DER STURM / ZWEITES VIERTELJAHRHEFT
nun ist kein Halten mehr mit dem Expressionismus. Da ist zum Beispiel
Herr Georg Kaiser, dem er nachgesagt wird. Und zwar aus einem einfachen
Grunde: „Auf das Wunder der geistig-sittlichen Erneuerung des Menschen ist
doch bei dem reifer gewordenen Georg Kaiser alles eingestellt." Zu diesem
Zweck hat er zum Beispiel das Drama „Die Koralle" geschrieben. Da geschieht
folgendes expressionistische Wunder: „Mitten auf einer Weltreise erfaßt die
sittliche Erneuerung den Sohn in Gestalt tiefsten Mitleids zu den Heizern
seines Luxusschiffes.“ Die sittliche Erneuerung in Gestalt von tiefstem Mitleid
ist ein Bild, das sich sehen läßt. Die Ethik bricht sich mitten auf der Welt-
reise Bahn. Der Professor der Erste erzählt weiter: „Der Reichtum der väter-
lichen Jacht, die ihm auf dem Ozean entgegenfährt, die soziale Abgestumpftheit
und Herzensträgheit der Gäste seines Vaters und scheinbar dieses selbst
bestärken den Sohn noch mehr.“ Am liebsten würde er sich selbst gleich
bei der V. S. P. D. einschreiben lassen, wegen der sittlichen Erneuerung, wenn
er nicht gerade auf dem Ozean wäre. Der expressionistische Sohn hat aber auch
eine expressionistische Schwester: „Die Tochter folgt dem Bruder nach der Heim-
kehr, sie wird barmherzige Schwester und widmet sich den zahllosen Unfällen in
dem väterlichen Betrieb.“ Da sollte einmal die Polizei ihr bekanntes Augenmerk
darauf richten. Immerhin, die Tochter hat jetzt eine Beschäftigung und zwar
eine expressionistische. Nunmehr erfährt man von dem Professor dem Ersten,
daß diese ganze Angelegenheit sozusagen nur das Milieu ist, die bekannte
expressionistische Einrichtung, während im Vordergrund der Ereignisse sich
folgendes abspielt: „Der Sohn ist es selbst, der in einer Arbeiterversammlung
den Vater, vielmehr den Sekretär, den er für seinen Vater hält, das Wort
.Mörder' zuruft. Sohn und Tochter verlassen den Vater." Das ist eine Sache.
Nun wird es aber bitter ernst: „Ein Phantast, der Herr in Grau, fordert den
Milliardär auf, zu bekennen, daß die Bereicherung des Einzelnen die unerhörteste
Schmach sei. Diesem Umsturz gegenüber offenbart der Milliardär seine Welt-
ordnung und sein Leben. Während sein Doppelgänger das auf den offenen
Donnerstag gesammelte und daher leichter vermiedene Elend lindert und er-
ledigt, treibt er selbst an fernen sonnigen Küsten Angelsport. Dort hielt er auch
seine Kinder bisher verborgen, damit sie von der Furchtbarkeit des wirklichen
Lebens nichts erführen. Und darum ist nun der Vater am tiefsten vernichtet:
„Nicht da hinab! Dich hat ein Augenblick verstört, mich hat es ein Leben
lang geschüttelt. So furchtbar ist das Leben!" Der Sohn hält den Vater
nunmehr für einen Tiger. Der Alte fühlt sich eingeholt vom Schicksal und
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nun ist kein Halten mehr mit dem Expressionismus. Da ist zum Beispiel
Herr Georg Kaiser, dem er nachgesagt wird. Und zwar aus einem einfachen
Grunde: „Auf das Wunder der geistig-sittlichen Erneuerung des Menschen ist
doch bei dem reifer gewordenen Georg Kaiser alles eingestellt." Zu diesem
Zweck hat er zum Beispiel das Drama „Die Koralle" geschrieben. Da geschieht
folgendes expressionistische Wunder: „Mitten auf einer Weltreise erfaßt die
sittliche Erneuerung den Sohn in Gestalt tiefsten Mitleids zu den Heizern
seines Luxusschiffes.“ Die sittliche Erneuerung in Gestalt von tiefstem Mitleid
ist ein Bild, das sich sehen läßt. Die Ethik bricht sich mitten auf der Welt-
reise Bahn. Der Professor der Erste erzählt weiter: „Der Reichtum der väter-
lichen Jacht, die ihm auf dem Ozean entgegenfährt, die soziale Abgestumpftheit
und Herzensträgheit der Gäste seines Vaters und scheinbar dieses selbst
bestärken den Sohn noch mehr.“ Am liebsten würde er sich selbst gleich
bei der V. S. P. D. einschreiben lassen, wegen der sittlichen Erneuerung, wenn
er nicht gerade auf dem Ozean wäre. Der expressionistische Sohn hat aber auch
eine expressionistische Schwester: „Die Tochter folgt dem Bruder nach der Heim-
kehr, sie wird barmherzige Schwester und widmet sich den zahllosen Unfällen in
dem väterlichen Betrieb.“ Da sollte einmal die Polizei ihr bekanntes Augenmerk
darauf richten. Immerhin, die Tochter hat jetzt eine Beschäftigung und zwar
eine expressionistische. Nunmehr erfährt man von dem Professor dem Ersten,
daß diese ganze Angelegenheit sozusagen nur das Milieu ist, die bekannte
expressionistische Einrichtung, während im Vordergrund der Ereignisse sich
folgendes abspielt: „Der Sohn ist es selbst, der in einer Arbeiterversammlung
den Vater, vielmehr den Sekretär, den er für seinen Vater hält, das Wort
.Mörder' zuruft. Sohn und Tochter verlassen den Vater." Das ist eine Sache.
Nun wird es aber bitter ernst: „Ein Phantast, der Herr in Grau, fordert den
Milliardär auf, zu bekennen, daß die Bereicherung des Einzelnen die unerhörteste
Schmach sei. Diesem Umsturz gegenüber offenbart der Milliardär seine Welt-
ordnung und sein Leben. Während sein Doppelgänger das auf den offenen
Donnerstag gesammelte und daher leichter vermiedene Elend lindert und er-
ledigt, treibt er selbst an fernen sonnigen Küsten Angelsport. Dort hielt er auch
seine Kinder bisher verborgen, damit sie von der Furchtbarkeit des wirklichen
Lebens nichts erführen. Und darum ist nun der Vater am tiefsten vernichtet:
„Nicht da hinab! Dich hat ein Augenblick verstört, mich hat es ein Leben
lang geschüttelt. So furchtbar ist das Leben!" Der Sohn hält den Vater
nunmehr für einen Tiger. Der Alte fühlt sich eingeholt vom Schicksal und
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