Lokale Werkgruppen in den zentralen Regionen
der Antiochene: Fortsetzung der Traditionen des
5. Jahrhunderts und Auseinandersetzung mit der
Formenwelt von Qalcat Simcän
Blicken wir zurück auf das 5. Jahrhundert, so sind bei
den Kirchen mit glatt ausgearbeiteten korinthischen
Kapitellen als Hauptform des Innenraumes die wichtig-
sten Neuerungen der Baudekoration in der Veränderung
des Verhältnisses zwischen Innen- und Außenbau und
der Position korinthischer Säulenkapitelle im Kirchen-
inneren zu fassen.
Noch in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts waren
einfache Fenstergesimse in den Kirchen aller Regionen
der Antiochene eine Seltenheit - im 6. Jahrhundert tre-
ten sie in großer Variationsbreite auf und sind bei einer
großen Anzahl von Kirchen Hauptelement der Fassaden-
dekoration. Ebenso hat sich das Gesamtbild der Türen
grundlegend verändert: Türen mit umlaufenden Rah-
menprofilen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern
häufig anzutreffen, und nicht nur ihre Profifolgen, son-
dern auch ihre Ornamentik führen weit über den Befund
des 5. Jahrhunderts hinaus.
Infolge der umfassenden Bereicherung der Tür- und
Gesimsformen des Außenbaus wurde dieser so weit-
gehend dem Innenbau angeglichen, daß sich das im
5. Jahrhundert herrschende Verhältnis zwischen den
Dekorationsformen des Innen- und Außenbaus grund-
legend veränderte. Bei dieser Entwicklung spielte es eine
große Rolle, daß ein Hauptelement der Baudekoration
des Zentrums QaFat Simcän in der Regel695 nicht auf die
Kirchen des Kalksteinmassivs überging: die Archivolten-
gesimse der Säulenarkaden des Inneren wie generell der
reiche Archivoltendekor des Innenraumes. Nur ihre in-
tensive Verwendung im Innenraum hätte ein Gegenge-
wicht zu den häufig aufwendigen Außengesimsen auf
den Fassaden sowie in der Hochgadenzone geschaffen -
einige Kirchen Nordmesopotamiens veranschaulichen,
wie tiefgreifend reiche Archivoltenformen das Verhältnis
von Innen und Außenbau verändern können696.
Eine weitere Veränderung in der Hierarchie der Deko-
rationsformen betrifft die Dekoration des Ostteils der
Kirchen. Im 5. Jahrhundert standen die detailliert ausge-
arbeiteten korinthischen Kapitelle der Apsis an der Spitze
der Hierarchie, konnten aber wie im Fall der Kirche von
Behyo durch glatt ausgearbeitete Formen ersetzt und so-
mit dem Gesamtbild der Säulenkapitelle angeglichen
werden. Die Kirchen von Güwämye, Kaukanäyä, Deir
Amman und wohl auch Arsln dokumentieren, daß dieses
Gesamtbild des Innenraumes auf einige Kirchen des
6. Jahrhundert überging. Es gab aber auch Bauten, in
denen korinthischen Säulenkapitellen mit glattem Akan-
thus Apsiskapitelle mit einfachen Profilfolgen gegen-
überstanden (Taf. 105b) und die im 5. Jahrhundert auf-
wendigste Kapitellform, das korinthische Kapitell mit
detailliertem Akanthus, nur im Außenbau verwandt
wurde (Taf. lOle; 149c. d). Ich stelle zusammenfassend
die Ergebnisse zu den einzelnen Kirchen vor, die diese
Veränderungen wenigstens teilweise erklären können,
und beginne mit den Säulenkapitellen:
Das korinthische Kapitell mit glattem Akanthus. Im
5. Jahrhundert war diese Kapitellform lange Zeit die
Hauptform der Säulenkapitelle innerhalb der besten
lokalen Werkstätten in der Antiochene, und selbst in der
Werkstatt des Markianos Kyris wurden erst in der letzten
Kirche ein oder zwei Säulenkapitelle mit durchgehend
detailliert ausgearbeiteten Blattformen in die Säulenstel-
lungen des Kircheninneren aufgenommen697. Ganz an-
ders war der Befund in der Apamene, wo mit den beiden
großen Emporenkirchen von El Bärä eine Situation ent-
standen war, die bis weit in das 6. Jahrhundert hinein
nachwirkte: In den Kirchen der Nacharorte El Bäräs do-
minierten einmal korinthische Kapitelle mit glatten, und ein
andermal Kapitelle mit gekerbten Blattformen, und auch
in der Profanarchitektur waren korinthische Kapitelle
schon in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. häufiger anzutreffen
als in den zentralen und nördlichen Regionen.
