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Studniczka, Franz
Die Ostgiebelgruppe vom Zeustempel in Olympia — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.982#0038
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XXXvH, i.J Die Ostgiebelgruppe vom Zeustempel in Olympia. 35

an Alpheios als den stürmischen Liebhaber der Arethusa und Artemis beseitigen
helfen, sowie der bartlose Kephisos im attischen Weihrelief der Xenokrateia (Matz
109). Allein das alles hilft nicht weiter als bis zur Möglichkeit der überlieferten
Namen. Darüber hinausführen könnten nur gesicherte Analogien aus gleicher
oder naher Zeit. Matz 117 glaubt fest an die entsprechende Deutung der Eck-
figuren aus dem Westgiebel des Parthenon, besonders des herrlichen „Kephisos",
ohne jedoch einen von unserem Fall unabhängigen Grund dafür anzugeben. Einen
solchen hat auch Robert in seiner warmen Verteidigung dieses alten Gedankens
nicht beigebracht; denn daß jener „Kephisos" „mit dem linken Beine ganz im
Wasser liegt", weil unter dem „Ufer" das heißt der Plinthe, worauf das rechte
Bein ruht, das scheint mir bestenfalls annehmbar und nicht gewiß (Jahrbuch 1915
XXX 239, Hermeneutik 56). Vielleicht ist nicht einmal soviel einzuräumen, wenn
> nämlich Furtwängler, Meisterwerke 233 die Zuschauerschaft des Götterstreites mit
Recht auf die alten Burgbewohner beschränken wollte. Noch weniger vermag ich
Matz 90 darin zu folgen, daß er wieder die vier Eckfiguren des olympischen
Westgiebels, mit Löschcke und anderen, für Naturgöttinnen erklärt statt mit Treu
HI 93 ff. und mir für junge Lapithenweiber, deren Gewand Kentauren vorher in
Unordnung gebracht haben, und deren alte, als „Duenas" weiterdienende Ammen
(Jahrbuch 1911 XXVI 150). Nur letztere Auffassung nämlich verträgt sich mit
der angstvollen Erregung, die ihre Mienen, besonders die offenen Lippen aus-
drücken (S. 13). Und wie kämen gleich vier Nymphen in den Hochzeitssaal, auf
die Lagerpfühle, worauf wenigstens die Alten ruhen?

Möglich aber bleiben, wie gesagt, die Flußgötter im Ostgiebel, und für sie
spricht doch recht gewichtig, daß sich glaublichere Namen aus dem sagenhaften
Personenbestande von Olympia schwerlich finden lassen. Als weitere Empfehlung
kommt hinzu, daß der Unterschied im Gehaben der beiden gut zu dem der zwei
Wasserläufe paßt: in der Südecke der ruhiger umblickende und aufgestützte
Mann, dem breit vorüberziehenden Strom, in der nördlichen der sieh soviel leb-
hafter und neugieriger herumdrehende, derbfrisehe Geselle, dem je nach der Jahres-
zeit munter oder heftig herabeilenden Gebirgsbach wohl entsprechend.

Von dieser nicht allzuschwer ins Gewicht fallenden Unsicherheit abgesehen,
hat in der vorangehenden Zusammenfassung der Arbeiten fast eines halben Jahr-
hunderts, unter denen sich die von Treu und Kekule als grundlegend erwiesen,
jede Gestalt des Ostgiebels und damit auch das Ganze Sinn, Zusammenhang und
Leben erhalten. Seit den vielen Jahren, daß ich dieses Kunstwerk so sehe, bin
ich über seinen Wert derselben Ansicht, der wohl Bulle 406 den beredtesten Aus-
druck gab. Der Westgiebel wagt noch Größeres und Neueres an Bewegung und
wuppenbildung, aber es gelingt nur zum Teil, vielfach bleibt seine Lebendigkeit
lahm oder aber gewaltsam bis zur rohen Verzerrung der wesentlichen Körper-
verhältnisse. Im östlichen dagegen verbinden sich — erst recht in dem hier be-
gründeten Gefüge — die scheinbar vereinzelten Gestalten zu dem in seiner schlichten
Art vollendeten Gesamtbilde „der Stille vor dem Sturm, der seelischen Spannung
vor der Entscheidung" (Bulle). Wenn Altmeister von Wilamowitz sich die Mühe
nimmt, das alles mit unsern Augen anzusehen, dann wird es seiner viridis senec-
tus auch noch gelingen, selbst die feierlichen Standfiguren, die er einst im lustigen
Jugendübermute „olympische Ölgötzen" sehalt, nicht mehr „ziemlich langweilig"
zu finden (Pindaros 414 A. 1). Sie wie all die anderen Gestalten tragen zur Ver-
anschaulichung dieser Lage und Stimmung bei, eine jede, von dem stolzen König
bis zum ausruhenden Burschen des Pelops, bat das ihr gemäße Ethos. Das ist,
trotz der rauhen Schlichtheit dieser Kunst, Geist vom Geiste des oben für be-
lehnende Einzelheiten öfter verglichenen Polygnotos, an den hier zuerst Brunn
erinnert hat (Kl. Schriften II 198). Allein dieser Geist verbreitete sich wie ein
 
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