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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 9.1918-1919

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Drittes Heft (Juni 1918)
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Allwohn, Adolf: Um Gott
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Dresler, Kinner von: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37111#0043
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fern läuten traute Suchhände. Dunkle Flächen bäumen sich
leis. Es ist eine Sehne gespannt. Die Erde wagt in weiter
Ferne ein kleines Licht. Du gehst und wartest. WLrtest und
gehst.
Rausch hat niedergesunken. Schlaf hat den Weg erwürgt.
Erlen zacken das Haar. Die Stille klangt schwarz. Die Stille
lechzt weh. Irgendwo.
Mond ist der Kopf. Leib schnurrt Nebelhaare. Leib
drückt Nebelhände blaßrot. Einer Greisin Runzeln zer-
witiern lila Angst. Du siehst Wälder untergegangener Räuber-
schreie. Groß ist der Leib. Groß ist der Kopf. Nebel zer-
fangen. Nebel zerdrängen. Du lebst Augen zerheult, Ohren
zerwinselt, Haare zergähnt. Nur eine Mühle stampft in dir.
Und Räder heulen. Ein Hund gelbt Kalten. Ein Gott jacht
Juchen. Erde kometet Schweiß. Himmel kreißt Bären. Und
ist bar. Und ist schwarzgrün vor der Tiefe. Und ist gelbtot
am Ende.
Unter Sandöden warten viel tote Tiere. Pferde steilen unter
den Flüchen des Fuhrmanns. Pferde strecken Zungen aus
Schaummäulern. Den Berg hinan! Den Berg hinan! Wagen
rattern Angst unter den Granaten. Wagen schmeißen Kot
über die Löcher. Schreie strecken sich aus hohlen Blecheimern
weit nach vorn.
In den Städten zerwarfen sich viele Menschen. Frauen tragen
einen Leib. Frauen zermartern ihre Hoffnung. Männer ste-
chen harte Knochen in den Wangen. Kleine Mädchen bleichen
einen scheuen Hunger. In den Pfützen sind viel kranke Augen-
fänder. In Kellerhöhlen duckt ein Schuster. Sein Kopf ist vor-
gequollen, Sein Auge trieft tiefes Glaslicht. Sein Mund kaut
zahnloses Dunstschauen. Menschen warten draußen auf lan-
gen Straßen. Warten in den Versammlungen. Warten auf
allen Bahnhöfen. Viel Maschinen stehen und warten in die
blaßschimmernden Schienenstränge. Künde Schauung! Schau-
ung künde! Künde!
Jetzt sind leise Fahnen auf den Straßen. Ein blasser Himmel
versucht, in die Sonne zu birken. Die Erde blinselt. Die Erde
fragt. Die Erde bangt alle Fragen. Stößt bleiche Fragen tief.
Glimmt toten Trost in Heiden. Ein einsamer Wegweiser starrt
und stirbt.
Viel Menschen sterben. Die Menschen sterben.
Alle Menschen sind gestorben.
Ein Wort. Ein Schrei!
Alensch du, Bruder du kniee in dich. Vertauche dich unter.
Verwarte dich stille.
Er kommt!
Gott!


Gedichte
Kioner von Dresler
Straßen Häuser schlagen Kanten
Bäume schließen Kerkertüren
Musik rasselt Ketten
Lichter ritzen Dornenkronen
Menschen fremden Verbannung
Asphalt
Ich
Nicht ich
Versinken Sterben loses Lassen
Erblassen
Z,errissen
Weites Fließen
Breites Gießen
Schlaf
Erbarmen

Steigen
Schweben
Reigen neigen
Regen
Striche streicheln
Tasten lasten
Sanftes Schwellen
Rieseln Quellen
Düfte fliegen
Erdenwiegen pochen Blut
Seufzer zieht
Schreckt
Schreit
Licht
Augen
Deine Augen
Lispelnd springt ein heller Quell
Blanke Blitze tiefen
Vergessen senkt den Schleier
Nacht
Du
Schlanke Arme webt ein Netz
Schlingt
Ich will in weißen Maschen schmachten
Himmel stürzen breiten bergen
Wandern wirkt goldene Fäden und spinnt die Spule
Aus Kirschblüten sauge ich den Honig in Dir
Frühlingsblumen sind Deine Kinder
Kleine pochende Herzen Dein Herz
Sie leuchten Dich
Sie duften Dich
Sie blühen Dich
Sie welken nie
Wir sind in unserer Liebe
Brummeikäfer brummt im Brombeerbusch
Schmetterling malt Farben
Libelle singt schwirrend
Ameise kribbelt am Halm
Näschen keck
Ein süßer Mund
Und atmen
Die Peitsche schreit
Gellend schlägt der Schmerz ein Tor
Das Tor stimmt den Schmerz
Der Schmerz zwingt
Wir rasen gegen
Wir müssen
Die Stirnen dringen wund
Die Kniee schürfen spitze Steine
Das Tor springt auf
Sperrangelweit die Nacht
Gesichter brennen Feuerlohe
Rasende Reifen sprühen Lichtfunken
Wirbelnde Sonnen schmelzen Aleere
Glühende Pfeile hetzen
Leuchtende Wunden wellen
Liebesscheiterhaufen flackert flirrend
Helle Stürme wecken
* X- *
Ragende Türme streben einsame Himmel
Schwebende Brücken greifen schwindelnde Ufer
Rings brodeln Massen fern
Wir stehn auf tönenden Zinnen
Wir senken unsere Hände auf unsere Herzen
 
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