Mit dem Taggrauen wiH ich dir glauben,
und ich will Gottes wegen fragen,
wie werde ich den Himmel erlangen?
Gutes, Böses sind ungleich,
Wind und Rauch, die sich streiten.
Tu Gutes Gottes wegen, der nicht zornig ist.
Kühn ist der Geist Jeglichem, der schützt.
Rosse, die rings es zu laufen treibt in der Wärme.
Bekenntnis ist aller Dinge Ende.
Was du tust aus allem Uebermaaß,
aus Trug, Unterdrückung, Stolz,
Gottes wegen tu ein volles Bekenntnis.
Ereignis
Kart Heynieke
Ich bin ein sonnenloser Abgrund. Meine Be-
sinnung ist tot. Ich fühle nichts. Ich lese den
Brief mit zerbrochenem Biick. Ich verbrenne in
Haß und Verzweiflung, Melitta, die mich betrügt.
Sie ist eine kalte Flamme, Ein kreischender Ruf
im Dunkeln.
Wir sind der Sturm. Ich bin Feuer und Schrei,
Flieb und Stich. Ich bin kein Körper, ich habe
weder Lunge noch Herz. Die Luft brennt Feuer,
Rauch und Schreie. Ich bin eine Welle in dem
Meere riesenhaften Lärmes. Und bin Vergessen
und nichts.
Der Morgen knistert. Flammen schneiden im
Nebel. Das Dorf stirbt. Ich wiege auf der Bahre.
Mein Fuß ist tot. Ich weiß nichts. Ich bin ein
Traum.
Melitta wächst aus dem Boden ihres hellen
Zimmers. Der Mond liegt auf ihrem Leibe und sie
ist nackend. Ich zähle jeden Strahl, der sie um-
gleitet. Ich fiebere und bin ganz still. Aus jedem
Strahl kriecht ein häßliches gelbes Spinnentier und
alle wachsen um ihren Hals zum Schmuck. Mein
Bett ist eine linde Hand, wie meiner Mutter junger
Schoß, als ich Kind war. Die Ruhe ist ein Wiegen-
lied. Ich schlafe in das große Nichts.
Sie ist da. Sie liegt an meinen Lippen und ist
Träne. Sie glänzt. Wie hohles Glas. Ich höre
ihren Mund und suche ihre Seele. Aber ich finde
sie nicht. Ich gehe eine graue Ebene ohne Licht.
Um ihren Hals ringelt ein Schmuck aus golde-
nen Spinnen, eine Kette, die ich nicht kenne. Und
mein Traum ist wach und schreit. Und ich kralle
ihren Hals. Und blute in den Schrei. Und sinke
abwärts in die Nacht.
\
Ich bin der letzte Schlaf. Ich bin ein Blühen
und bin die Hoffnung. Melitta ist tot für meine
Seele. Ich schreite in ein neues Leben. Mit se-
ligem Schritte, denn ich bin neu und frei.
Nun bin ich alt. Ein Lächeln in das große Ge-
heimnis, allein zu sein. Die Tannen glänzen. Der
Abend fällt. Melitta, du warst die Liebe. Und ich
war in dir. Ich bin die Erinnerung. Und das Glück.
Denn ich bin alt.
Die Puppe
Sophie van Leer
Der Stein ritzt die große Spiegelscheibe. Glas-
streifen zersplittert das Pflaster.
Der Knabe steht vor der Blondgelockten. Ihre
Augen weiten in Warten. Hände und Arme
breiten in Sehnsucht.
Er bettet sie in Schmuck und Blumen. Kerzen
beten um ihr Gesicht. Und er küßt die toten
Glieder. Seine Schläfen schmiegen ihre Stirn. Er
wühlt die starren Füsse und deckt den warmen
Leib über sie.
Und sein Leben strömt in sie. Zitternde Adern-
strahlen pflanzt er in ihre Lenden. Geboren regen
sich di;e Füsse.
Und er senkt sein Herz in das weiße Wachs
und kleine Brüste knospen. Zag klopft das Blut
und zuckt und klimmt in ihren Nacken und flutet
in die Wangen und scheucht die Stirnenblässe.
Ueber die bleichen Lippen wächst der erste Atem.
Weit werden die Augen und blicken.
Und ihre Haut blüht und duftet, daß er in die
Kniee sinkt und weint in ihren Schoß.
