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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 15.1924

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Walden, Herwarth: Deutsche Meisterehrung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47214#0130
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DER STURM/DRITTES VIERTELJAHRHEFT
der samt Familie nicht schlechter ißt, als Familie Hauptmann. Hauptmanns haben
es dadurch zu einem beträchtlichen Ruf gebracht. Bei Adlon ißt man gut, bei Haupt-
manns besser. So gut wie in der Familie können es die Restaurants eben nicht.
Man ißt eben doch am besten bei Muttern, wenn Vater außerdem als Dichter ißt.
Hauptmanns haben also Nebenbuhler gefunden. Die Literaten buhlen bereits um
diesen neuen Tisch: „Man aß, man trank: es ist ja jedem (aus der Vorkriegszeit) in
Erinnerung, wie vergnüglich satt einem dann zumute ist. Nur zu gut, daß es einen
Mokka gibt.“ Ich glaube, daß Herr Zarek (München) der Mann ist, was die Franzosen
Gourmet nennen. Essen hält Leib undSeele zusammen. Nur zu gut, daß es einen
Mokka gibt. Herr Zarek (München) kann nicht mehr: „Nur vernünftig, daß man das
Arbeitszimmer in einen Rauchsaal verwandelte — die Zigaretten hätten besser sein
dürfen — (den Fabrikanten sei der Schlußsatz der Meistersänger zu besinnlicher
Darnachachtung empfohlen) —!“ Sehr vernünftig. Man sollte wirklich die Arbeits-
zimmer der Dichter in Rauchsäle verwandeln, damit ihr Zweck den Wohnungsämtern
nachzuweisen ist. Die Fabrikanten der Zigarettenindustrie lassen die Zeitung in den
beträchtlichen Schoß fallen und stürzen auf das Textbuch der Meistersinger, um nach-
zusehen, wonach darnach zu achten sei. Ehret Eure deutschen Meister. Dann bannt
ihr Herrn Zarek (München). Qualität, meine Herren Fabrikanten auf i, für die
deutschen Meister, die ihre Arbeitszimmer in Rauchsäle verwandeln. Qualität und
Liebesgaben. Denken Sie sich, meine Herren, diese billige Reklame. Hätten dem
guten Geist die Zigaretten gemundet, Eure Firma wäre mit dem Namen des deutschen
Meisters gratis in die Ewigkeit eingegangen. Und wer kann wissen, ob die Ewigkeit
nicht auch eine Konjunktur hat. Da doch alles irdische Wesen so wie so schon Rauch
ist. Und nun kommt er, Hut ab, er, der Meister, preisgekrönt: „Eben betritt der
Meister selbst, gesättigt, und bei vorbildlichem Humor, ein wenig pedantisch höflich,
den Raum, um der Witwe des Professors Jaffe die Zigarette anzuzünden.“ Er kennt
seine Marken schon, der Meister. Die Witwe muß dran glauben. Vom Meister an-
gezündet, sitzt sie ohne weiteres Adjektivum da. Nur Herr Zarek (München) erfaßte
den geschichtlichen Augenblick. Denn nicht nur er, der Meister selbst ist gesättigt.
Und infolgedessen bei vorbildlichem Humor. Auf weniger geübte Leute wie Herrn
Zarek (München) wirkt gutes Essen pathetisch. In der Tat, man möchte mehr von
diesem Meister wissen: „In der Tat, der enge Kreis — ich hatte auf der Zunge, zu
sagen: der enge Freundeskreis, wäre es nicht zu großspurig für mich, mit diesem
kühnstolzen Wort meine Anwesenheit zu beschließen — dieser kleine Kreis also war
doch so gewählt, daß man bei wohligen Genüssen und nicht bedeutungslosen Ge-
sprächen passabel unter sich war, ohne Lärm und Illumination, eine gute und vor-
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