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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 5.1914-1915

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Nummer 21/22 (Erstes und zweites Februarheft 1915)
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Knoblauch, Adolf: Frühe Gedichte
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Friedlaender, Salomo: St! - Eine Algebraëske
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https://doi.org/10.11588/diglit.33880#0142

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Wirf ab das Kieid . ..

Wirf ab das Kleid! Durchs Dunkei ringe auf zum

Lichte der Entscheidung.
Dich ängstet Ungeheures? Mondnächte mit fahien

Steigcn?

0, fahrc hin du Traumgesicht dcr äußcren Bekiei-

dung!

Verzagtes Schiff! Kein Steucr soü dich hier

entreißen

Dem Stnrm! jedwede Wctic höhit der Qram, und

kei<ne kann dir zeig'en
Den Attsgang und das Ruhn von diesern Donneru

und dem Perlengieißen.

Du rangest mit der Hcidenbotschaft? Du soiist nur

reiner baden

Nicht stei besorgt, die Aite Nacht mit schweren

Strömen hinzureißen.
Du soüst sie bergen und formen um den Urqueü.

wo sie dich entiadett.

Abschted itt der Frühe

Laß mich niedersteigen in mein, in dein Herz die
Träne des Aufruhrs zu bekämpfen.
Der graue Tag, der Traurige Abschied, dein rnüdes

Haupt hinübergesunken,
Der Straßcniärm und zugeschiagene Tiiren . . Aus
witden Stimmen, die in mir kämpfen.

Qen dein zitterndes Verzagen, hcbt sich die tiefe
Unrtth, die vom Weine deines Leibes Leid

getrunken,

Die Stimme, mit der Tausend Tagesstimmen

hadern,

Und die erfiiüt ist von dem Qianz und wächst ver-
borgen, in deine Lippen eingesunken.

Kein Atemhauch stört dieses Brennen. Ein reines
Weh, das durch die Adern
Züngeit und giüht, das Qoid zu wecken, das einst

Biut zu dämpfen.
Machtvoües Nie mit Etnander sich verschmeizcn
kännen uud Leis auf Fiügein um Einander gieiten.

Jüngiinge

Erstes, Uebergeiiebt . . . ist ein reines
Leben bis zum Tage des Qerichts.

Kymrisch

Wenn Arm in Arm wir zueinanderdrängend

schritten

Sehnend im Qang der Frauen hingezogen durch

die iichten Qassen
Trat schreckend zwischen uns das stumpfe wunde

Ringen

Da neu der Schmerzens Abgrund finstrer Knaben-

tage

Sich richtend auftat, daß Freude uns veriassen,
Und heiße Rede stockt vor harter Frage.

In dunkeibiauen Nächten, wo wir im Licht zusam-

menlassen,

Eng jähe Worte riefen, auf mächtigen Bahnen

fortgerisseu

Und unser armes Leben hob der Rausch, an hohen
Weltgeschicken teiizunehmen,

Rang ich mit scheuem Sehnen, dein Sein im

tiefsten Qrund zu wissen;
Du aber sankest hin, mit giühendem Ueberschwang

vermessen

Den roten Kranz der Trunkenheit um deine weiße

Stirne.

Der du g!utzuckend Schluchzen kaum gebändigt
Qedrängt in dich den Sturm mit opferiosem Siege
Im Qrauen dett überschwänglichen Jugendtag

geendigt.

Kiar und hoch aus deinen Ruchiosen Nächten,

Aus Quai, Begierde hart und fest gestiegen,

Wardst du gemacht, zu sein in dieser Kraft

hienieden.

Aus Qrobem immer reiner sich entringt

Heißc Qiut. die sehnenden Woüens unreine Dumpf-

heit durchbcbt,

O seüger Stern, der mahnend mich durchbebt.

Feingiiedrigen Schaffcns unaussprec!t!ich Geheimes

such icit hinzugeben
!n !icbe Hände, die schön sind vom Umartnen der

Geiiebteii.

Die Schwäne

Kommt, o, ihr beiden weißen Schwäne aus der

Nacht, wo ihr euch küßtet,
Kommt . . . mein !ieber Knabe wiü euch Brot und

herrüche Biicke geben
Damit ihr euch in eurer Kraft und Schönheit

brüstet,

Um euren Liüenhais inbrtinstig zu mir zu heben.

ich bin die Tochter der Erde, höre, mein weinender

Knabe.

Mein Fuß rührt an deinen Mund und mein Haupt

ast Schwester der Sonne,
Von Jasminen düftet mein Atem. auf daß der

Schwan sich eriabe

Ach, mein Tauz und wehende Qewande sind

Ernährer deiner Wonne.

Starr über dem schwarzen Abgrund schwindet der
Schwan in btasser Trauer
Stei! sich spiegeind auf düster giäsernen Faiten,
Und es bebt der Knabe, überstreift vom kaiten

Schauer.

Hin in die ewige Nacht ziehen die düstren

Qestaiten.

Du aber steige aufwärts einsame, nachtselige Seeie.
Wo deine brennenden Augen über Nacht und Tod

den Sieg behalten.

