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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 5.1914-1915

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Nummer 21/22 (Erstes und zweites Februarheft 1915)
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Kosztolányi, Dezső: Hochzeit
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Knoblauch, Adolf: Frühe Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.33880#0141
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bere.it gemacht werden. Der Plur, der sonst so
sauber und !ieb ist, droht mit den anieinander ge-
türmten Möbein in geheimnisvoiier Unordnung
gruftgieich. Und du weintest. Wufitest nicht
warum. Es preßte sich dein Herz zusammen, denn
du dachtest an dein Leben, an deine Mädciieniatu'c.
an deine Stube, die du nicht mehr betreten wirst.
Leise schiuciiztest du an einem Fenster."

. . . Woher weißt du das, mein Sohn?

„fch weiß es. ich weiß es. Und ich weiß auch,
daß du die Türe umarmt hast, bevor du ins Zeit
gingst. Es war dir sehr traurig zumute."

... W;<s sprichst du da?

„Du stecktest eine Teerose in dein Haar."

. . . Eiuc weikende Teerose.

„Auch dein Brautstrauß war aus Teerosen, ich
erinBere nüch auch an die weiße Papiermanschette
und das Atiasband, das du zart gestreichelt hast."

. . . Dies habe ich dir doch nie erzähit?

„Und beim Tisch, im kaiten Licht der Kerzen,
irösteite es dich. Du iießest deine Blicke über die
Gäste dahinschweifen und deine Augen bfieben an
einem Jüngiing haften."

. . . An wem?

„An einem unbekannten Jü,nghng."

. . . fch erinnere mich nicht.

„fch aber erinnere mich. An einern unbekann-
ten Jüngiing, der zu Häupten des Tisches saß, zwi-
schen zwei Verwandten. Blendend weiß hob sich
seine Hemdbrust von dem schwarzen Anzug ab,
der feierHch traurig war und rein, sehr rein. Du
erkamitest ihn nicht. Aber eure Augen begegneten
einandcr. Dann wandtest du dich meinem Vater
zu. Auch dieser bfickte ihn fiir einen Augenblick
an, sehr furchtsam, sehr stark zitternd und senkte
dann sehr verwirrt die Augen. Auch er kannte den
Jüngiing nicht, den ihr aüe für einen Fremdiing
hieitet. Denn niemand kannte ihn."

. . . Ja, ia.

„Und doch hattet ihr ihn scfion damais sehr fieb
gewonaen."

. . . Wir hieiten ihn für einen sehr antfernten
Verwandten, einen Wanderer, der kommt und
geht, sich zu den Unterhaftenden geseflt.

„Er sprach zu niemand."

.. . fch erinnere mich schon genau. Er aß nicht.

„Bioß nach Mitternacht nahm er einen Scfduck
scbwarzen Kaffee."

. . . Und auch diesen so andächtig, wie der
Priester am Aitar den geweihten Wein. Christis
heiüges BM.

„Dieser Jüngting war auch fast ein Heifiger.
Oft ging er in die Nacht hinaus und betrachtete die
Sterne, die im Wohfgeruch der Bäume badeten,
und er starrte sehnsuchtsvoH nach Osten, den
Morgenstern entgegen."

. . . A!s er das Zeft betrat war sein Frack gofd-
umgiänzt. Zwischen den Sternen sah ich sein Ge-
sicht.

„Bin Stem feuchtete auf seinem Pock."

. . . Und wie er auf sich achtgab. Kein Brö-
sefchen beschmutzte ihn. Kein Tropfen Wein rann
ihm über die Hemdbrust.

„Doch auch seiner Seefe fieß er niemand nahe-
kommen und frielt sich die Ohren zu, wenn die
Zigeuner spieiten. Er hörte andere Weisen."

. . . Gegen Aiorgen sah ich ihn schon ktarer.

„fn den Morgenstunden schlich er dir nach.
Und küßte auf dem Hof den Staub von deinen
Füßen, die Spur deiner Schuhe im Sand."

