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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Viertes Heft (Juli 1916)
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Schreyer, Lothar: Nacht
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Knoblauch, Adolf: Kaiser Arturs Schachspiel: Kymrisch. Aus der Erzählung vom Traum des Rhonabwy
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0050
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Johanna: Mein Herz webte das schlimme
Kieid.
Mein Herz schlägt nicht mehr.
ich iühie das deine nicht mehr in der Brust.
Das Fleisch unserer Glieder ist ein Schimmer
geworden.
Unsere Rede ist eine Weite.
Es gibt vor ihr keinen Stein und kein Ding.
Tiefe.
Andreas: Wir durchfließen das Körperkleid
Wir werden uns sehen
Hinab
In uns.
Johanna: Ich bin in einem schwärzlichen
Schiff gefahren.
Sein eiserner Leib verdeckte das Meer.
Sein schwärzliches Sege! hat den Himmel
verdeckt.
Ein Laken verfault auf mir.
Wo
Bist
Du.
Andreas: Du.
! (schiafen): Tod.
Sybille J
Andreas: Ich habe dich verioren.
Ich habe mich verioren.
Ich werde in mir sein.
Wir werden uns sehen.
Johanna: Mein Suchen ist ein Warten
geworden.
Ich taste an einer geschiossenen Tür.
Die Türen sind uns verboten.
Meine Fiucht ist ein Suchen geworden.
Die dunkeien Gänge finden das Ende nicht.
Andreas: Ich höre einen Ton von iahenden
Tieren.
Sie faiien aus einem Himmei den ich nicht sehe.
Sie iahen auf eine Erde die ich nicht sehe.
Deine Füße geben keinen Laut.
Deim Mund ist stumm.
Dein Herz schlägt mich nicht mehr.
Johanna: Dein Herz schiägt mich nicht mehr.
Andreas: Blume sind wir gewesen und Stein
und Tier und Mensch.
Ich war ich.
Du war ich.
Einer ist Spiegel geworden.
Wesen und Bild sind in Splitter gebrochen.
Die Scherben iiest keiner auf.
Sie sind die Splitter des Mondes auf einem Meer.
Aber das Meer ist nicht.
Johanna: Die Furt des Schiffes zerrinnt auf
der Fläche in Nichts.
Der leuchtende Flug löst seine Spur in Nichts.
Der Strudel des fahenden Dinges verdunkelt
in Nichts.
Andreas: Du bist nicht gewesen.
Ich bin nicht geworden.
Sterne faiien von meinem Haupt.
Unbekanntes fiießt über geborenes Kind
Unbekannt.
Martin L ^
aschlafen): Gott.
Agathe I
Andreas: In Fremdheit bin ich eingegangen,
ln Schauer zerstiebt mein Sein.
Kein Werden ist zu enträtseln.
Der Fremdiing offenbart sich nie.
Offenbarte wir.
Johanna: Schauer Sein
Werden Rätsel
Fremd
Offenbar.
Andreas: Einsamkeiten umfassen AH.
In Trennung sammeit sich Eins.
Leere verkündet die Füiie.
Der Suchende findet das Andere nie.
Gesuchte wir.

! Aii ist Nichts.

Johanna: Einsam All
Trennung Eins
Leere Fülle
Suchend Gesucht
Nie.
Andreas: Nicht ist das Ali.
Aiies ist nichts.
Johanna: Nichtig ist aiies.
Aiies ist AH.
Andreas: Nichtig ist nichts.
Nichtig ist nicht.
Johanna \
Andreas
Das Dunkel (umschlingt)
(Das Herz der Nacht schlägt iaut)
Der Strahl (schmai blitzt zerfällt).
Zwei Strahlen (weiten giimmen fremd)
Andreas: Die Nachtwache ist von mir gefaiien.
Der Traum ist von mir gefaiien.
Der Traum ist gesunken in den Schlaf.
Schlaf hat mich geboren.
Johanna: Der Schlaf ist gesunken in mich.
Der Traum entroiit seine Spieie nicht mehr.
Zur Nachtwache bin ich nicht wach.
Andreas: Aus der Tiefe tut mein ' Gesicht
sich auf.

Nacht.
Johanna: Nacht ist.
Der Schrei (schreit nicht)
Andreas: Die Nacht sieht mich an.
Die Tür ist aufgegangen vor meinem Wunsch.
Die mondhelle Schwede hab ich verschlafen.
Gewichen sind die aus mir blühten.
Es war eine Treppe in meine Tiefe geöffnet.
Ich ging die Stufen in mich hinab.
In mir verior ich.
Vergessen.
Kleid Leben.
Es ist selig Du zu sein.
Es ich seiig Ich zu sein.
Ich werde nicht mehr liegen im Traum.
Ein Ton war in meiner Hand den ich nicht hielt.
Ein Tanz war auf mir der verwehte.
Eine Wärme an meiner Brust flatterte auf.
Vergessen.
Sie haben ein Wort das Liebe heißt.
Sie haben ein Glück das ich nicht kenne.
Das ist nicht mein.
Einem gehört es zu.
Du sagst es mir einst.
Schweige!
Deine Hände sind verkrampft.
Ueber deinem erstarrten Knie sind die Faiten
starr.
Deine Augen schaudern über deinen Lippen.
Du trägst die Maie der Finger an deinem Hals.
Oeffne die Finger nicht!
Oeffne die Augen nicht!
Wir haben vergessen Abschied zu nehmen.
Es gibt keinen Abschied mehr.
Es ist zu spät.
Die Blätter der Bäume sind weik.
Der Mondknabe stirbt in seinem Schimmer.
Sein kiihies Leuchten klagt in den Wind.
In Traumstichteu kreisen die Worte.
Das maßlose Laken umfiattert den Körper.
O Segci! O Sturm!
Die siibernen Augen tropfen über mich hin.
Ein Sehnen ist in die Nacht gefaiien.

