür, die unteren Quaderlagen der Mauern des süd-
lichen Apsisnebenraumes (Taf. 53d), die SW-Ecke der
Kirche und die unteren Quaderlagen der Seitengewände
von SW-, SO- und NW-Tür, sowie die Ostwand mit den
drei Außenfenstern der Apsis (Taf. 53a), den unteren
Quaderlagen der beiden Nebenräume und den südlich
anschließenden Neben- und Anbauten des Südbereichs.
Eingestürzt sind die Säulenarkaden-Hochwände des
Inneren und die Hauptteile der südlichen, nördlichen
und westlichen Außenwände, doch es blieben zahlreiche
Elemente des Aufrisses in Sturzlage erhalten. Von den
ehemals 10 Säulenkapitellen sind heute nur noch wenige
Fragmente an Ort und Stelle. Ein Teil der Säulenkapitelle
wurde von mir 1971 in Sturzlage photographiert, doch
vor Beginn unserer Aufnahmen, und d. h., schon vor
1975, waren alle gut erhaltenen Stücke in den Antiken-
handel abtranspotiert worden und konnten folglich nicht
mehr detailliert aufgenommen werden. Um so größere
Bedeutung kommt den alten Photos von G. Tchalenko
zu, die er mir 1975 zur Verfügung stellte.
Kapitelle des Apsisbogens und der östlichen Pfeilervorla-
gen. Das in situ befindliche nördliche Apsisbogenkapitell
und das Kapitell der dortigen Pfeilervorlage wurden in
einem Stück gearbeitet, wie der Erhaltungszustand zeigt
(Taf. 53c. d). Es sind korinthische Kapitelle mit detail-
liert ausgearbeitetem Akanthus und drei Blattzonen un-
terschiedlicher Höhe. Auf eine niedrige untere und eine
deutlich höhere mittlere Blattzone folgt eine Reihe ver-
schieden großer Blättchen. Das zentrale Ornamentme-
daillon und der Knauf der profilierten Deckplatte sitzen
nicht in einer Achse. Dies läßt vermuten, daß die Asym-

297 Tchalenko, Villages II Taf. LXXXIX; Inventaire I Karte.
298 Die Datierung der Kirche in das Jahr 512/13 n. Chr. ist mehr als
nur fragwürdig. Sie wird noch einmal wiederholt in Naccache, Decor
I 274. Es sollte jedoch, wie ich in Baudekoration 1131 Anm. 862 aus-
führte, nicht vergessen werden, daß die Inschrift in zweiter Verwen-
dung nördlich von dem Baptisterium gefunden wurde und bestens zu der
Entstehungszeit des SO-Komplexes passen würde. Es liegt also nahe,
mit der Verbreitung ungesicherter Daten bis zur Freilegung der Kir-
che zu warten — sie wird zweifellos weitere Hinweise für die Datierung
ins fortgeschrittene 5. Jh. erbringen.
299 Tchalenko, Villages I 280 ff.
300 Mattern, Villes mortes 125 ff. Taf. XXXIX, 3. 5. XL, 1. 2.
301 Inventaire I 170 ff.
302 Mattern, Villes mortes Taf. XL, 2.

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