Die weich modellierten Blattüberfälle mit schnabel-
förmiger Spitze erinnern intensiv an einzelne Kapitelle in
der Südkirche von Bäfetin und der Ostkirche von
Bäqirhä (Taf. 37b; 50d).
Das zweite Kapitell mit der charakteristischen Ausbil-
dung der obersten Kapitellzone war schon zu Tchalenkos
Zeit schlechter erhalten (Taf. 56a-c). Es kombiniert in
seiner Gesamtform den Typus des korinthischen „Nor-
malkapitells“ mit der eben vorgestellten Kapitellvariante.
Dieser ehemalige Zustand läßt sich heute nur noch mit
den Photos Tchalenkos rekonstruieren, da nach der Hal-
bierung der Kapitelle vor dem Abtransport308 nur noch
Fragmente des Kapitells an Ort und Stelle verblieben.
Leider muß offenbleiben, ob sich die Varianten ur-
sprünglich gegenüberstanden, d. h., ob auf der Vorder-
und Rückseite oder allein auf einer Seite die oberste
Kapitellzone von den Blattkränzen vorbauchend abge-
setzt war.
Wahrscheinlich ist dagegen, daß die obere Kapitell-
zone von oben gesehen durchgehend kreisförmig, also
durch eine Wölbung an die anderen Seiten angeglichen
war. Auch bei diesem Kapitell treten die Abakusknäufe
entschieden hinter den oberen Kreisrand zurück, und die
Deckplatte springt allein in den Kapitellecken akzentu-
iert vor.
Trotz seines schlechten Erhaltungszustandes läßt das
Kapitell eine hohe Präzision und viel Erfahrung bei der
Ausarbeitung aller Einzelformen erkennen - ein hand-
werkliches Können, das der besonderen Ausgestaltung
einzelner Formen besonderes Gewicht verleiht. Die feine
Kerbung aller Blattelemente (Taf. 56d-f) erinnert unmit-
telbar an die Kapitelle in Aleppo und kontrastiert erheb-
lich mit den anderen Kapitellen der Kirche.
Besonders auffallend ist, daß die Sonderformen dieses
Kapitells - die Blattranke des Kreisrundes; die gekerbte,
dreizackige Caulesspitze; die Wiederholung der „Doppel-
wedel“ (Typ 2 f) in allen drei Blattzonen (Taf. 56a. c. d);
die einen weiten Bogen bildenden Blattstege des unteren
Blattkranzes (Taf. 56a. b) - sich bei keinem der anderen
Kapitelle wiederholen. Da wir diese Einzelformen in kei-
ner der bis jetzt vorgestellten Kirchen vorfanden und sie
das Bild der glatt ausgeführten Rankenmotive in der
Madrasa al Hallawiya und in den Kirchen von El Bärä
und Bäfetin ergänzen, seien sie genauer beschrieben:
Von den glatten, scharfkantigen Mittelstegen zweigen
im unteren Blattkranz zwei Blattstege ab. Der untere
wird von tiefer Negativrille gespalten und teilt sich nach
einem kleinen oberen Quersteg (Taf. 56e) in zwei nach
oben bzw. unten und zur Blattmitte hin einschwingende
Rankenelemente mit augenbildenden Innenzacken.
Diese reich gezackten Blattwedel füllen den Raum neben
dem gleichsam entblätterten Mittelsteg. Der zweite Steg
ist glatt, doch auch seine Spitze gabelt sich auf und ent-
sendet ein Blatt, das zur Blattspitze einschwingt, wäh-
rend der Steg selbst sich mit dem des benachbarten
Blattes zu einem weit überdachenden Bogen zusam-
menschließt (Taf. 56a). Bei den Hochblättern wiederholt
sich diese Blattform, doch fehlt dort der zweite Blattsteg
mit dem Einzelblatt, und die Caulesspitze setzt direkt in
Höhe des Blattüberfalls an - der obere Kranz ist also auf-
fallenderweise einfacher gestaltet.
Die Austauschbarkeit der Grundelemente ist bei die-
sem Kapitell besonders ausgeprägt, da auf der Nebenseite
Rankenelemente von Typ 2f (Abb. 2f) an der Stelle der
„Caules“ und „Hüllblätter“ erscheinen (Taf. 56a. c. d).
Das große der erhaltenen Fragmente (Taf. 56d) zeigt,
daß die Rankenelemente seitlich von dreigezackten
„Caules“ angeordnet waren. Im Blick auf die Rankenfor-
men des Arkadenkapitells von El Bärä (Taf. 23c) ist zu
bedauern, daß wir nicht wissen, wie die oberste Zone der
vierten Kapitellseite gebildet war.
