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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Sechstes Heft
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Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [2]: Dichtung zwischen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0138
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dient zu haben. Die Ziele meines Lebens
sind durchaus auf das Edle gerichtet.
Auf das Verhältnis mit Horaz, dem Römer.
Nun verstehe ich erst, was mir Anna von
Ihnen erzählt hat.
Viel Gutes, was ich Euch beiden edlen
Menschen wünsche. Komm Martha.
Seien Sie nicht böse, aber Sie haben mich
sehr gereizt.
Schwägerinnen sind nun einmal reizend.
Trotzdem weichen wir der reizenden Braut.
Wir winden Dir den Jungfernkranz, Anna.
Was habt Ihr denn.
Kein Verhältnis mit Horaz, dem Römer.
Haben Sie dich beleidigt, Ernst.
Junge Mädchen können einen Mann nicht
beleidigen.
Ich habe es gewusst, dass Ihr aneinander
geraten werdet.
Das dürfte wohl nicht der richtige Aus-
druck sein.
Erna meint es sicher nicht böse, sie ist nur
in dem Alter.
Dieses Alter finde ich geschmacklos. Für
mich fängt der Mensch erst mit der reifen
Persönlichkeit an. Ausserdem ziehen sich
Deine Schwestern an wie es sich für Mäd-
chen aus guter Familie nicht schickt.
Erna ist sehr eigenartig.
Eigenart ist etwas Inneres. Du müsstest
auf deine jüngeren Schwestern veredelnd
wirken. Ohne ihnen zu nahe treten zu
wollen ist man doch allzu leicht geneigt
und zwar mit einem gewissen, nicht ab-
zustreitendem Recht, von diesen äusseren
freien Sitten in Kleidung und Sprache auf
eine gewisse Sittenlosigkeit der Lebensauf-
fassung zu schliessen.
Ich habe gar keine Macht über sie.
Die gute Familie ist ein sittliches Phänomen,
das verpflichtet. So bin ich überzeugt, dass
Deine Schwestern keinen Sinn für die Wahr-
heit haben.
Man kommt aber mit der Wahrheit nicht
durch das Leben.
Lügen ist unsittlich.
Du musst nicht so streng sein, Ernst. Wie
oft habe ich lügen müssen, um Dich sehen
zu können.
Das ist auch etwas anderes. Bei Dir ist
das Lügen nur ein Mittel gewesen, das auf
einen sittlichen Zweck gerichtet gewesen ist.
Das sagst Du jetzt aus Liebe.
Durchaus nicht, die Ehe ist ein sittlicher

Zweck. Hoffentlich haben Deine Schwestern
nicht Verhältnisse.
Wirst Du Sonntag kommen.
Deine Antwort ist wieder einmal unlogisch.
Ich kann nichts unlogisches vertragen.
Du bist heute so hart.
Jetzt kommt der Ernst des Lebens, mein
Kind. Ich fühle mich eins mit Dir in der
Auffassung, dass die Ehe ein sittliches Phä-
nomen ist. Wir werden beide trachten,
darnach zu leben.
Liebst Du mich denn ein klein wenig.
Die Liebe versteht sich von selbst. Alles
andere muss erarbeitet werden. Wie glück-
lich werden wir beide werden.
Du bist ein grosser guter Mensch,
Ernst.
Noch nicht. Aber ich bestrebe mich, es zu
werden. Und Du wirst mir helfen mein
Lieb.
Mein Schatz willst Du mir nicht einen Kuss
geben.
Am Sonntag werde ich reinen Herzens vor
den Eltern zum ersten Mal Deinen Rosen-
mund berühren.
Endlich.
Endlich bist Du fertig.
Sehe ich nicht zu dick in rosa aus.
Steck doch eine Rose in den Gürtel.
Und sei recht freundlich zu ihm Mutter.
Wann sollen wir kommen, Mutter.
Warum hast Du dein rosa Kleid angezogen,
Erna. So kann Anna nicht auffallen.
Wenn er nur auf die Kleider sieht, kann
er mir leid tun.
Du hast kein Gefühl für Deine Schwester.
Als Dein Vater um mich anhielt, gingen die
Tanten in schwarz. Martha, Du auch in
rosa.
Rosa ist eben unsere Lieblingsfarbe, nicht,
Erna.
Warum quält Ihr mich so.
Rosa steht Dir garnicht, Anna. Ich hätte an
Deiner Stelle das Braunseidene genommen.
Ihr geht jetzt aus dem Zimmer, Kinder und
kommt erst, wenn wir Euch rufen. Der
Herr Doktor soll nicht glauben, dass wir
alle nur auf ihn gewartet haben. Und Ihr
zieht Euch sofort um. Ist mein Haar in
Ordnung, Anna. Hier liegt schon wieder
Papier auf der Erde. Wo bleibt denn Vater.
Mann. Mann.
Ja.

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