. . . Auch des anderen Tages saß er bei Tisch.

„Er saß dort und betrachtete die Gäste^ die
noch zur Mittagsstunde schnarchten — neben sich
die bis zum Grunde niedergebrannten Kerzen —.
Er betrachtete die dicken Tränen, die über die Ge-
sichter der weinend Jauchzenden rollten, die
Banknoten in den Händen der Zigeuner, deu bro-

defnden Wein, das zerzauste, aschebeschmutzte
Tischtucfi, das einer entweihten Aftardecke gfich.
Drei Tage fang währte die Hochzeit und drei Tage
fang bfieb er dort.

. . . Doch am Morgen des dritten Tages ver-
schwand er.

„Nein, Mütterchen, er bfieb an deiner Seite. Er-
innere dich doch, wie ihr auf die Gfasterrasse hin-
übergegangen seid. An jenem Morgen saß er in
einem tiefen Sessef, sterbend und traurig."

. . . Die Fenster erhefften sich bereits.

„Er erwartete euch auf der Terrasse."

. . . Wir fehnten zum Fenster hinaus und be-
trachteten den Stern.

„Der Jüngfing aber, der deine Zukunft war und
der jetzt deine Vergangenheit sieht, bfickte starr
vor sich, afs schfummere er. Doch er schfief nicht,
sonderu betete für dich. Sein Fieber schmückte
dich mit feurigen Bänderu. Unter dir dampften
grün die Rasen des Gartens und im Sonnenschein
funkeften die Bfüten des wifden Mohnes wie rote
Glühlämpchen."

. . . „Wie blaß er ist", sagte dein Vater und
wies auf den Jüngling.

„Der Jüngling aber rührte sich nicht."

.Er weint", sagte ich zart und streichelte

ihm das Haar.

„Dann habt ihr euch geküßt, zum ersten Mal,
und es wurde euch alles klar. Sahet alles deut-
lich. Sahet mich. Jawohl, Mütterchen, erschrick
nicht vor meinen Augen, ich war es, ich war dort
bei deiner gebenedeiten, tausendfach gebenedeiten
Hochzeit, ich war der unbekannte Jüngling an der
linkn Ecke des Tisches, links von deinem Herzen.
Und ich weinte, frohlockte, betete mein Gebet und
sang den Psalm mit meinem kranken Seelchen."

. . . Mein Sohn, mein Sohn, was sprichst du da?

Wieder hat dich das Fieber überfallen. Lege dich

schön ruhig zurück. Morgen will ich dir weiter er-

zählen. Doch nimm das Pulver, das dir der Arzt

Einzigautorisierte Übertragung aus dem Magyarisehen von
Stefan i. Kiein

Frühe Gedichte

Adotf Knoblauch

Ahnungsreiche Freuden meiner frü-
hen Gedichte

Euch wenigen echten Tröstungen entfasse ich un-
vergänglichen Baisam, die in linden Hauchen mein
künftiges Leben anrühren und mich geheimnisvoll
umwallen. Zu reichen Liebkosungen aufblitzend,
strahlt eure Sehnsucht über dunkle Mühsal her-
iiber; Jahre, die alles von einander trennt, bindet
ihr zauberisch: Einsame Zeichen, die so gütig den
Trank des namenlosen Dunkeis spenden.

Knabenspruch

Ich bin der Sohn der Einsamkeit,

Brüder sind die Sterne.

Und alles. was mich tief erfreut
gliiht hoch und fern wie Sterne.

Mein Vater, Hohe Einsamkeit,

Pegiert die vielen Sterne.

Ich danke ihm was mich erfreut,

Hehre Gaben der Sterne.

O Mutter, Dichte Einsamkeit,

Licht-Nachtschoos aller Sterne.

In dir glüht. was mich selig freut
Auf ewig Glanz meiner Sterne.

Geist, einsam in Herrlichkeit,

Gebete von Kränzen der Sterne.

Trunken dein Sohh, urtief erfreut,

Schiingt den Reigen der Sterne.

