Mädel:
Ein schöner Mann, ein Weib bist Du nicht, Ich
bin ein Weib.
Poti z ist kommt schneH die Straße herauf.
Mädei:
Wilhelm, Wiiheim!
Polizist:
Ein Selbstmord. Ich bin nicht frei.
Mädel:
Aber ich! (Weit hinten) Ich!
Ende
Die Kirche
Adolf Knoblauch
Für Lyonei Feininger
Ais ich geboren wurde nannte mich eine Liebling,
verkürzte meinen Vornamen, gab mir
zu trinken, zu atmen, zu spielen.
Ich düstere in der Nachtfrühe, breche den
Turm des Domes ab,
trage seine Mauern zuseite bis auf den
rechteckigen Grundbau.
Wolken wandeln regenschwer über den
nachtschwarzen Häuserkreis.
Kiesiger Heerzug tritt zum Marsch an.
Von bleichen Heimen, Eisenmündungen
der Gewehre
wogen graue Linien in der endios starrenden
Masse,
im stähiern stampfenden Rahmen.
Heer überzieht die Stadt, das Land, die Berge,
im unendlichen Marsch, wuchtig geschmeidig,
wachsam.
ich breche die Stadt ab, trage ihre wimmelnden
Stuben zuseite.
schließe die bunten Läden, lösche in der Frühe
die Lichter
und versammle die Einwohner.
Zu ihren Häupten hänge ich mein Herz,
goldene Giocke, die giüht und pocht,
Trostlose festigt, zu Leidgequäiten,
Zerbrochenen golden murmeit.
Linde Weinestropfen sinken aus unsichtbaren
Augen in die Schalen ihrer Hände.
Ich kniee an der Oedstelie, wo ehedem der
Kirche Turm
und sorgenzerschlissene gefurchte Mauern ragten.
Die Meinigen beten!
Die Front rollt, Gefahr wetterleuchtet, Marsch
dröhnt.
Das Herz krampft vom Leid über alles Maß.
Das Auge überwach, alle Sinne taub vom Leid
über alles Maß.
Jedes Herz durchsichtig gespannt,
Flughaut des Windes überm Fluß.
Hunderte von Batterien rollen,
Infanteriestürme prallen gegen Einander
die Feldschlacht steht im achten Mond.
Ich trage das blutigrote Leid!
Ich halte das Leid hoch überm marschierenden
Heere.
Ich beuge mich über die Frauen hinter dem Heere!
Jeder nennt mich Kamerad!
Kamerad, bist du vom blutigroten Leid gehärtet
im Heere?
Kamerad, beugst du dich über die Frauen hinter
dem Heere?
Nennt dich Einer Lieber Kamerad?
Zwiesprache
In Ehrfurcht und Verehrung
dem Hamburger Fremdenbiatt
Eine Zeitung ist auf mich gefaiien —
Eine Kritik albt auf meiner Brust.
Die Kritik fiattert.
Ich träume.
Die Kritik: Du willst Dichter sein. Kannst nicht
wärmen, du Ofen mit Papierfeuer.
Mein Traum: Ich träume Dichtung. Ich wärme
die Irdischen nicht. Wir sind das Land,
wo Sonne wandelt.
Die Kritik: Einbildung. Deine Einbildung erwärmt
dich.
Mein Traum: Deine Bildung erkältet dich.
Die Kritik: Dein Ausdruck gibt mir keinen Ein-
druck.
Mein Traum: Deine Eindrücke bedrücken dich.
Du findest keinen Ausdruck.
Die Kritik: Ich bin der Wächter der Kunst.
Mein Traum: Blinder Nachtwächter der Presse.
Die Kritik: Bruch, Bruch ist deine Dichtung.
Mein Traum: Der zerbricht düch, Fels aller
Wächter!
Die Kritik: Euer Sturm tost im Wasserglase.
Mein Traum: Das Wasser hat dich erkältet. Du
hustest.
Ein Sturm braust. Die Kritik flattert von
meiner Brust. Ich singe.