Mit der nicht rekonstruierbaren vierten Seite ist eine
wichtige Frage verbunden: eines der Kapitellfragmente
(Taf. 56f) führt eine Ausbildung der obersten Kapitell-
zone vor, deren Caules und Hüllblätter bis jetzt auf kei-
nem Kapitell angetroffen wurden. Wenn dieses Fragment
zu dem vorgehend vorgestellten Kapitell gehörte, dann
war bei diesem jede Kapitellseite anders ausgebildet.
Wenn es aber zu einem weiteren Kapitell gehörte, dann
gab es zwei Kapitelle, die sich in der äußerst feinen und
geübten Ausarbeitung ihrer Blattformen von den rest-
lichen Kapitellen abhoben.
Erhalten blieben ein Diagonalblatt und ein neben ihm
aufsteigender tütenförmiger Caules mit einem Paar nach
unten einschwingender Stengel mit Blattspitze, in deren
Zwickel spitz gezackte und fein gekerbte Blättchen lie-
gen. Die akanthisierten „Volutenpaare“ erinnern un-
mittelbar an das windbewegte Kapitell in der Transept-
kirche (Taf. 23a. b) und darüber hinaus an zahlreiche
Parallelen in der Baudekoration Nordmesopotamiens
(z. B. Taf. 84c)309. Die Blattform der Hochblätter ist uns
bereits bei zwei Kapitellen begegnet (Taf. 54a; 55b),
doch wurde sie dort mit gebuchteten Blattlappen, in ho-
hem Relief gearbeitet, während sie in dem Fragment den
entsprechenden Blattformen der Hallawiya und der
Transeptkirche nahesteht (Taf. 6a. c; 27a. b).
Korinthische Kapitelle mit durchgehend glatt ausgearbei-
teten Blattformen. Auf einem Kapitell dominiert die
Blattform mit gestaffelten negativen Dreiecksmustern
von Typ 1 m und Iq (Abb. 1), auf dem anderen die
Blattform mit Dreiecksmustern von Typ le (Abb. 1).
Das eine Kapitell zeigt ein Photo Tchalenkos in gutem
und eine Aufnahme von 1975 in etwas schlechterem
Zustand (Taf. 54c. d), von dem anderen blieb nur ein
308 Diese Teilung großformatiger Kapitelle konnte ich bei zwei Kapi-
tellen der Westkirche von Bäfetin beobachten. Bei Ankunft im Anti-
kenhandel werden sie wieder „zusammengesetzt“.
309 Siehe auch Brands, ResafaTaf. 68e. 69a-d. 71d. 72a-c.
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förmiger Spitze erinnern intensiv an einzelne Kapitelle in
der Südkirche von Bäfetin und der Ostkirche von
Bäqirhä (Taf. 37b; 50d).
Das zweite Kapitell mit der charakteristischen Ausbil-
dung der obersten Kapitellzone war schon zu Tchalenkos
Zeit schlechter erhalten (Taf. 56a-c). Es kombiniert in
seiner Gesamtform den Typus des korinthischen „Nor-
malkapitells“ mit der eben vorgestellten Kapitellvariante.
Dieser ehemalige Zustand läßt sich heute nur noch mit
den Photos Tchalenkos rekonstruieren, da nach der Hal-
bierung der Kapitelle vor dem Abtransport308 nur noch
Fragmente des Kapitells an Ort und Stelle verblieben.
Leider muß offenbleiben, ob sich die Varianten ur-
sprünglich gegenüberstanden, d. h., ob auf der Vorder-
und Rückseite oder allein auf einer Seite die oberste
Kapitellzone von den Blattkränzen vorbauchend abge-
setzt war.
Wahrscheinlich ist dagegen, daß die obere Kapitell-
zone von oben gesehen durchgehend kreisförmig, also
durch eine Wölbung an die anderen Seiten angeglichen
war. Auch bei diesem Kapitell treten die Abakusknäufe
entschieden hinter den oberen Kreisrand zurück, und die
Deckplatte springt allein in den Kapitellecken akzentu-
iert vor.
Trotz seines schlechten Erhaltungszustandes läßt das
Kapitell eine hohe Präzision und viel Erfahrung bei der
Ausarbeitung aller Einzelformen erkennen - ein hand-
werkliches Können, das der besonderen Ausgestaltung
einzelner Formen besonderes Gewicht verleiht. Die feine
Kerbung aller Blattelemente (Taf. 56d-f) erinnert unmit-
telbar an die Kapitelle in Aleppo und kontrastiert erheb-
lich mit den anderen Kapitellen der Kirche.
