Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

DOI issue:
Achtes Heft (November 1916)
DOI article:
Walden, Herwarth: Schöne Künste
DOI article:
Essig, Hermann: Der Wetterfrosch
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0096
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Pointe vertoren, war die letzte Bemerkung des
hartnäckigen Fragestellers." „Das ist allerdings
richtig, sagte d'Albert. Wenn dem Publikum nur
klar wird, daß Jesus die verhängnisvollen Folgen
seiner Wundertat profetisch voraussah, ist es gleich-
gültig, wer die Mahnung ausspricht." Das könnte
sogar Flerr August Spanuth übernehmen. Daß aber
Jesus die verhängnisvollen Folgen einer Wunder-
tat von Hanns Heinz Ewers profetisch voraussieht,
das hätte die Zensur bestimmt streichen müssen,
Darüber läßt sich nicht streiten.
Eigenhändig
„Die Echtheit der Autographen ist garantiert."
Der Antiquariatskataiog eigenhändiger Briefe mit
eigenhändigen Unterschriften des Buchhändlers
Edmund Meyer führt in die Werkstatt der Herren
Künstler. Sie sagen antiquierte Worte, eigenhändig
mit eigenhändiger Unterschrift. Der Buchhändler
hat es gern, wenn ihn die Kunst unterstützt. Ich
empfehle daher einige Autographen den Lesern
dieser Zeitschrift:
(die Abkürzungen sind laut zu lesen)
32. Blumenthal, Dr. Oscar, Schriftsteller und
Theaterdirektor, geb. 1852, ein eigh. U. 1% S. In
s. Eigensch. als Direktor d. Lessingtheaters;
ä 2.—
„Interessante geschäftliche und private Mittei-
lungen aus der Werkstatt des Dichters und
Theaterdirektors."
„79. Engel, Fritz, Redakteur, geb. 1867, ein S.
Fol. e- m. U. 2. 6. 15 8.—
„Schönes Gedicht: Deutsche Soldatenfrau. Mut-
ter, warum weinst Du so? 14 Zeilen."
„83. Ernst, Otto, Schriftsteller, geb. 1862. Eine
Unterschrift: Hochachtungsvoll Otto Ernst 1.—
„90. Falke, Gustav, Schrittst., geb. 1853. Einige
Briefe e. m. U. ä 2.50
„Mit originellem eingedrucktem Briefkopf
bis 5.—
„112. Fulda, Ludwig, Schrittst., geb. 1862. Eine
Seite e. m. U. 14.50
„Sinniges Gedicht: Wir wissen nicht, woher wir
stammen Wir wissen nicht, wohin wir gehen; Wir
finden uns im Raum zusammen, Bevor wir in der
Zeit verwehen. Wir suchen fragend zu erbeuten,
Vom dunklen Schleier einen Saum, Und können
doch nur immer deuten, Des Lebens wunderlichen
Traum."
„227. Liebermann, Prof. Max, Maler, geb. 1859,
ein eigh. Br. m. U. 314 g. 8" Berlin 22. 4. 99
25.-,
„Sehr humorvoller, interessanter Brief; u. A.:
„Im übrigen geht das Geschäft fabelhaft und ich
werde wohl nächstens ein paar Lehrlinge einstel-
len müssen, um die hiesige und auswärtige Kund-
schaft züfriedenzustellen."
„330. Schlenther, Paul, Kritiker und Literar-
historiker, 1854—1916. Ein eigh. Br. m. U. % S. 8°
1. 5. 83. 5.—
„Er fragt an, ob man seine Broschüre über
d. Zustände d. Kgl- Schauspielhauses anonym
drucken will."
„372. Stettenheim:, Julius (Wippchen), Humorist
und Schrittst., geb. 1831. Viele interessante Briefe
geschäftlichen und humoristischen Inhalts. Bis 4.40.
Das ist die sogenannte richesse d'embarras: die
interessanten geschäftlichen Mitteilungen aus der
Werkstatt des Dichters Blumenthal, Dr. Oscar
a 2.—. Hochachtungsvoll, Ernst, Otto, Schriftsteller
2.50. Falke, Gustav, Schrittst, mit originel-
lem Briefkopf bis 5.—. Fulda, Ludwig, Schrittst.,
wunderlicher Traum für Mk. 14.50. Lieber-
mann, Prof. Max, mit dem fabelhaften Ge-
schäft für Mk. 25.—. Schlenther, Paul, der
anonyme Kritiker und Literarhistoriker, schon

für Mk. 5.-—. Stettenheim, Julius, interessant
durch Geschäft und Humor schon bis Mk. 4.50: und
alles eigenhändig, mit Garantie der Echtheit. Ich
habe sie alle gekannt, die Herren Künstler, bevor
ich sie brieflich behandeln konnte.
Herwarth Waiden