Kurt Heynicke
Ich entgegne
Die Zeitschrift „Geistiges Eigentum" erscheint
unter der Hut des Herrn Friedrich Huth in Char-
l'ottenburg. „Sie hat es sich zur Aufgabe gestellt,
die literarische Weit auf begabte Autoren auf-
merksam zu machen, die sich noch nicht eines
bekannten und klangvollen Namens erfreuen".
Also bitte, meine Herren Autoren, klingt euern
Namen herein, unter die Hut des Herrn Huth,
Charlottenburg Kaiser Friedrichstr. 53!
Ein Flut bedeckt allerdings stets nur einen
beschränkten, mehr oder weniger kahlen Raum,
unter welchem das geistige Eigentum (in Oiktav-
format) unbekannten Autoren zu klangvollen
Namen verhilft.
Der Huth auf dem Kopfe des geistigen Eigen-
tums ist so beschränkt, daß er nicht über die
Schranken sehen kann, die sein geistiges Eigen-
tum von der Kunst trennen.
Denn, lieber Huth, die Kunst ist unser Eigen-
tum.
Sie hassen die Sterne, weil sie Ihr Haupt von
oben bescheiden. Wtir aber wandeln mitten
unter ihnen.
Sie bellen von unten.
Ich, und die meiner Seele sind, scheinen von
oben.
Sie können die Kunst nicht begreifen, uns
aber hat die Kunst ergriffen.
Nehmen Sie Ihren Hut, Herr Huth, und be-
decken Sie jene Kohlrübe, um deren Verlust Sie
fürchten.
Fürchten Sie nicht, lieber Huth. Sterne sind
für Sie zwar unverdaulich, aber solange Sie Ihr
geistiges Eigentum begießen, werden Ihre Kohl-
rüben wachsen.
Meine Sterne aber glühen!
Kurt Heynicke
Knabenstunde
Augen brennen im Abendraum. Blicke träu-
men in Falten von Gardinen. Hände schleichen
um den Tischrand. Die Lampe würgt den Docht.
Die Flamme leckt das Gias. Schultern schluchzen
auf der eisen Platte. Die Hände schleichen weiter,
weiter, immer weiter um den Rand.
Die Uhr an der Wand rückt den Zeiger.
Die Lippen beben ein Wort. Ein weißer Strahl
ritzt die Gardine, gleitet nach der Uhr, spielt
Hasche mit dem Ticken.
Zähne haken die Handgelenke. Schultern
schiittern. Die Glieder fallen Kreuz auseinander.
Würge Träume reißen das Herz hoch, werfen
es zwischen Sterne, spannen es an den weißen
Mond.
Das Herz blickt nieder. Es sucht und sucht
den Namen, den Namen, der um die weite Erde
rollt. Der Mond wandert um die Nacht.
Im Zimmer steht die Uhr.
Sophie van Leer
Lieder
Wilhelm Runge
Auf springt der Tod und zügelt starr die Augen
Himmel reißt Sehen blutend aus dem Tag
Gebrochen sinkt der Sonne strahle Blume
blau plündert niedrig
Schreien spritzt in Trümmer
Rauch zücken Hände
Erde bröckelt Blut
wild hebt die Liebe weißtduwo ^
Gedenken stolpert brudertiberfreund
hin durch den Graben splittert Tod Zerpcitschen
und Sterben raucht das kurze Pfeifchen lässig
blau wirbeln Träume kinderblume Tränen
einsam versargt
das Leid
*
* *
Grauen schaufelt Löcher in den Tag
wirft Lachen rein
und schleift das Schweigen weiter
die Stirne zwängt den Graben durch den Tag
der Graben springt
die Drahtverhaue schreien
"Stürmen bricht durch
sinnlos jagt sinnennach
und
zwischen Küsse
betten
Tränen
Staub
*
* *
Blut stöhnt die Welt
Blut läßt sie lässig fallen
Avirft nach die Sterne in den trägen Staub
Hoch reckt das Herz vielsommerstarke Himmel
Gewissenlos brückt Überstern die Hand
und greift das totzerzauste Kinderlächeln
Haschend neckt Seele Sterben Spiel durch Spiel
Sinnen küßt Mutterbeten in der Ferne
Sorglos streicht Tränen aus der klaren Stirn
und lehnt das Haupt dem grauenhaften Tag ge-
lassen in den todesschwangern Schoß
143
Ein schöner Mann, ein Weib bist Du nicht, Ich
bin ein Weib.
