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vom Gesetz erklärlich machen (stärker freilich werden davon Entwicklungs-
fragen beeinflußt). Und doch beteiligt sich die ganze wissenschaftliche
Welt pflichtgemäß an den Auseinandersetzungen. In den Geisteswissen-
schaften — ich urteile von der Forschung über Bildende Kunst aus -
sind ähnliche Eingriffe vorläufig ganz unwirksam, weil ihre Beurteilung
und die Auseinandersetzung mit ihnen der Willkür preisgegeben ist, in
ihnen vielmehr ein verschwommen durcheinander wogendes Wissen besteht,
das heißt niemand recht beurteilen kann, was einschneidende Beachtung
finden sollte und was nicht. Es würde die paar Zeilen lohnen zu zeigen,
wie sich die Fachpresse mit einem Werke wie „Die Baukunst der Armenier
und Europa“ 1918 beschäftigt hat. Und doch bilde ich mir ein, damit
nicht nur einen der wichtigsten Kunstkreise erschlossen zu haben, dessen
Kenntnis unabsehbare Folgen zeitigen wird, sondern was wichtiger ist,
damit ein nach Plan und Verfahren abgerundetes fachwissenschaftliches
Werk geliefert zu haben. Dort wurde S. 341 und 877 neuerdings gezeigt,
wie sich bis ins Letzte zersetzend alles um die humanistische und andere
Orthodoxien dreht, fachmännisches Denken öfter als man glauben möchte
ausgeschlossen ist. Infolgedessen kann jemand arbeitend und ringend sein
Leben lang eigene Wege gehen, ohne durch sachliche Kritik gefördert
zu werden. Verstößt er gegen eine der Orthodoxien, dann sucht man
ihm das Siegel des unhistorischen und unphilologischen Dilettanten oder
Oberflächlichen aufzudrücken (vergleiche „Kunde, Wesen, Entwicklung“,
267), weil man nicht mehr einsperren oder verbrennen kann, wie damals,
als die Naturwissenschaften ihre Bahnbrecher auftreten sahen. Das Schick-
sal des alten Europa vollendet sich auf diese Art schneller als nötig. Man
kann sich vorstellen, mit welchen Gefühlen ein von den Humanisten für
vogelfrei erklärter Forscher in Hoesch’s Buch „Emil Fischer“ 204, den Satz
liest: „Wer aber auf starkem Schiffe sich aufmacht, eine neue Welt zu
entdecken, den begleiten Sehnsucht und Fürbitte aller Erkenntnisdurstigen
und Zielbemühten.“ In einem geisteswissenschaftlichen Fache wie der
Kunstgeschichte ist von solch stärkender Teilnahme weder bei den
Fachgenossen noch von Seiten anderer Geisteswissenschaften etwas zu
merken. Wahrscheinlich gehört ein solcher Unruhestifter von vornherein
nicht zu den Hellsehenden, die imstande sind, die Kunst zu belauschen,
arbeitet wirklich, wie bei ihm sofort behauptet wird, nur phantasie-
beflügelt und nicht zugleich kritikgezügelt. Oder ist es mit dem Er-
kenntnisdurst und Zielbemühen der Kunsthistoriker nicht weit her? Läge
es im Zustande der Geisteswissenschaften begründet, daß man dort
mit der Beurteilung der Arbeit aus einem einzelnen Fache, z. B. der
Forschung über Bildende Kunst, umspringen kann, wie es den Humanisten
beliebt und wie es in einer Naturwissenschaft, zum Beispiel der Chemie,
unmöglich wäre?
Ein weiterer, vielleicht der im Rahmen der Geschichtsforschung wich-
tigste Grund, weswegen wir keine „Gesetze“ finden, das heißt nicht
„exakt“ arbeiten können, liegt bei aller Erfahrung darin, daß wir weder
 
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