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Sturm (Berlin); Walden, Nell [Ill.]; Donas, Marthe [Ill.]
Der Sturm: Juni 1920, siebenundachtzigste Ausstellung : Nell Walden, Tour Donas, Gesamtschau, Gemälde, Bildwerke, Aquarelle, Zeichnungen — Berlin: Galerie Der Sturm, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.73882#0013
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Glaube, daß unsere Zukunft schon heute in uns lebt, mit uns und
durch uns, und daß das Heute darum so unaussprechlich schön
ist, weil sich die unbekannte Gottheit uns heute noch vertraut,
wenn wir nur ihr vertrauen.
Herz und Glaube sind der weiche Kern des Sturms, dessen
harter Name erst durch seinen Willen zu Recht besteht. Herjagen
will der Sturm über den Kunsthimmel, die trägen Wasser auf-
peitschen, entlauben die alten schwachen Bäume und ihren mor-
schen Leib aufreißen, verschüttete Schätze wieder aufdecken und
blasen, daß die kranken Lichter verlöschen und die starken hell
aufflammen.
Und dieser Wille lebt in seiner Tat: Sehen Sie Kandinsky, euro-
päische url asiatische Kunstwerte feiern in seinen stürmischen
Bildern prunkvolle Hochzeit! Belauschen Sie die Brandung der
Wasserberge im aufgewühlten Meere der Kompositionen von
Marc: dieser Rhythmus wird Ihnen dann ewig nachklingen! Be-
staunen Sie die Kleezeichnungen, die — wie bei einem Staffel-
bruch Hunderter von Generationen — plötzlich die geheimsten
Beziehungen von Sehnsucht und Schöpfung zu Tage treten lassen.
So ließen sich noch viele nennen. Doch kommt es darauf weniger
an, als daß Sie die Augen öffnen und das Herz nicht verschlossen
halten! Wie ernst und schwer die Bilder der Heemskerck sind,
wie es bei Baumann aus dem Dunkeln seltsam leuchtet und wie
bei Campendonk alles lustig und siegesfroh vorwärts stürmt!
Strahlt es nicht aus allen Bildern wie aus Augen, die einer frohen
Zukunft gewiß sind.
Wenn Sie aber an den Traditionen unserer formenblinden Ver-
gangenheit festhalten (denn wie einem das musikalische Gehör
fehlen kann, so kann das innere formale Gesicht fehlen — das
ist beides keine Schande), so lesen Sie Herwarth Walden: „Kunst-
kritiker und Kunstmaler". Sein Witz und seine schwertharte
Zunge werden Sie vielleicht zur Vorsicht im Urteil bekehren und
damit den ersten Grund zum Verständnis jeder neuen Schöpfung
legen.
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