Abend im Vorfrühiing

A!s ich am biassen Seegestade ging, in der Reihe

von Birken.

die FriihÜngswind in Wipfein und Wasser an den

Wurzein rührte,

weit draußen die Inse! mit scirwarzem Wald,
Kronen von der Sonne durchrötet, Abendhimme!

und Wöikchen:

Da schien mir, a!s sei ich durch Berghöhten dumpf

gewande!t

und sei rastend gehüüt in die Krümmung der

anschmiegenden Birke
in süberiicht zitternde Zweige.

Du mein Qezweige rtihrand, dunkeibtau goiden

wogender See

du Wind, mein Haar vom Himmei bis ans

murmeinde Qestade rtihrend
du schneeig Wöikchen, Qoidbrüderiein, schwebst

nah zu mir

atmest kühien Tau in meine Lipseizweige
nestelst der Schwermut A^erstrickendes Qras in
. mein zttterndes Haar

und rufst: neige dich, neige . . .

Und ich neige, das schon tief zu dir niederhängt.

in deine ranken Hände;
Süße Birke greifst ans Herze? Wehe, Lachen —
Die Träne rinnt aus deinen glitternden Zweigen in

den Wasserspiegei.

Ach, da das schneeige Biibchen durch meine Adern

huscht

in mir! in mir!

Da es mich hebt zum Morgenrot
und mich löst aus goidenem Tai
weiß wirbelnd im ho!ten Rund.

Die sinkende Träne
in Qoidhauch und Qianz . . .

„Himmei, stiiier, tiefer, biauer . .

Himmeü stiüer, tiefer, blauer, über den grauen

Dächern und den rosa Rauchwöiikchen
Zart, kiar und ruhig über den Herzen und dunkel

stürmenden Straßen.

in dir atmen die ktihten, herbstiich goidbesonnten

Wäider.

In. die Mauken Fiußspiegei senkst du dich mit

ftammendem Hauch,

in deinen biauen, unendüchen Rand faitest du
ieuchtende Fluren und Städte aus Miich und Qias.

Ein Wöikchen fiimmert in deiner iichten Oede.

Du entstehst mit wunderbarem Sprung zum

Erdensturm,

Schmiegst dich ans Knie des iieben Mädchens zum

geiben Schiifgestade

Regst in weißen Wässern stißen Qiiedern deine

Wonnen,

Daß sie zu deiner Himmeiskiarheit sprechen mit

dunkeitönenden Kiängen.

Der Jiingünge herbe Augen starren nach den

braunen Ttiren auf der Meeresdüne,
Wo die weißen Mädchen warten, Arme nackt im

Schooß.

Das Abendiied der F!öte weht sanft aus tiefem

Leid in deinen wunderbaren Dom,
Der Städte Haii greift hoch in dich mit Sphären-

hauch.

Kreis des Anfangs

Ftir Frau Neil Walden

Eine iichte Freude erfüüt mich, seit ich mein
Leben mit dem Kreise des Anfangs versöhnt habe.

Ich begreife immer fortschreitend, wie sehr
aües künstierische Schaffen auf der großen Kraft
zu Erinnern beruht.

Weit entfernt davon, dieses heiiige Se)bst-Da-
sein zu beschränken, erwäge ich, wie himmeihoch
und firmamentenkiar die Tempei gebaut sein mtis-
sen, um die bedeutende Inneriichkeit des Men-
schen umspannen zu können.

Weiche Sehnsucht, die in den Schoß des Nichts
stürzte, weich Leid, das vor dem Bi!de der hoch-
mtitigen Qewaitigkeit seine armen Kniee zermar-
terte, mußten uns ach! aüzuiange beschatten,
weich end!os nie verjiingend Sterben!

Du heißer Lebensstrom des Besinnens, Weitge-

richt, kiares Bad, Tau, Ba!sam, Süßigkeit in den

zeugerischen Zuckungen, du Urgewisses

ftihrst deine Püger empor

gibst ihnen die geheimnisvoüen Beiohnungen,

schenkest ihnen die köstüchen Werke,

wetche immerdar sanft die We!t reinigen.

St! — Eine Algebraeske

Mynona

Wir müssen ieiser reden. Ich wiü ihnen eine
Fabei erzähien — d i e Fabeh Der hohe Voükom-
mene ging, aus Motiven, die nur Er kennt, zu den
Tieren, die sich Menschen nennen. Er aiiein. Be-
greifen Sie wohi, es sind dieses die d e f i ni e r e n-
d e n Tiere. Der hohe Voiikommene ist undefinier-
bar. Die Tiere aber haben schon definierende
Sinne. Der hohe Voükommene beschioß, tieriieb,
aiso leutseiig zu werden. Er beschioß, ihnen zu
schmecken, zu riechen, in Augen und Ohren zu fai-
ien — ja! er ließ sich betasten. Indessen — Indes-
sen, seiner hohen Voükommenheit unvergieichbar
sicher. Abso!ut vorzügiich. Unübertreffiich iauter.
Ueber aüe Sichtbarkeit schön. Viei göttücher ais

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