Sein Blut wächst in Strömen, er türmt die
Hände um ihren Hals und klammert ihre
Schultern. Rauschend umhüllen sie seine trunke-
nen, taumelnden Worte.
Und sein Blut rollt.
Und sie schreitet durch die Gänge seiner Adern
und ihre Fingern plätschern in dem Brunnen, der
seinen Gliedern entquillt und ihr blondes Haar be-
taut.
Und ihre Arme ranken um sein Haupt und
hängen Trauerweiden um sein sterbes Angesicht.
Notizen
Gespenster
Zu entscheiden, ob es in der Welt Gespenster
gäbe oder nicht, ist viel leichter, als man glauben
sollte. Man soll nur glauben: und dann gibt es
Gespenster. Der Gespensterglauben ist ein
graziöseres System von Weltbetrachtung, als es
die heutige Naturwissenschaft zu bieten vermag;
es hat die Unbeschwertheit der Phantasie für sich,
die Gewandtheit des Geistes und die ungeheure
Prämisse Wollust. Denn es ist ein überirdisch-
schönes Spiel, das sich im Geistersehen der Geist
mit der schwerfälligen Welt erlaubt. Die dunkle
Natur, deren dämonisches Wesen in dieser armen
Zeit der Naturforschung ganz „aufgeklärt" scheint,
belebt sich in unendlicher Anmut mit Wesen ihrer
eigensten Wesenhaftigkeit. Sie ist fürderhin nicht
mehr tot, starr, ein Gesellschaftspiel für impotente
Gelehrten; sie erblüht in wunderbar naher Weise
zu ewigem Leben.
Man muß Gespenster nicht sehen, um daran zu
glauben. Man muß sie sich nicht beweisen lassen.
Alan kann sie sich nicht anders beweisen, als
etwa einen schönen Gedanken, ein Kunstwerk,
einen allerhöchsten Augenblick. Man darf höch-
stens ein paar Eigenschaften der Gespenster er-
raten, ein—zwei psychologische Merkmale, die
niemals trügen und betrügen.
Gespenster sind Träger unserer Gedanken im
Spiele der Welt. Dieses ist zwar aus einer fal-
schen Perspektive gesehen: denn eigentlich sind
die Gedanken nichts als Spiegelbilder der Ge-
spenster. Und jene wirren Abenteuer des Geistes,
bei denen das ewige Für und Wider einem Un-
gefähr der fernsten Empfindung weicht, die Ferne
nahe kommt und die Nähe in die Ferne schweift,
sind eigentlich immer wieder die Walpurgisnächte
einer größeren Systematik.
Gespenster sind eine unerwartete Bereiche-
rung unserer Vorstellungen. Sie legen den Weg
zum Bild zweimal zurück, und bringen deshalb
das Erlebnis frischer in die Seele. Eine neue Art
der Erlebnisse sei dadurch möglich gemacht; die
Kunst, nun wieder an einem Ende angelangt, er-
greife die günstige Gelegenheit und entscheide sich
für Gespenster. An Stelle der bereits mit allem
Komfort der Neuzeit ausgestatteten Illusion mag
nun endlich die von allem materiellen Zwange
befreite Vision treten.
In der Alalerei scheint bereits schon vieles vom
Zwange der Illusion befreit zu sein; es gibt nun
schon Bilder, die nicht mehr so aussehen, „wie
wirklich". Der Expressionismus ist vielleicht der
eiste visionäre Versuch in der Kunst.
Ich glaube aber, daß das Theater sich nun
endlich einmal nach Gespenstern umsehen müßte.
Dann könnte man wieder einmal von schöpferischer
Bühnenkunst reden. Und es würde das nun schon
an ewiger Wiederkehr verstorbene „dramatische
Gedicht" mit ungeheurer neuer Bedeutung zum
dramatischen Gesicht werden.
AHtagetmehMatt
Die Stunden rinnen zeitentlang; des Weges
kümmerliche Enge führt mich dahin.
Nachmittags; Straße; trübe Sonne im Sterben.
Ein Bettler aus Shakespeares besserem Andenken:
die bittende Hand erstarrt aus Demut und
Heuchelei.
