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Strzygowski, Josef; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts / Ergänzungs-Heft: Die Calenderbilder des Chronographen vom Jahre 354 — Berlin, Band 1.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.24224#0015
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EINLEITUNG.

Der Chronograph v. J. 354 n. Chr. ist für die Geschichte des antiken sowol
wie für die des christlichen Rom öfters behandelt und äufserst fruchtbringend
benutzt worden. Einmal waren seine Consularfasten, das Verzeichnis der Stadt-
präfecten und die notitia regiomtm, das andere Mal die Ostertafel, das Martyrologium
und das Verzeichnis der römischen Bischöfe unschätzbare Quellen der Chronologie.
Dafs auch die Kunstgeschichte in seinem Calender ein Denkmal, und eines der be-
deutendsten der Kunst des vierten Jahrhunderts besitze, ist nicht genügend bekannt.
Die Illustrationen desselben werden zwar hie und da im Zusammenhange historischer
Betrachtungen über die Sammlung oder gelegentlich einmal, da ein Teil bereits seit
dem 17. Jahrhundert publicirt ist, auch in der kunstgeschichtlichen Litteratur gestreift,
nirgends aber mit näherem Interesse besprochen. N. Kondakoff's Verdienst ist es
sie zuerst in die Kette monumentaler Uberlieferung als ein wichtiges Glied ein
gereiht zu haben, indem er seine 1876 russisch erschienene »Geschichte der
byzantinischen Kunst und Ikonographie nach den Miniaturen der Handschriften«
mit unserem Calender beginnt. Mehrere Irrtümer, welche dieses Verdienst nicht
beeinträchtigen, sind in der neuerdings erschienenen französischen Übersetzung
teilweise verbessertDurch dieses Buch, dessen Verdeutschung aus dem Russischen
ich der mehr als liebenswürdigen Bemühung N. Helbig's verdanke, wurde meine
Aufmerksamkeit auf den Calender gelenkt.

Was mich bestimmte ihn auf photographischem Wege zu reproduciren
und zum Gegenstande einer Monographie zu machen, das ist vor allem seine
Bedeutung für die Frage, in welcher Weise sich der Übergang der antiken
Kunst in die christliche vollzogen habe. In den Malereien der Katakomben, den
Skulpturen der Sarkophage tritt uns stets nur die sepulcrale Kunst der ersten
christlichen Jahrhunderte entgegen, die, vorzüglich becinflufst durch die Idee einer
Auferstehung zum ewigen Leben, sich stets in einem eng begrenzten Kreise bewegt.
Ks mufs daher jedes Denkmal, welches, anderen Impulsen folgend, einen Kreis
von Darstellungen bietet, die unabhängig von jenem Ideenkreise entstanden sind,
das Kriterium für die Beurteilung der Genesis der christlichen Kunst in hohem
Grade erweitern. Der Calender v. J. 354 aber ist ein Werk christlicher Profan-
kunst, seine Bilderreihe verkörpert einen guten Teil der Vorstellungen der Christen
des 4. Jahrhunderts dem öffentlichen und täglichen Leben gegenüber.

') Histoire de l'art byzantin considere priitcipalement dam les mlniatiires. Heft I. Paris 1886 in der

Bibl. internat. de l'art.

Jahrb. d. Inst I. Snppl. t
 
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