Du.

Das Verlorene schmerzt nicht mehr.
Ueber die Nachtwende ist mein Fuß gegangen.
Das Antlitz des Endes fiießt giäsern dahin.
Der Vogei fliegt fort.
Singen will ich das neue Lied.
Johanna: Der Mondknabe ist verbrannt.
An seinem Herz ist er verbrannt.
Das Mondmädchen lag an seinem Herz.

Das Mondmädchen ist verbrannt.
An seinem Herz ist es verbrannt.
Der Mondknabc lag an seinem Herz.
Sang
Schweigen
Dunkel
Die Leere
Ende

Kaiser Arturs
Schachspiel
Kymriseh
Aus der Erzähtung vom Traum des Rhonabwy
Maehgedichtet von AdoM KnoManeh
Ein Rufen hub an, nach Eirynwych Amhcibin,
Arturs Diener, einem roten groben ungefügen
Manne mit rotem Backenbart und borstigem Haar.
Und siehe, er kam auf hohem rotem Pferd, dessen
Mähne zu beiden Seiten geteilt war, und führte
ein großes prächtiges Saumroß herbei. Der unge-
füge rote Bursche stieg vor Artur vom Pferde
und zog aus dem Baden einen goldenen Stuhl und
einen Teppich von gesticktem Atlas. Vor Artur
breitete er den Teppich aus, an dessen Ecken je
ein Apfel von rotem Golde war. Und auf den
Teppich stellte er den Stuhl, der so groß war, daß
drei gewappnete Krieget* darin zu sitzen ver-
mochten. Des Teppichs Name war Gwenn, und
eine seiner Eigentümlichkeiten bestand darin, daß
wer immer auf ihm war, ihn Niemand erblicken
konnte, während er Jederman sah. Er konnte
keine Farbe als die ihm eigene bewahren.
Und Artur saß auf dem Teppich Gwenn, vor
ihm stand Owain. „Owain", sprach Artur, „willst
du Schach spielen?" „Ich will es, Herr." Der
rote Bursche brachte das Schach für Artur und
Owain, goldene Stücke und ein Silberbrett. Sie
begannen zu spielen.
Als sie dabei waren, sich zum Besten am Spiel
zu unterhalten, erblickten sie ein weißes Zelt mit
rotem Traghimmel, und auf der Spitze des Zeltes
eine kohlschwarze Schlange. Im Kopf der Schlange'
staken rot funkelnd giftige Augen, eine rotflam-
mende Zunge.
Ein junger Edelknabe kam mit Gelblocken-
Haar, blauen Augen und frisch keimendem Bart,,
er trug Rock und Ueberrock von gelbem Atlas,
Bosen von grüngelbem Tuch an den Füßen, über
den Hosen Schuhe von geteilt farbigem Leder,
mit goldenen Haken an den Spannen gefestigt.
Ein schweres, dreischneidiges Schwert mit gold-
nem Heft hing in schwarzer Lederscheide be-
schlagen mit Feingold. Er kam zu der Stelle, wo
der Kaiser und Owain Schach spielten.
Der Jüngling begrüßte Owain. Und Owain
wunderte sich, daß der Jüngling ihn und nicht
Kaiser Artur begrüßte. Artur wußte was in
Owains Gedanken war. „Wundere dich nicht, daß
jetzt der Jüngling dich begrüßte, denn mich be-
grüßte er unlängst. Sein Auftrag geht an dich."
Und der Jüngling sagte zu Owain: „Geschieht es
mit deiner Erlaubnis Herr, daß die jungen Edel-
knaben und Begleiter des Kaisers deine Raben
quälen und zerreissen? Wenn es deine Erlaubnis
nicht ist, veranlasse den Kaiser, daß er es ver-
bietet." „Du hörst, Herr, was der Jüngling er-
zählt", sprach Owain, „wenn es dir gut dünkt, ver-
biete ihnen, meine Raben zu quälen." „Spiel dein
Spiel", sagte Artur. Der Jüngling kehrte zum
Zelt zurück.
Sie beendeten jenes Spiel und begannen ein
anderes. Als sie mitten darinnen waren, kam ein
rötlich junger Mann mit kastanienbraunen Locken,
großen Augen, von gutem Wuchs, frischgeschore-

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