Besonders auffallend ist, daß die Sonderformen dieses
Kapitells - die Blattranke des Kreisrundes; die gekerbte,
dreizackige Caulesspitze; die Wiederholung der „Doppel-
wedel“ (Typ 2 f) in allen drei Blattzonen (Taf. 56a. c. d);
die einen weiten Bogen bildenden Blattstege des unteren
Blattkranzes (Taf. 56a. b) - sich bei keinem der anderen
Kapitelle wiederholen. Da wir diese Einzelformen in kei-
ner der bis jetzt vorgestellten Kirchen vorfanden und sie
das Bild der glatt ausgeführten Rankenmotive in der
Madrasa al Hallawiya und in den Kirchen von El Bärä
und Bäfetin ergänzen, seien sie genauer beschrieben:
Von den glatten, scharfkantigen Mittelstegen zweigen
im unteren Blattkranz zwei Blattstege ab. Der untere
wird von tiefer Negativrille gespalten und teilt sich nach
einem kleinen oberen Quersteg (Taf. 56e) in zwei nach
oben bzw. unten und zur Blattmitte hin einschwingende
Rankenelemente mit augenbildenden Innenzacken.
Diese reich gezackten Blattwedel füllen den Raum neben
dem gleichsam entblätterten Mittelsteg. Der zweite Steg
ist glatt, doch auch seine Spitze gabelt sich auf und ent-
sendet ein Blatt, das zur Blattspitze einschwingt, wäh-
rend der Steg selbst sich mit dem des benachbarten
Blattes zu einem weit überdachenden Bogen zusam-
menschließt (Taf. 56a). Bei den Hochblättern wiederholt
sich diese Blattform, doch fehlt dort der zweite Blattsteg
mit dem Einzelblatt, und die Caulesspitze setzt direkt in
Höhe des Blattüberfalls an - der obere Kranz ist also auf-
fallenderweise einfacher gestaltet.
Die Austauschbarkeit der Grundelemente ist bei die-
sem Kapitell besonders ausgeprägt, da auf der Nebenseite
Rankenelemente von Typ 2f (Abb. 2f) an der Stelle der
„Caules“ und „Hüllblätter“ erscheinen (Taf. 56a. c. d).
Das große der erhaltenen Fragmente (Taf. 56d) zeigt,
daß die Rankenelemente seitlich von dreigezackten
„Caules“ angeordnet waren. Im Blick auf die Rankenfor-
men des Arkadenkapitells von El Bärä (Taf. 23c) ist zu
bedauern, daß wir nicht wissen, wie die oberste Zone der
vierten Kapitellseite gebildet war.
Mit der nicht rekonstruierbaren vierten Seite ist eine
wichtige Frage verbunden: eines der Kapitellfragmente
(Taf. 56f) führt eine Ausbildung der obersten Kapitell-
zone vor, deren Caules und Hüllblätter bis jetzt auf kei-
nem Kapitell angetroffen wurden. Wenn dieses Fragment
zu dem vorgehend vorgestellten Kapitell gehörte, dann
war bei diesem jede Kapitellseite anders ausgebildet.
Wenn es aber zu einem weiteren Kapitell gehörte, dann
gab es zwei Kapitelle, die sich in der äußerst feinen und
geübten Ausarbeitung ihrer Blattformen von den rest-
lichen Kapitellen abhoben.
Erhalten blieben ein Diagonalblatt und ein neben ihm
aufsteigender tütenförmiger Caules mit einem Paar nach
unten einschwingender Stengel mit Blattspitze, in deren
Zwickel spitz gezackte und fein gekerbte Blättchen lie-
gen. Die akanthisierten „Volutenpaare“ erinnern un-
mittelbar an das windbewegte Kapitell in der Transept-
kirche (Taf. 23a. b) und darüber hinaus an zahlreiche
Parallelen in der Baudekoration Nordmesopotamiens
(z. B. Taf. 84c)309. Die Blattform der Hochblätter ist uns
bereits bei zwei Kapitellen begegnet (Taf. 54a; 55b),
doch wurde sie dort mit gebuchteten Blattlappen, in ho-
hem Relief gearbeitet, während sie in dem Fragment den
entsprechenden Blattformen der Hallawiya und der
Transeptkirche nahesteht (Taf. 6a. c; 27a. b).
Korinthische Kapitelle mit durchgehend glatt ausgearbei-
teten Blattformen. Auf einem Kapitell dominiert die
Blattform mit gestaffelten negativen Dreiecksmustern
von Typ 1 m und Iq (Abb. 1), auf dem anderen die
Blattform mit Dreiecksmustern von Typ le (Abb. 1).
Das eine Kapitell zeigt ein Photo Tchalenkos in gutem
und eine Aufnahme von 1975 in etwas schlechterem
Zustand (Taf. 54c. d), von dem anderen blieb nur ein
308 Diese Teilung großformatiger Kapitelle konnte ich bei zwei Kapi-
tellen der Westkirche von Bäfetin beobachten. Bei Ankunft im Anti-
kenhandel werden sie wieder „zusammengesetzt“.
309 Siehe auch Brands, ResafaTaf. 68e. 69a-d. 71d. 72a-c.
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