In den Jahren nach Fertigstellung der Basilika von
Qalblöze trafen wir in der Antiochene zwei Kirchen an,
in denen Kapitelle mit glattem und mit detailliertem
Akanthus in einer Säulenreihe nebeneinander saßen698,
doch ist faszinierend zu sehen, daß diese Situation nicht
in das 6. Jahrhundert hinein weiterwirkte: Während die
korinthischen Kapitelle der Kirche von Frikya, wie wir
sehen werden, die Tradition der Kirchen von Deir Sam-
bul, Dallöza und Sinsaräh im 6. Jahrhundert fortsetzten,
wurde in den zentralen und nördlichen Regionen bis
jetzt weder eine Kirche angetroffen mit glatt und detail-
liert ausgearbeiteten korinthischen Kapitellen in einer
Säulenreihe noch ein Bau mit detailliert ausgearbeiteten
korinthischen Säulenkapitellen als Hauptform des In-
nenraumes.
Das heißt: Die Anzahl der Kirchen mit korinthischen
Kapitellen als Hauptform des Innenraumes ist in der An-
tiochene im 6. wesentlich größer als im 5. Jahrhundert,
doch auch nach QaFat Simcän wurde nicht das korinthi-
sche Säulenkapitell mit detailliert ausgearbeitetem Akan-
thus, sondern das korinthische Kapitell mit glattem
Akanthus die Hauptform der Säulenkapitelle des Innen-
695 Gesichert sind Archivoltengesimse für die Säulenarkaden des In-
neren der Kirche des NW-Klosters von Deir Simcän. Wir hatten gesehen,
daß die Westkirche von Turin vielleicht ebenfalls diese Gesimse be-
saß, doch ist durch weiterführende Aufnahmen zu überprüfen - siehe
S. 127.
696 Neben den Bärchen Resafas - Brands, Resafa Taf. 53-56; Beilage
26a-c — sind hier z. B. die große Kirche von Deir ez Zaferan und die
Kirche von Mayarfarqin zu nennen.
697 Strube, Baudekoration I 66 ff. Taf. 24b.
150
der Antiochene: Fortsetzung der Traditionen des
5. Jahrhunderts und Auseinandersetzung mit der
Formenwelt von Qalcat Simcän
Blicken wir zurück auf das 5. Jahrhundert, so sind bei
den Kirchen mit glatt ausgearbeiteten korinthischen
Kapitellen als Hauptform des Innenraumes die wichtig-
sten Neuerungen der Baudekoration in der Veränderung
des Verhältnisses zwischen Innen- und Außenbau und
der Position korinthischer Säulenkapitelle im Kirchen-
inneren zu fassen.
Noch in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts waren
einfache Fenstergesimse in den Kirchen aller Regionen
der Antiochene eine Seltenheit - im 6. Jahrhundert tre-
ten sie in großer Variationsbreite auf und sind bei einer
großen Anzahl von Kirchen Hauptelement der Fassaden-
dekoration. Ebenso hat sich das Gesamtbild der Türen
grundlegend verändert: Türen mit umlaufenden Rah-
menprofilen sind nicht mehr die Ausnahme, sondern
häufig anzutreffen, und nicht nur ihre Profifolgen, son-
dern auch ihre Ornamentik führen weit über den Befund
des 5. Jahrhunderts hinaus.
Infolge der umfassenden Bereicherung der Tür- und
Gesimsformen des Außenbaus wurde dieser so weit-
gehend dem Innenbau angeglichen, daß sich das im
5. Jahrhundert herrschende Verhältnis zwischen den
Dekorationsformen des Innen- und Außenbaus grund-
legend veränderte. Bei dieser Entwicklung spielte es eine
große Rolle, daß ein Hauptelement der Baudekoration
des Zentrums QaFat Simcän in der Regel695 nicht auf die
Kirchen des Kalksteinmassivs überging: die Archivolten-
gesimse der Säulenarkaden des Inneren wie generell der
reiche Archivoltendekor des Innenraumes. Nur ihre in-
tensive Verwendung im Innenraum hätte ein Gegenge-
wicht zu den häufig aufwendigen Außengesimsen auf
den Fassaden sowie in der Hochgadenzone geschaffen -
einige Kirchen Nordmesopotamiens veranschaulichen,
wie tiefgreifend reiche Archivoltenformen das Verhältnis
von Innen und Außenbau verändern können696.