Poti z ist kommt schneH die Straße herauf.
Mädei:
Wilhelm, Wiiheim!
Polizist:
Ein Selbstmord. Ich bin nicht frei.
Mädel:
Aber ich! (Weit hinten) Ich!
Ende
Die Kirche
Adolf Knoblauch
Für Lyonei Feininger
Ais ich geboren wurde nannte mich eine Liebling,
verkürzte meinen Vornamen, gab mir
zu trinken, zu atmen, zu spielen.
Ich düstere in der Nachtfrühe, breche den
Turm des Domes ab,
trage seine Mauern zuseite bis auf den
rechteckigen Grundbau.
Wolken wandeln regenschwer über den
nachtschwarzen Häuserkreis.
Kiesiger Heerzug tritt zum Marsch an.
Von bleichen Heimen, Eisenmündungen
der Gewehre
wogen graue Linien in der endios starrenden
Masse,
im stähiern stampfenden Rahmen.
Heer überzieht die Stadt, das Land, die Berge,
im unendlichen Marsch, wuchtig geschmeidig,
wachsam.
ich breche die Stadt ab, trage ihre wimmelnden
Stuben zuseite.
schließe die bunten Läden, lösche in der Frühe
die Lichter
und versammle die Einwohner.
Zu ihren Häupten hänge ich mein Herz,
goldene Giocke, die giüht und pocht,
Trostlose festigt, zu Leidgequäiten,
Zerbrochenen golden murmeit.
Linde Weinestropfen sinken aus unsichtbaren
Augen in die Schalen ihrer Hände.
Ich kniee an der Oedstelie, wo ehedem der
Kirche Turm
und sorgenzerschlissene gefurchte Mauern ragten.
Die Meinigen beten!
Die Front rollt, Gefahr wetterleuchtet, Marsch
dröhnt.
Das Herz krampft vom Leid über alles Maß.
Das Auge überwach, alle Sinne taub vom Leid
über alles Maß.
Jedes Herz durchsichtig gespannt,
Flughaut des Windes überm Fluß.
Hunderte von Batterien rollen,
Infanteriestürme prallen gegen Einander
die Feldschlacht steht im achten Mond.
Ich trage das blutigrote Leid!
Ich halte das Leid hoch überm marschierenden
Heere.
Ich beuge mich über die Frauen hinter dem Heere!
Jeder nennt mich Kamerad!
Kamerad, bist du vom blutigroten Leid gehärtet
im Heere?
Kamerad, beugst du dich über die Frauen hinter
dem Heere?
Nennt dich Einer Lieber Kamerad?
Zwiesprache
In Ehrfurcht und Verehrung
dem Hamburger Fremdenbiatt
Eine Zeitung ist auf mich gefaiien —
Eine Kritik albt auf meiner Brust.
Die Kritik fiattert.
Ich träume.
Die Kritik: Du willst Dichter sein. Kannst nicht
wärmen, du Ofen mit Papierfeuer.
Mein Traum: Ich träume Dichtung. Ich wärme
die Irdischen nicht. Wir sind das Land,
wo Sonne wandelt.
Die Kritik: Einbildung. Deine Einbildung erwärmt
dich.
Mein Traum: Deine Bildung erkältet dich.
Die Kritik: Dein Ausdruck gibt mir keinen Ein-
druck.
Mein Traum: Deine Eindrücke bedrücken dich.
Du findest keinen Ausdruck.
Die Kritik: Ich bin der Wächter der Kunst.
Mein Traum: Blinder Nachtwächter der Presse.
Die Kritik: Bruch, Bruch ist deine Dichtung.
Mein Traum: Der zerbricht düch, Fels aller
Wächter!
Die Kritik: Euer Sturm tost im Wasserglase.
Mein Traum: Das Wasser hat dich erkältet. Du
hustest.
Ein Sturm braust. Die Kritik flattert von
meiner Brust. Ich singe.