Der Wetterfrosch
Hermann Essig
Einen Fuchssprung vom Dorfe stand eine
Erlengruppe um einen kleinen Teich. Dort wohnte
ein sehr alter Frosch. Man nannte ihn den „alten
Schick". Der Ursprung dieses Namens war Nie-
mand bekannt, beliebt war „Schick" bei den
übrigen Dorfbewohnern nicht.
In seinem Hause oder in seinem kleinen König-
reich, das dicht bevölkert war, ließ er sich von
keinem Menschen etwas drein reden. Im Gegen-
teil „Er" dehnte mit Willkür seine Macht bis auf
eine Meile und noch weiter im Umkreis aus. Er
machte Wetter.
Schick sprach zu aller Welt von seinem
Froschteich und lobte ihn über alle Massen. Weil
die Erlenbäume mit den glänzenden Blättern ihm
wohl als Hüter dienten und ihre Blätter gar rege
Unterhaltung mit den Insassen des Teichs pflogen,
begriff man das aufdringliche Eigenlob des Herrn
Schick, und allgemein lag hinter dem Dorfe noch
vor dem Tannenwald das „grüne Königreich".
Boshaftigkeit nur sagte „Krötenloch".
Schick mißtraute dem einen Ausdruck, er hielt
ihn für Schmeichelei, glaubte den andern nicht,
weil er deutlich vom Neide ausging. Nur die,
welche mit Bewußtsein zum „Froschteich" gingen,
gingen zu Herrn Schick und nur die beachtete er.
Er haßte aber die, welche seiner Eitelkeit ein Leid
zufügten, an denen rächte er ssich. Und seine
Rache war sehr gefürchtet. Wenn er Rache nahm',
nahm er sie an Hab und Gut, auch an Leib und
Leben der Ortsbewohner und ihres Viehs.
Durch sein allgemeines Bekanntsein hatten
Schicks Kopf, seine Augen, sein Maul, seine
Backen, sein Bauch, seine Arme, seine Beine,
extra seine Schenkel — von diesen erzählten die
Bauern die fabelhaftesten Wunder — eine Herren-
bedeutung im Dorfe erlangt. Ging ein Bauer an
Schicks Hause, am grünen Königreich, vorbei und
sah Schicks glacezarten Bauch, so wars ein Beutel
voll schlechter Laune und es setzte ein Gewitter
auf die lahmen Kühe, daß sie ausgriffen wie eng-
lische Renner und der Wagen hinterdreinschlen-
kerte wie ein ungewisses Fragezeichen. Schick
hob dann an herzlich hinter her zu lachen, bis er
wieder gut gelaunt war. Wer einen Frosch schon
lachen gehört hat! . . der hat genug davon. Hagel,
Blitz und Donner.
Im Sommer saß Schick oft mit glatter Blösse
den Erlen auf die Füße und die ließen sich's ge-
fallen, weil sie nicht davon konnten. Die Erle, die
er gerade für sein Hinterteil in Anspruch zu neh-
men geruhte, war — seiner Ansicht nach — fein
heraus. Aber die Erle durchschauerte es, sie fing
an, sich zu bewegen und ihre Schwestern und
Brüder halfen so lange mit, bis ein kräftiges
Säusseln entstand und dem Frosch auf den Rücken
bließ. Da das ekelhaft kitzelte und ihm den Rücken
hinauflief, plumps! platschte er ins Wasser, das
ihn gleichmäßig warm umhüllte und das Jucken
rasch entfernte. Zum Zeichen aber, daß die Erlen
dumm seien, hob er den breiten Kopf schräg
durch die reizenden Algen und Tange „denen
er eben so zugetan sei, ja die Algen gerade wären
der wahre Schmuck des Hauses, die Zierde des