Eine weitere Veränderung in der Hierarchie der Deko-
rationsformen betrifft die Dekoration des Ostteils der
Kirchen. Im 5. Jahrhundert standen die detailliert ausge-
arbeiteten korinthischen Kapitelle der Apsis an der Spitze
der Hierarchie, konnten aber wie im Fall der Kirche von
Behyo durch glatt ausgearbeitete Formen ersetzt und so-
mit dem Gesamtbild der Säulenkapitelle angeglichen
werden. Die Kirchen von Güwämye, Kaukanäyä, Deir
Amman und wohl auch Arsln dokumentieren, daß dieses
Gesamtbild des Innenraumes auf einige Kirchen des
6. Jahrhundert überging. Es gab aber auch Bauten, in
denen korinthischen Säulenkapitellen mit glattem Akan-
thus Apsiskapitelle mit einfachen Profilfolgen gegen-
überstanden (Taf. 105b) und die im 5. Jahrhundert auf-
wendigste Kapitellform, das korinthische Kapitell mit
detailliertem Akanthus, nur im Außenbau verwandt
wurde (Taf. lOle; 149c. d). Ich stelle zusammenfassend
die Ergebnisse zu den einzelnen Kirchen vor, die diese
Veränderungen wenigstens teilweise erklären können,
und beginne mit den Säulenkapitellen:
Das korinthische Kapitell mit glattem Akanthus. Im
5. Jahrhundert war diese Kapitellform lange Zeit die
Hauptform der Säulenkapitelle innerhalb der besten
lokalen Werkstätten in der Antiochene, und selbst in der
Werkstatt des Markianos Kyris wurden erst in der letzten
Kirche ein oder zwei Säulenkapitelle mit durchgehend
detailliert ausgearbeiteten Blattformen in die Säulenstel-
lungen des Kircheninneren aufgenommen697. Ganz an-
ders war der Befund in der Apamene, wo mit den beiden
großen Emporenkirchen von El Bärä eine Situation ent-
standen war, die bis weit in das 6. Jahrhundert hinein
nachwirkte: In den Kirchen der Nacharorte El Bäräs do-
minierten einmal korinthische Kapitelle mit glatten, und ein
andermal Kapitelle mit gekerbten Blattformen, und auch
in der Profanarchitektur waren korinthische Kapitelle
schon in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. häufiger anzutreffen
als in den zentralen und nördlichen Regionen.
In den Jahren nach Fertigstellung der Basilika von
Qalblöze trafen wir in der Antiochene zwei Kirchen an,
in denen Kapitelle mit glattem und mit detailliertem
Akanthus in einer Säulenreihe nebeneinander saßen698,
doch ist faszinierend zu sehen, daß diese Situation nicht
in das 6. Jahrhundert hinein weiterwirkte: Während die
korinthischen Kapitelle der Kirche von Frikya, wie wir
sehen werden, die Tradition der Kirchen von Deir Sam-
bul, Dallöza und Sinsaräh im 6. Jahrhundert fortsetzten,
wurde in den zentralen und nördlichen Regionen bis
jetzt weder eine Kirche angetroffen mit glatt und detail-
liert ausgearbeiteten korinthischen Kapitellen in einer
Säulenreihe noch ein Bau mit detailliert ausgearbeiteten
korinthischen Säulenkapitellen als Hauptform des In-
nenraumes.
Das heißt: Die Anzahl der Kirchen mit korinthischen
Kapitellen als Hauptform des Innenraumes ist in der An-
tiochene im 6. wesentlich größer als im 5. Jahrhundert,
doch auch nach QaFat Simcän wurde nicht das korinthi-
sche Säulenkapitell mit detailliert ausgearbeitetem Akan-
thus, sondern das korinthische Kapitell mit glattem
Akanthus die Hauptform der Säulenkapitelle des Innen-
695 Gesichert sind Archivoltengesimse für die Säulenarkaden des In-
neren der Kirche des NW-Klosters von Deir Simcän. Wir hatten gesehen,
daß die Westkirche von Turin vielleicht ebenfalls diese Gesimse be-
saß, doch ist durch weiterführende Aufnahmen zu überprüfen - siehe
S. 127.
696 Neben den Bärchen Resafas - Brands, Resafa Taf. 53-56; Beilage
26a-c — sind hier z. B. die große Kirche von Deir ez Zaferan und die
Kirche von Mayarfarqin zu nennen.
697 Strube, Baudekoration I 66 ff. Taf. 24b.
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