Kurt Heynicke
Ich entgegne
Die Zeitschrift „Geistiges Eigentum" erscheint
unter der Hut des Herrn Friedrich Huth in Char-
l'ottenburg. „Sie hat es sich zur Aufgabe gestellt,
die literarische Weit auf begabte Autoren auf-
merksam zu machen, die sich noch nicht eines
bekannten und klangvollen Namens erfreuen".
Also bitte, meine Herren Autoren, klingt euern
Namen herein, unter die Hut des Herrn Huth,
Charlottenburg Kaiser Friedrichstr. 53!
Ein Flut bedeckt allerdings stets nur einen
beschränkten, mehr oder weniger kahlen Raum,
unter welchem das geistige Eigentum (in Oiktav-
format) unbekannten Autoren zu klangvollen
Namen verhilft.
Der Huth auf dem Kopfe des geistigen Eigen-
tums ist so beschränkt, daß er nicht über die
Schranken sehen kann, die sein geistiges Eigen-
tum von der Kunst trennen.
Denn, lieber Huth, die Kunst ist unser Eigen-
tum.
Sie hassen die Sterne, weil sie Ihr Haupt von
oben bescheiden. Wtir aber wandeln mitten
unter ihnen.
Sie bellen von unten.
Ich, und die meiner Seele sind, scheinen von
oben.
Sie können die Kunst nicht begreifen, uns
aber hat die Kunst ergriffen.
Nehmen Sie Ihren Hut, Herr Huth, und be-
decken Sie jene Kohlrübe, um deren Verlust Sie
fürchten.
Fürchten Sie nicht, lieber Huth. Sterne sind
für Sie zwar unverdaulich, aber solange Sie Ihr
geistiges Eigentum begießen, werden Ihre Kohl-
rüben wachsen.
Meine Sterne aber glühen!
Kurt Heynicke
Knabenstunde
Augen brennen im Abendraum. Blicke träu-
men in Falten von Gardinen. Hände schleichen
um den Tischrand. Die Lampe würgt den Docht.
Die Flamme leckt das Gias. Schultern schluchzen
auf der eisen Platte. Die Hände schleichen weiter,
weiter, immer weiter um den Rand.
Die Uhr an der Wand rückt den Zeiger.
Die Lippen beben ein Wort. Ein weißer Strahl
ritzt die Gardine, gleitet nach der Uhr, spielt
Hasche mit dem Ticken.
Zähne haken die Handgelenke. Schultern
schiittern. Die Glieder fallen Kreuz auseinander.
Würge Träume reißen das Herz hoch, werfen
es zwischen Sterne, spannen es an den weißen
Mond.
Das Herz blickt nieder. Es sucht und sucht
den Namen, den Namen, der um die weite Erde
rollt. Der Mond wandert um die Nacht.
Im Zimmer steht die Uhr.
Sophie van Leer
Lieder
Wilhelm Runge
Auf springt der Tod und zügelt starr die Augen
Himmel reißt Sehen blutend aus dem Tag
Gebrochen sinkt der Sonne strahle Blume
blau plündert niedrig
Schreien spritzt in Trümmer
Rauch zücken Hände
Erde bröckelt Blut
wild hebt die Liebe weißtduwo ^
Gedenken stolpert brudertiberfreund
hin durch den Graben splittert Tod Zerpcitschen
und Sterben raucht das kurze Pfeifchen lässig
blau wirbeln Träume kinderblume Tränen
einsam versargt
das Leid
*
* *
Grauen schaufelt Löcher in den Tag
wirft Lachen rein
und schleift das Schweigen weiter
die Stirne zwängt den Graben durch den Tag
der Graben springt
die Drahtverhaue schreien
"Stürmen bricht durch
sinnlos jagt sinnennach
und
zwischen Küsse
betten
Tränen
Staub
*
* *
Blut stöhnt die Welt
Blut läßt sie lässig fallen
Avirft nach die Sterne in den trägen Staub
Hoch reckt das Herz vielsommerstarke Himmel
Gewissenlos brückt Überstern die Hand
und greift das totzerzauste Kinderlächeln
Haschend neckt Seele Sterben Spiel durch Spiel
Sinnen küßt Mutterbeten in der Ferne
Sorglos streicht Tränen aus der klaren Stirn
und lehnt das Haupt dem grauenhaften Tag ge-
lassen in den todesschwangern Schoß
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