Reiches, nur derenwegen sei es möglich, vom
.grünen Königreich' zu reden." Das war den Erlen
wurst, sie waren froh, daß sie ihn los waren, in
hellem Lachen zitterten ihre Blätter. Aus Höflich-
keit kicherte Schick, sah aber sofort wieder eitel
und ernst nach zwei schön blau gekleideten Libel-
linnen. Er querkste, da sie nicht her sahen. Bis
endlich lachte und drehte sich die eine auf dem
glitzernden Ertenblatt: „schwimberim haha der
alte Schick". Das freute Schick mächtig und mit
klaffender Zahnlücke grinste er nach oben. Aber
die Libellen waren schon hoch in die Luft ge-
schnellt und weg. Das brach ihm das alte Herz
und er setzte sich mitten im Teich auf den Boden.
Herzensqual und Libellenliebe. Er sah ein, das
mußte enden, es brachte ihn ja unter den Boden.
Er beschloß, die Freuden, die Sommerlust, dies-
mal zeitig abzubrechen, — zu schließen.
Der alte Schick schloß.
Was das hieß! Es war nicht bloß wie in den
großen Städten, wo man über Nacht Rolläden
über die glänzenden Schaufenster herabläßt. Das
war ein Schluß auf lange. Das wußte Jederman.
Das hieß „es wurde ein grimmer Winter".
Die Raben flogen vom Walde aufs Feld heraus,
sie sammelten sich und dohlten und krächzten laut
durcheinander. Die meisten schönen Singvögelein
flogen fort in warme Gegenden, um ihren Kehlkopf
vor der rauhen Luft zu schützen. Der Bauern
Kinder wischten das gelbe Zäpfchen von der Nase
und schlüpften in die Strümpfe und mit den
Strümpfen in die Schuhe. Die Wäsche trocknete
jetzt in der Stube am warmen Ofen. Wer dickes
Zeug hatte holte das aus den Truhen. Die Bettler
von der Landstraße bewarben sich um Arbeit und
ums Arrestlokal. — Das alles kam, wenn Schick
schloß.
Der alte Schick machte diesmal ein besonders
graues Gesicht. Er berief die geschicktesten, stot-
terndsten Klempner, die spitznäsigsten Glaser mit
den meisten Splittern um die Augen, die sanftesten
Maler und eitelsten Künstler im Jugendstil bis zu
den Algen und Tangen zu sich. Es ärgerte ihn, daß
sie sich erst um ihn sammeln wollten, er schrie sie
an: „ein dickes festes Dach will ich über den Teich
„ein dickes festes Dach will ich über den Teich
gelegt haben". Ein Murmeln ging durch die Ver-
sammlung, der Spiegel vom Teich geriet in Span-
nung. Ohne lautes Widerwort ging alles fleissig
an die Arbeit, es zog und schob, knackte und
klopfte, klebte und malte. Viele erfroren vor Kälte
die Finger, die Ohren und Nasen und mußten auf-
geben und zu Boden sinken. Aber Schick knurrte
nur und drückte die Daumen an die Waden: „bis
Morgen früh zum Sonnenaufgang muß das Dach
fertig sein! flink!" „Ich will nichts mehr
wissen von der Welt draußen". So kam es auch.
Als die Sonne am kalten Himmel heraufkam, und
donnernd aufbrach, lag die Erde weiß wie Zink
da und der Teich war still, ganz totenstill, aber
schön. Oh! dieses Wunder. Eine smaragdgrüne
Mosaik mit Perlmutter und Perlen, Edelsteinen und
Demanten durchsetzt, aus Glas und aus Blättern.
Dieser kostbare Aufwand! kein König von den
Hebriden vermochte ihn zu machen. Aber sie war
da, die herrliche Decke vom Froschteich, mit Mil-
liarden verfertigt. So reich war der Frosch. Darum
auch „das grüne Königreich". Und wenn man
durch das Dach hindurchsah, sah man unten auf
dem Grunde unbeweglich und steinvornehm den
alten Schick sitzen, den reichen Herrn. An Algen,
an grünen Algen, die so wunderbar leuchteten,
war er so beneidenswert reich,-jede einzelne
wiegt Millionen von Gold auf in ihrer kleinen
Pracht —.
Als sich die Erlen die Augen ausrieben und
blinzelten, sahen sie zunächst nur weiß, weiß bis

90
 
Annotationen