Dahinter, im Cafe, die weißen Angesichte der
Mädchen. Eines, in weißer Bluse; blondes Haar;
Afagdalena im Hurenhaus. Ein Kellner bringt
lüstern den Kaffee. Lächeln des Armes, als er den
Zucker emporhebt.
Ein schwarzer Mann auf der Straße, der ge-
schäftig hineilt. Er ist nicht mehr von dieser Weh.
Wirkiichkeits-Spuk. An Zeit und Raum verwirrt;
Agent des Überwelthistorischen.
Später. Ein Zimmer. Die Dame wöibt sich-mir
entgegen. Das Klavier stöhnt. Dolce far nieute,
aber prestissimo. Ein Bild der Aladame X...; ich
denke „Ninon de Lenclos". Schumanns Träumerei;
die Musik des Alltags schreckt mich auf. Im
Spiegel mein Bild: ich hasse mich. Die Dame
spricht es hin. Ich antworte Weniges. Empfehle
mich; gehe.
Wieder auf der Straße. Menschen im Licht.
Rufe. Lachen aus der Ferne. Ein Pferd, wie von
Rodin.
Abends, das Mädchen. Vorwürfe des Alltags.
Man lebt aneinander vorbei. Einsam. Einsamkeit
inmitten des Kusses. Dunkles Lied; das Ungefähr
des Herzens schwankt.
Abschied; es gibt keine Träne, da alles Pathos
verpönt ist.
Paul Hatvanl
Ein großer Traum zu
meiner Freude
„Schon in meiner ersten Ankündigung hatte ich
mit Nachdruck darauf verwiesen, wie das Werk,
das eigentlich ein großer Traum ist und geheimnis-
volle Gründe und Beziehungen der Menschen-
schiaksale enthält, sehr viel mehr als ein guter
Roman wirkt. Das wird zu meiner Freude . . .
So schreibt zum Beispiel die Weserzeitung am
Schiuß eines sechsspaltigen Feuilictons: Es ist ein
Buch, gegen das man ein Verbrechen begeht, wenn
man es iiest wie Poe oder E. Th. A. Hoftmann."
Der Nachdruck, auf den verwiesen wird, hat jetzt
das ftinfundsechzigste bis hundertste Tausend er-
reicht. Solch einen Druck kann man durch sechs-
22
und ich will Gottes wegen fragen,
wie werde ich den Himmel erlangen?
Gutes, Böses sind ungleich,
Wind und Rauch, die sich streiten.
Tu Gutes Gottes wegen, der nicht zornig ist.
Kühn ist der Geist Jeglichem, der schützt.
Rosse, die rings es zu laufen treibt in der Wärme.
Bekenntnis ist aller Dinge Ende.
Was du tust aus allem Uebermaaß,
aus Trug, Unterdrückung, Stolz,
Gottes wegen tu ein volles Bekenntnis.
Ereignis
Kart Heynieke
Ich bin ein sonnenloser Abgrund. Meine Be-
sinnung ist tot. Ich fühle nichts. Ich lese den
Brief mit zerbrochenem Biick. Ich verbrenne in
Haß und Verzweiflung, Melitta, die mich betrügt.
Sie ist eine kalte Flamme, Ein kreischender Ruf
im Dunkeln.
Wir sind der Sturm. Ich bin Feuer und Schrei,
Flieb und Stich. Ich bin kein Körper, ich habe
weder Lunge noch Herz. Die Luft brennt Feuer,
Rauch und Schreie. Ich bin eine Welle in dem
Meere riesenhaften Lärmes. Und bin Vergessen
und nichts.
Der Morgen knistert. Flammen schneiden im
Nebel. Das Dorf stirbt. Ich wiege auf der Bahre.
Mein Fuß ist tot. Ich weiß nichts. Ich bin ein
Traum.
Melitta wächst aus dem Boden ihres hellen
Zimmers. Der Mond liegt auf ihrem Leibe und sie
ist nackend. Ich zähle jeden Strahl, der sie um-
gleitet. Ich fiebere und bin ganz still. Aus jedem
Strahl kriecht ein häßliches gelbes Spinnentier und
alle wachsen um ihren Hals zum Schmuck. Mein
Bett ist eine linde Hand, wie meiner Mutter junger
Schoß, als ich Kind war. Die Ruhe ist ein Wiegen-
lied. Ich schlafe in das große Nichts.
