Stuart, James; Revett, Nicholas: Die Alterthümer von Athen: aus dem Englischen übers. nach der Londoner Ausg. vom Jahre 1762 und 1787 und bereichert mit einigen eigenen und allen Zusätzen der neuen Ausg. vom Jahre 1825 (Band 3) (Darmstadt, 1833)

2 , ERSTES CAPITEL.

Schreiber im Dunkel gelassen hatten. Von dieser
Ansicht ausgehend wurden die hier mitgetheilten
Untersuchungen im Sommer des Jahres 1812 unter-
nommen. Einige Ausgrabungen, die der verstorbene
König von Neapel im Jahr 1804 hatte anstellen las-
sen (2), begünstigten das Unternehmen. Diese er-
streckten, sich jedoch nur über einen Theil, und da
die Ruinen eine lange Zeit hindurch zum Bau der
neueren Stadt und des Hafens benutzt worden wa-
ren, so blieb uns nur eine wenig versprechende Aus-
sicht auf guten Erfolg. „Nur der Schatten von dem
Gegenstand unserer Wünsche ist uns übrig,« sagt
Winckelmann, »aber desto eifriger streben wir, wie-
der zu gewinnen, was verloren ging. Unser Erbtheil
aus dem Alterthum ist dürftig, aber wir wenden und
drehen jeden Stein um und prüfen ihn von Neuem,
und unsere Nachforschungen führen uns wenigstens
zu Wahrscheinlichkeiten, die der Gewissheit nahe
kommen, und mögen immer belehrender sein, als die
uns von alten Schriftstellern gegebenen Nachrichten,
die mit Ausnahme weniger Winke nur als historische
Notizen zu betrachten sind.«

Die blühendste Periode in der Geschichte von
Agrigent währte ungefähr hundert Jahre, und hatte
ihr Ende erreicht im dritten Iahr der 93. Olympiade
oder 405 vor Chr. Geb., als die Karthager die Stadt
belagerten und zerstörten. Der genannte Geschicht-
schreiber versichert uns, dass der Tempel, von dem
wir reden, damals beinahe vollendet gewesen sei,
und bedenken wir den Umfang und die ungeheuere
Masse des Baues, so lässt sich nicht daran zweifeln,
dass wenigstens schon zwanzig Jahre an ihm gearbei-
tet worden war. Zu jener Zeit waren die Tempel
Athens von Neuem aufgebaut, und der Glanz der Pe-
ricleischen Zeit musste den Wetteifer aller Griechi-
schen Staaten erregt, und sie wahrscheinlich ange-