Geburt

AIs Johannes sechzehn Jaiire alt war, erzählte
er uns Kindern, die er lieb hatte, das Märchen von
seiner Geburt. Da saßen wir abcuds zu Drht an der
Tiir des Holzstalls, er mitten unter uns, und wäh-
rend wir mit heißen Augen in die Finsternis des
Schuppens starrten, fiihrte er mit seiuen zauberi-
schen Schilderungen unsere Frage Seelen in unbe-
kanntes Land, und so verschmolz das Märchen von
seiner Geburt mit der Finsternis des Holzstalis.

So wurde denn Johannes geboren, als Finstcrnis
überal) war, und nur in dem verlasseneu Schuppen
ein kleines Licht brannte. Im Heu lag ein krankes
blasses Weib, mit härenem Tuch bedeckt, ein aut-
rechter Alann mit grauem Haar und einem Gesicht,
in dem Arbeit gemeißelt stand, betrachtete ein klei-
nes zuckendes Geschöpf. Er betrachtete es, indem
er seinen nackten Leib mit der Hand im traurigen
Lichtschein hin und her hielt. Man hörte keinen
Laut in der Scheune, nirgends ein Lied.

Der Mann legte das Kind hin, löschte das Licht
und schliei ein. Bis hierher erzählte Johannes und
war dann einen Augenblick still. Nachdem wir drei
eine Weile derart schweigend in die Finsternis ge-
starrt hatten, fuhr er fort mit leiser bebender
Stimme, wie wenn jemand mit einem Stock hinter
ihn stünde, um ihn für sein Reden zu strafen.

AIs alles schlief, stand Gott von seinem Bett
aus schwarzer Seide auf, schiug den sternenbesä-
ten, himmlischen Mantel um sich und legte die helle
Mondscheibe ih den Kronreifen auf seinem Haar.
Dann trat er mit seinen kleinen glanzweißen Füßen
auf den strahlenden Abendstern und rollte durch
die Nachwelt unhörbar nieder in den Schuppen
zum Kinde.

Obgleich das winzig gleich einer Maus war,
hatte es doch alles beobachtet, und weil es noch
so klein war, konnte es ja auch mehr sehen ais die
großen Menschen.

Und nun kam Gott in die Tür, und dic himm-
lische Helle füllte den ganzen Paum.

Leises Singen scholl ringsum so lange er in der
Hütte war, und alles war glänzcnd von seiner hel-
Ien Lichtseide. Lautlos kam Gott auf Johannes zu,
hob ihn auf zu seinem großen harten Mund, der
tiefe Furchen und Winkel in das Gesicht breitete
tmd küßte ihn lange ein einziges Alal, legte ihn
dann zuriick iu das Heu und schwand unhörbar,
während das beständige ieise Singen in der Ferne
erlosch ...

AIs das Märch-en zu Ende war schreckten die
Kinder durch irgend etwas empor.

Eine Maus lief im Stal), und nun rief der Vater
mit jener Strenge im Wort, die den unschuldigen
Träumen mehr ein Ende bereitet a!s irgend eine
Strafe.

O, Schmerz . . .

O, Schmerz, der nicht am treuen Bilde müdet

festzuhangten,

O, Stolz, der wacht und unduidsam und brünstig

sich ins Weite richtet
O, Wille, in deiner kranken Tiefe kummervol), den
scheidenden Lichtstrahl aufzufangen.

Du Innen! so liebensgern vont Einen, batd vom

Anderen geschlichtet
Sekundenlang. Doch dantt bewältigt von der Liebe

und der Sterne Prangen
Aufs Nett der alte Kantpf, gen deinc Bahn mit un-

erhörtem Prunk gerichtet.

Aus Südlichen Meeren steigen Inseln, von deren
Gipfeln Rosengluten hauchen
Hinab zum tiefen Gletschergrün der Klüfte, wo sich
vom Meer die Donner und die Felsen fangen,
So aus dem Blau seh' ich mich Innen zu Himmels-

rosen aufwärtstauchen.

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