Sie ist da. Sie liegt an meinen Lippen und ist
Träne. Sie glänzt. Wie hohles Glas. Ich höre
ihren Mund und suche ihre Seele. Aber ich finde
sie nicht. Ich gehe eine graue Ebene ohne Licht.
Um ihren Hals ringelt ein Schmuck aus golde-
nen Spinnen, eine Kette, die ich nicht kenne. Und
mein Traum ist wach und schreit. Und ich kralle
ihren Hals. Und blute in den Schrei. Und sinke
abwärts in die Nacht.
\
Ich bin der letzte Schlaf. Ich bin ein Blühen
und bin die Hoffnung. Melitta ist tot für meine
Seele. Ich schreite in ein neues Leben. Mit se-
ligem Schritte, denn ich bin neu und frei.
Nun bin ich alt. Ein Lächeln in das große Ge-
heimnis, allein zu sein. Die Tannen glänzen. Der
Abend fällt. Melitta, du warst die Liebe. Und ich
war in dir. Ich bin die Erinnerung. Und das Glück.
Denn ich bin alt.
Die Puppe
Sophie van Leer
Der Stein ritzt die große Spiegelscheibe. Glas-
streifen zersplittert das Pflaster.
Der Knabe steht vor der Blondgelockten. Ihre
Augen weiten in Warten. Hände und Arme
breiten in Sehnsucht.
Er bettet sie in Schmuck und Blumen. Kerzen
beten um ihr Gesicht. Und er küßt die toten
Glieder. Seine Schläfen schmiegen ihre Stirn. Er
wühlt die starren Füsse und deckt den warmen
Leib über sie.
Und sein Leben strömt in sie. Zitternde Adern-
strahlen pflanzt er in ihre Lenden. Geboren regen
sich di;e Füsse.
Und er senkt sein Herz in das weiße Wachs
und kleine Brüste knospen. Zag klopft das Blut
und zuckt und klimmt in ihren Nacken und flutet
in die Wangen und scheucht die Stirnenblässe.
Ueber die bleichen Lippen wächst der erste Atem.
Weit werden die Augen und blicken.
Und ihre Haut blüht und duftet, daß er in die
Kniee sinkt und weint in ihren Schoß.
Sein Blut wächst in Strömen, er türmt die
Hände um ihren Hals und klammert ihre
Schultern. Rauschend umhüllen sie seine trunke-
nen, taumelnden Worte.
Und sein Blut rollt.
Und sie schreitet durch die Gänge seiner Adern
und ihre Fingern plätschern in dem Brunnen, der
seinen Gliedern entquillt und ihr blondes Haar be-
taut.
Und ihre Arme ranken um sein Haupt und
hängen Trauerweiden um sein sterbes Angesicht.
Notizen
Gespenster
Zu entscheiden, ob es in der Welt Gespenster
gäbe oder nicht, ist viel leichter, als man glauben
sollte. Man soll nur glauben: und dann gibt es
Gespenster. Der Gespensterglauben ist ein
graziöseres System von Weltbetrachtung, als es
die heutige Naturwissenschaft zu bieten vermag;
es hat die Unbeschwertheit der Phantasie für sich,
die Gewandtheit des Geistes und die ungeheure
Prämisse Wollust. Denn es ist ein überirdisch-
schönes Spiel, das sich im Geistersehen der Geist
mit der schwerfälligen Welt erlaubt. Die dunkle
Natur, deren dämonisches Wesen in dieser armen
Zeit der Naturforschung ganz „aufgeklärt" scheint,
belebt sich in unendlicher Anmut mit Wesen ihrer
eigensten Wesenhaftigkeit. Sie ist fürderhin nicht
mehr tot, starr, ein Gesellschaftspiel für impotente
Gelehrten; sie erblüht in wunderbar naher Weise
zu ewigem Leben.
Man muß Gespenster nicht sehen, um daran zu
glauben. Man muß sie sich nicht beweisen lassen.
Alan kann sie sich nicht anders beweisen, als
etwa einen schönen Gedanken, ein Kunstwerk,
einen allerhöchsten Augenblick. Man darf höch-
stens ein paar Eigenschaften der Gespenster er-
raten, ein—zwei psychologische Merkmale, die
niemals trügen und betrügen.
