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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Zwölftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [15]: Briefe gegen Paul Westheim
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Droste, Sebastian: Grotesken
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0268
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Sie darüber philosophieren, dass für Ihren
tiefen Geist eine Nachtigall im Wesen das
gleiche ist wie eine Zwiebel oder Sie
wollen behaupten, dass eine Zeichnung des
Schwitters und des Loe für Sie Jacke wie Hose
ist. Und also weiss man jetzt, dass Sie auch
diese Kleidungsstücke nicht unterscheiden
können. Aber damit der Spass wieder ein
Ende habe, will ich Sie besser verstehen
als Sie selbst. Solange Sie nicht mit den
Armen in die Beinkleider fahren, will ich
glauben, dass sogar Sie eine abstrakte Zeich-
nung des Schwitters von einer gegenständ-
lichen Karikatur aus dem Jahr 1910 unter-
scheiden können. Als Sie einmal von
Gründen sprachen, an die Sie selbst nicht
glaubten, halfen Sie sich damit, dass Sie
diese Dummheiten trifftigere Gründe
nannten als Himmel und Hölle. Wenn Sie
eine Zeichnung des Schwitters einer anderen
gleichstellen, von der sie sich unterscheidet,
wie eine Nachtigall von einer Zwiebel oder
vice versa, müssen die beiden Zeichnungen
im Wesen das gleiche sein. Und wenn
Sie damit sagen wollen, dass die Maler
Fröhlich und Loe in der Entwicklung der
neuen Malerei eine so bedeutende Rolle
spielen wie Kurt Schwitters, so haben Sie
etwas verdrehtes obendrein noch so schlecht
wie möglich ausgedrückt. Eher würde ich
glauben, dass Sie den Schwitters für einen
Karikaturisten dem Jahr 1910 halten,
wenn Sie i ge Monate später die
Zeichnungen der r öhlich und Loe für
„klägliche Bildchen“ erklärt hätten. Und
nun lass ich Ihnen die Wahl, ob Sie sich
die Finger abbeissen wollen oder es für
bequemer halten, mich einen Schwindler
und Fälscher zu nennen, nachdem ich Ihnen
bewiesen habe, wie Sie im April 1920 über
Kurt Schwitters urteilten.
Rudolf Blümner

Grotesken
Willy Knobloch
Bordell
(J. v. B. zu Eigen)
Verkugelt zucken jähgeraste Wolken
Das Bluten aller Monde streifen Lichter
Beschattet sinken rotgestreifte Menschen-
leiber ....
Aus all den Trümmern weinen Augen
Hochweissbegeifert strotzen welkgefleckte
Dirnenbrüste
Und in dem hohen Spiegel weinen lachen
Necken schlanke Leiber
Verzittert wonnen alle Knabenlüste
gurrdunkel schwüles Leidenquälen
Und Augen zeigen ihre malten Künste
Das Weib verlässt verdirnt das Wogen-
schäumen
Und lässt die Knaben gelblich sie belachen..
Herbst
Warum müssen denn die Pferde Sättel tragen
Wenn doch im Westen alle Kurse steigen ..
Das Wesen dieser Tiere heisst ja Pferde
Und Stuten sind nur für die Wiesen
Wenn alle Menschen goldne Nägel hätten
Dann würden Präsidenten niemals Hemden
tragen
Und liessen Leute friedlich ihre Suppe
löffeln
Jähe Nacht
Ich weiss bedeckte Wege zu entlauben
Und muss doch täglich Stuben fegen
Das Kommen meiner Freunde sinnt nur
Grinsen
Und ich muss alle Schriften lesen
Doch einer Frau beschmutztes Laken
lockt nicht mal Spatzen zum Bespeien
Ich sehe rote grüne Kugeln
Herrgott ich falle
falle
Ach meine Hose muss gebügelt werden.


Inhalt
Kurt Schwitters: Aufruf / Ein Epos
Herwarth Walden: Gedichte
Franz Richard Behrens: Die Erde der Gottschreie
Rudolf Blümner: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus / Briefe gegen
Paul Westheim / Fünfzehnter Brief
Willy Knobloch: Grotesken
Fernand Leger: Akt / Zeichnung
Marc Chagall: Zeichnung
Marc Chagall: On dit / Aquarell / Vierfarbdruck
Dezember 1921

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