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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Achtes Heft
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Schwitters, Kurt: Tran 19
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0173
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Tran 19
Mein Zerfahren gegen Paul Westheim, zur
Gewinnung aromatischer, alkoholfreier Säfte.
(Die Axt im Haus zersetzt den Zimmer-
mann.)
Sehr geehrter Herr Westheim! (Ein jeder
blamiert sich, so gut er kann.)
Zunächst bin nicht ich zerfahren, sondern
Sie. (keuchend gähnt der Frosch zur Mitte.)
Ich fahre, Sie zerfahren und werden zer-
fahren. (Und wenn es ein Knabe wird,
sorge bitte für ihn.) Ich weiss nämlich ge-
nau, welchen Weg ich fahren muss (Trink-
wasser ist für Menschen nur in kochendem
Zustande geniessbar), Sie dagegen nicht.
(Um das Leder für den Schuhkitt aufnahme-
fähig zu machen, ist die Klebestelle erst
vom Schmutz zu reinigen.) Bitte überlegen
Sie einmal (Bier macht faul, dumm und
indolent), so gut Sie überlegen können (die
letzten Wagen sind hinten), was eigentlich
Zerfahrenheit heisst. (Seh ich dieses Rind-
vieh an, denk ich an meinen Christian.)
Die Vorsilbe „zer“ ist im Sinne von aus-
einander gebräuchlich (Ueber ein Kleines
o Seele voll Gram schwindet dein Kummer
und geht wie er kam.): „zerkleinern, zer-
bröckeln, zerteilen, zernagen, zersetzen, zer-
fahren usw.“ (Das ist viel Leid!) Bitte
überlegen Sie (für kranke Vögel verlange
man nur das seit Jahren bewährte Spratts
Hundekuchen!), so gut Sie überlegen können
(der grösste Griesgram lacht Tränen.), wer
von uns beiden auseinandergefahren ist, Sie
oder ich. (Nur trocknes Leder lässt sich
kleben.) Nehme ich Sie als Objekt oder
Subjekt des Verbs zerfahren (Krankheit des
einen wirkt schädigend auf die Gesundheit
des andern.), es stimmt beides (gar mancher
ist krank, ohne es überhaupt zu wissen.),
Sie zerfahren die Kunst (10000 Mark zahlt
die Direktion der Panther weibschau dem-

jenigen, der nachweist, dass Tohrah das
Pantherweib ein künstlerisches Fell am
Körper trägt) und werden zerfahren von
den Ereignissen, die Sie nicht beherrschen.
(Kapitalisten gesucht zwecks Ausbeutung
eines Patents). Aber die Kunst lässt sich
nicht zerfahren (Heilig ist das Kleid der
heiligen Kümmerniss) und bäumt sich auf
gegen das Kunstblatt, wie ein Schwert.
(Achtung: Hund beisst, klingeln!) Und
nun bitte ich Sie höflich, aber dringend
(Abdeckerei gleich Fortschaffung von Tier-
leichen), nicht mich dafür verantwortlich
machen zu wollen, dass Sie (Wirtschafts-
genossenschaft, System Staubschutz) meine
Kunst zerfahren wollen. (Hotel und Res-
taurant Zufriedenheit).
Sodann nennen Sie meine Kunst „Manier“
(Die in Berlin unter den Hunden ausge-.
brochene Tollwut bietet den Maulkorb- und
Hundesportartikelfabrikanten auf längere
Zeit recht gute geschäftliche Aussichten.)
Unter Manier verstehe ich eine tote Formel,
nach der man ohne inneren Zwang sich
bei seiner Arbeit richtet. (Die Artikel Ho-
senträger, Leibriemen, Klopfpeitschen, Puls-
wärmer, sog. Stulpen würde alles grosse
Freude bereiten.) Nach dieser Definition
behaupte ich (kein Trinkzwang, Rauchen
gestattet.), dass die Art, nach der Sie das
Kunstblatt zusammenstellen (Hier fach-
männische Anpassung) Manier ist. (Der
Torfmann handelt bekanntlich ebenfalls mit
einer Ware, die ihn nicht wärmt.) Dagegen
werde ich beweisen, dass (Torf, Torf, Hasen-
felle!) ausgerechnet Merz (Anna Blume hat
ein Kind von Bender.) nicht Manier sein
kann, weil es sich befreit hat von (Mir kann
doch keen Mann verkohlen.) jeder Manier
(Kohle ist Brot!) Aber ich werde den Ver-
such garnicht erst versuchen (rot orange
gelb grün blau dunkelblau violett), meine
Mühe wäre zwecklos (Woraus wird Leucht-

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