Gespenster sind Träger unserer Gedanken im
Spiele der Welt. Dieses ist zwar aus einer fal-
schen Perspektive gesehen: denn eigentlich sind
die Gedanken nichts als Spiegelbilder der Ge-
spenster. Und jene wirren Abenteuer des Geistes,
bei denen das ewige Für und Wider einem Un-
gefähr der fernsten Empfindung weicht, die Ferne
nahe kommt und die Nähe in die Ferne schweift,
sind eigentlich immer wieder die Walpurgisnächte
einer größeren Systematik.
Gespenster sind eine unerwartete Bereiche-
rung unserer Vorstellungen. Sie legen den Weg
zum Bild zweimal zurück, und bringen deshalb
das Erlebnis frischer in die Seele. Eine neue Art
der Erlebnisse sei dadurch möglich gemacht; die
Kunst, nun wieder an einem Ende angelangt, er-
greife die günstige Gelegenheit und entscheide sich
für Gespenster. An Stelle der bereits mit allem
Komfort der Neuzeit ausgestatteten Illusion mag
nun endlich die von allem materiellen Zwange
befreite Vision treten.
In der Alalerei scheint bereits schon vieles vom
Zwange der Illusion befreit zu sein; es gibt nun
schon Bilder, die nicht mehr so aussehen, „wie
wirklich". Der Expressionismus ist vielleicht der
eiste visionäre Versuch in der Kunst.
Ich glaube aber, daß das Theater sich nun
endlich einmal nach Gespenstern umsehen müßte.
Dann könnte man wieder einmal von schöpferischer
Bühnenkunst reden. Und es würde das nun schon
an ewiger Wiederkehr verstorbene „dramatische
Gedicht" mit ungeheurer neuer Bedeutung zum
dramatischen Gesicht werden.
AHtagetmehMatt
Die Stunden rinnen zeitentlang; des Weges
kümmerliche Enge führt mich dahin.
Nachmittags; Straße; trübe Sonne im Sterben.
Ein Bettler aus Shakespeares besserem Andenken:
die bittende Hand erstarrt aus Demut und
Heuchelei.
Dahinter, im Cafe, die weißen Angesichte der
Mädchen. Eines, in weißer Bluse; blondes Haar;
Afagdalena im Hurenhaus. Ein Kellner bringt
lüstern den Kaffee. Lächeln des Armes, als er den
Zucker emporhebt.
Ein schwarzer Mann auf der Straße, der ge-
schäftig hineilt. Er ist nicht mehr von dieser Weh.
Wirkiichkeits-Spuk. An Zeit und Raum verwirrt;
Agent des Überwelthistorischen.
Später. Ein Zimmer. Die Dame wöibt sich-mir
entgegen. Das Klavier stöhnt. Dolce far nieute,
aber prestissimo. Ein Bild der Aladame X...; ich
denke „Ninon de Lenclos". Schumanns Träumerei;
die Musik des Alltags schreckt mich auf. Im
Spiegel mein Bild: ich hasse mich. Die Dame
spricht es hin. Ich antworte Weniges. Empfehle
mich; gehe.
Wieder auf der Straße. Menschen im Licht.
Rufe. Lachen aus der Ferne. Ein Pferd, wie von
Rodin.
Abends, das Mädchen. Vorwürfe des Alltags.
Man lebt aneinander vorbei. Einsam. Einsamkeit
inmitten des Kusses. Dunkles Lied; das Ungefähr
des Herzens schwankt.
Abschied; es gibt keine Träne, da alles Pathos
verpönt ist.
Paul Hatvanl
Ein großer Traum zu
meiner Freude
„Schon in meiner ersten Ankündigung hatte ich
mit Nachdruck darauf verwiesen, wie das Werk,
das eigentlich ein großer Traum ist und geheimnis-
volle Gründe und Beziehungen der Menschen-
schiaksale enthält, sehr viel mehr als ein guter
Roman wirkt. Das wird zu meiner Freude . . .
So schreibt zum Beispiel die Weserzeitung am
Schiuß eines sechsspaltigen Feuilictons: Es ist ein
Buch, gegen das man ein Verbrechen begeht, wenn
man es iiest wie Poe oder E. Th. A. Hoftmann."
Der Nachdruck, auf den verwiesen wird, hat jetzt
das ftinfundsechzigste bis hundertste Tausend er-
reicht. Solch einen Druck kann man durch sechs-
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